Mental Health als Thema
Fliedner Werkstätten gestalten mutige Krippenausstellung
Im Rahmen des Essener Krippenlandes, deren viele Krippensituationen seit Jahren eine besondere weihnachtliche Tradition darstellt, haben Menschen mit psychischen Erkrankungen aus dem Berufsbildungsbereich (BBB) der Fliedner Werkstätten eine außergewöhnliche Ausstellung gestaltet. Sie thematisiert psychische Erkrankungen und eröffnet neue Perspektiven auf die Weihnachtsgeschichte.
„Wir möchten die Besucher berühren und eigentlich soll man auch einen Kloß im Hals haben“, beschreibt die Gruppe ihre Motivation. Und wahrlich, sie ist auf einem guten Weg dahin. Denn aus den Teilnehmer:innen des BBB heraus entstand die Idee, statt traditioneller Darstellungen der Weihnachtsgeschichte das Thema psychische Erkrankungen in den Fokus zu rücken. Die Menschen leiden unter verschiedenen psychischen Beeinträchtigungen wie Schizophrenie, Psychosen oder schweren Depressionen und brachten ihre persönlichen Erfahrungen in die Gestaltung der Krippe ein.
Die Krippe und ihre Botschaften
Die dargestellte Krippensituation in Lebensgröße setzt auf symbolische Elemente, um psychische Belastungen und deren Auswirkungen sichtbar zu machen:
- Maria trägt ein Kleid, das aus den Beipackzetteln von Medikamenten gefertigt ist. Während das Kleid in einem auffälligen Rot gehalten ist, sind zudem Karteikarten mit Nebenwirkungen angebracht. Es verdeutlicht die oft schwierigen Begleiterscheinungen, Wechselwirkungen und Herausforderungen einer medikamentösen Behandlung.
- Josef wird aus Pappmaché dargestellt. Begleitet wird er von einem schwarzen Hund, der für Depression steht – inspiriert von einem bekannten Buch, das die Schwere und ständige Begleitung dieser Erkrankung beschreibt. Neben Josef wird ein illustriertes Buch über Depressionen ausgestellt, das diese Metapher vertieft.
- Die Heiligen Drei Könige sind durch individuell gestaltete Masken repräsentiert. Über ihnen schwebt eine große Wolke, ein Symbol der ersehnten Leichtigkeit. Doch unter den Masken hängen Gewichte, die sinnbildlich für die Lasten stehen, die Betroffene oft mit sich tragen und die ersehnte Leichtigkeit nicht zulassen.
- Das Christkind wird von Spiegeln umgeben, die jeden Betrachter reflektieren. Diese Installation betont die Verbindung zwischen der biblischen Geschichte und der heutigen Gesellschaft, indem sie aufzeigt, dass Jesus „einer von uns“ ist – geformt durch die Umstände, die ihn umgeben.
Ziele der Ausstellung
In regelmäßigen Treffen wurden Ideen entwickelt, abgestimmt und schließlich umgesetzt. Die Gruppe, bestehend aus zehn bis zwölf Teilnehmenden im Alter von Anfang 20 bis Ende 50, arbeitete wöchentlich an der Umsetzung. Unterstützt von Fachpersonal schufen sie ein Gesamtkonzept, das sowohl die Herausforderungen psychischer Erkrankungen als auch die Stärke und Kreativität der Beteiligten zeigt.
Die Ausstellung soll Besucher sensibilisieren und berühren. „Wir möchten, dass die Menschen nachdenklich werden und erkennen, dass psychische Erkrankungen jeden treffen können“, erklären die Initiatoren. Burnout, Depression und andere Belastungen sind Teil des Lebens vieler Menschen, oft unsichtbar für Außenstehende.
Das Projekt soll zudem zeigen, wie wichtig ein offener Umgang mit diesen Themen ist. Die Teilnehmer fanden im kreativen Prozess einen sicheren Raum, um über ihre Erfahrungen zu sprechen und diese in künstlerischer Form auszudrücken. Diese Offenheit wurde von den Fachkräften der Fliedner Werkstätten gezielt gefördert.
Hintergrund und Perspektiven
Die Teilnehmenden des Projekts befinden sich im Rahmen des Berufsbildungsbereichs der Fliedner Werkstätten in der beruflichen Rehabilitation. Die Deutsche Rentenversicherung unterstützt die Maßnahme, die darauf abzielt, den Betroffenen Struktur, Selbstbewusstsein und berufliche Perspektiven zu geben. Viele der Teilnehmenden haben aufgrund schwerer Lebensereignisse wie Missbrauch, Mobbing oder Schicksalsschläge ihren bisherigen beruflichen Weg nicht weiterverfolgen können.
Das Engagement in Projekten wie diesem ermöglicht den Beteiligten, ihre Fähigkeiten und Stärken zu entdecken, während sie gleichzeitig gesellschaftlich relevante Themen aufgreifen. Die Essener Krippenausstellung könnte in Zukunft auch als Wanderausstellung präsentiert werden, um ihre Botschaft einem noch breiteren Publikum zugänglich zu machen.
Besuch und Begleitprogramm
Die Ausstellung ist vom 1. Dezember bis zum 6. Januar im blauen Kubus der Marktkirche in Essen zu sehen. Am 2.Dezember findet vor Ort ein offizieller Pressetermin statt und es gibt dann die Möglichkeit mit den Akteuren ins Gespräch zu kommen. Mit dieser Krippe wagt sich der Essener Krippenweg an ein Thema, das gesellschaftlich oft im Verborgenen bleibt. Die Ausstellung ist ein beeindruckendes Beispiel dafür, wie künstlerisches Engagement Menschen verbinden und zum Nachdenken anregen kann.
Autor:Lokalkompass Mülheim aus Mülheim an der Ruhr |
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