Schockierende Bilder beim Crash-Kurs

Foto: Foto: PR-Foto: Köhring/AK

Von Anne Buerbaum
„Schockierend“, sagt die 17-jährige Viktoria. Ihre Tränen zeigen, wie „Realität - echt hart“, das Präventionsprogramm der Polizei im Crash-Kurs die Seelen der Schüler erreicht. „Das waren auch harte Bilder“, bekräftigt Viktorias Freund. Die Jugendlichen dürfen bereits Auto fahren. Wenn auch in Begleitung. Und jetzt sind sie sich einig, „noch vorsichtiger“.
„Gut aufgebaut“ , loben die 17-jährigen Christina und Fabienne den Crash-Kurs, den Polizeihauptkommissar Michael Seth vom Opferschutz für Schulen in Essen und Mülheim zusammengestellt hat. Premiere hatte der Kurs jetzt in Mülheim im Max-Planck-Instiut mit Schülern der Jahrgangsstufe 12 der Luisenschule.
„Und wenn nur bei einem von euch ein schwerer Unfall verhindert wird“, stellt Schulleiter Troost Wünsche voran. Unfallzahlen sollen reduziert werden, hoffen die Beteiligten auf die Wirkung und rechnen vor, dass rein statistisch jeder zweite Unfall in Mülheim von jungen Leuten verursacht wird. Gründe sind zu hohe Geschwindigkeit, Alkohol und Drogen.
Der Film zeigt´s am Beispiel. Wie zwei Kinder im Garten spielen, parallel ein Fußballsieg gefeiert wird, Alkoholfahrt, das Fahrzeug schleudert in den Garten auf die Kinder.
Und dann folgen dem Film echte Bilder und echte Berichte. Hauptbrandmeister Manfred Zeidler rettete, als auf der A 40 im Mülheimer Bereich ein Fahrzeug mit drei jungen Männer der britischen Rheinarmee, bei Glätte und Schneetreiben in einen Baum gekracht war. Zeugen, erzählt er, hätten später von einem Autorennen gesprochen. Eine Stunde lang musste die Wehr mit ihrem technischen Gerät arbeiten, musste den Fahrer aus dem Fahrzeug schneiden, bevor die Mitfahrer hinten befreit werden konnten. „Und egal, wo wir am Blech gezogen haben, einer hat immer geschrien“, vergisst der Feuerwehrmann die Bilder nicht. „Jetzt kenne ich euch“, sagt Manfred Zeidler. „Denkt daran, wenn ihr fahrt. Denn wenn man sie kennt, wird es noch schlimmer“.
Polizeibeamter Marc Feldermann ist 35 und Vater von drei Kindern. Unfälle mit Kindern machen ihm besonders zu schaffen. Am 17. Februar wurde er zum Unfall auf der Aktienstraße gerufen. Ein junger Radler war ohne Bremsen, mit Reifen ohne Profil und ohne Helm mit dem Kopf gegen einen Laternenmasten geknallt. Man kann den Abdruck immer noch auf dem Masten sehen, zeigt das Foto und das andere auch den Jungen mit dem „gespaltenen Kopf“. Die Polizisten besuchten den Jungen in der Klinik. „Er kann noch atmen und das Herz schlägt“, beschreibt Marc Feldermann und warnt eindringlich: „Fahrt mit Helm“.
Das weiß auch Bürgermeister Markus Püll, der bei der Premiere vom „Crash-Kurs“ Rat und Verwaltung vertritt. „Der Helm sieht bescheuert aus“, hat er Verständnis. Aber er trägt ihn. Und sein Bruder würde vielleicht noch leben, wäre er vor 48 Jahren mit Helm geschützt gewesen.
Und dann erzählt Pfarrer Michael Manz, Gemeindepfarrer in Heißen und Notfallseelsorger, vom Anruf an einem schönen Tag im Sommer, als er einem 20-jährigen Mädchen die Nachricht überbringen musste, dass ihr ebenfalls 20-jähriger Freund mit seinem Krad beim Unfall ums Leben gekommen war. Erzählt vom Schock, von Verzweiflung, dem Unverständnis („Wir haben doch vorher noch miteinander geschlafen“), und vom Besuch in der Klinik und am Bett des gerade Verstorbenen. „Einer muss das machen“, erklärt der Pfarrer, warum er Frau und Kinder beim Anruf verlässt, um zu helfen.
Noch ganz jung war der Pocketbike-Fahrer, der in Gathestraße / Düsterstraße verunglückte. „Die Mini-Motorräder sind nicht für den Verkehr freigegeben und die Einbahnstraße wurde falsch befahren. Zwei Verkehrssünden führten zum Tod“, sagt Michael Seth. Nicht vergessen kann der damalige Johanniter-Unfall-Helfer und jetzt Brandmeister, Hendrik Folkenborn, den Unfall des 16-Jährigen.
Erste Hilfe leistete bereits eine Kinderärztin als die Unfall-Helfer eintrafen. Die Atemmaske sollte den Schwerverletzten mit Sauerstoff versorgen. „Die passte nicht, weil der Kopf hinten vermatscht war und auch die Herzmassage ließ sich kaum anwenden“. Hendrik Folkenborn versuchte es, aber mit jedem Druck auf den Oberkörper strömte das Blut stärker aus dem Ohr des Jungen und bahnte sich den breiten Weg in den Gulli, zeigt das Foto. Mit Tubus und Infusionen versuchten drei Notärzte den Verletzten zu retten. Er verstarb am Unfallort. „Wir wollen nicht einen von euch von der Straße kratzen“, warnt der Retter die Schüler. Seit 2007 lassen ihn die Bilder nicht mehr los.
Sehr schockierend finden Nina und Amrei, beide 17, Erzählungen und Filme. Und sie glauben sicher, dass der Crash-Kurs“ ihr Fahrverhalten beeinflussen wird. Zu Herzen allerdings gingen ihnen die Worte des Vaters, der sein Kind Pia nach einem Verkehrsunfall beerdigen musste.
Ralf Schultheiss berichtet von seiner 23-jährigen Tochter Pia, Design-Studentin in Essen, die vor zwei Jahren nach nächtlich vorbereiteter und geglückter Präsentation, sicher abgelenkt vom Handy und müde die Straßenbahn erwischen wollte, haltende Fahrzeugreihen überquerte, ohne zu sehen, dass in einer Spur zügig gefahren wurde. "Da stehen zwei Polizisten vor der Tür und sagen, es habe einen schweren Verkehrsunfall gegeben".
Und bevor sich die Eltern von Köln auf den Weg nach Essen machen können, stehen sie da erneut und sagen, dass die Tochter gestorben ist, sagt Ralf Schultheiss. Wie das Leben der Eltern ebenfalls zerstört wird, erzählt er und dass Depressionen, Suizid-Versuche und schwere Krankheiten erst etwa nach zwei Jahren einsetzten.
„Vergessen Sie nicht, dass Autos Waffen sind“, mahnt er, und: „Ich weiß das, ich bin Autoingenieur".

Der Crashkurs: Mit der Unfallpräventionskampagne Crash-Kurs - Realität erfahren. Echt hart“ wollen die Polizei Essen und Mülheim besonders junge Autofahrer von 17 bis zu 24 Jahren sensibilisieren. Premiere hatte das Programm jetzt in Mülheim. Vorbereitet hatte sich darauf die Luisenschule. Weitere Schulen sind willkommen. Zunächst wird in den Schulen vorbereitet, dann folgt der Crash-Kurs, anschließend gibt es Schulumfeld-Verkehrsanalysen und Rollenspiele, erklärt Michael Seth. Melden kann man sich bei der Polizei, Direktion Verkehr, Tel. 0201 829-4131.

Autor:

Lokalkompass Mülheim aus Mülheim an der Ruhr

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