Saarner zeigen Hilfsbereitschaft

- Foto: Joshua Belack
- hochgeladen von Regina Tempel
Das künftige Aufenthaltszelt platzte am Samstag, 16. Januar, aus allen Nähten. Mit so viel Resonanz hatte Frank Langer vom Deutschen Roten Kreuz (DRK) nicht gerechnet. Er und sein Team hatten das Zelt, das ab Montag für die Bewohner des Saarner Dorfes zur Verfügung stehen wird, mit nur etwa 120 Sitzplätzen ausgestattet. An die 200 Saarner strömten ins Zelt auf dem ehemaligen Kirmesplatz, ließen sich registrieren und fotografieren, da jeder der sich ehrenamtlich engagieren will, einen Ausweis mit Lichtbild erhält.
Frank Langer: „Heute ist erst die Auftaktveranstaltung.“ Auf die Frage, ob überhaupt so viele Ehrenamtliche benötigt werden, erläutert Langer, der seit über einem Jahr mit der Flüchtlingssituation vertraut ist: „Das Projekt hier geht über 365 Tage mit jeweils 24 Stunden pro Tag – da besteht ein kontinuierlicher Bedarf an freiwilligen Helfern.“
Helfer bereiten Aktivitäten vor
Registrieren lassen kann sich jeder Interessierte auch noch nach dem Samstag über die Internetseite des DRK, Team Mülheim. Samstag fanden sich bereits Ansprechpartner und Gruppen, die in Sachen Sprachförderung (im Vorfeld hatten sich bereits 60 Freiwillige über die Internetseite gemeldet), Sport- und Spielangebote, Begleitdienste, Spaziergänge oder Begleitung zu Festen, Veranstaltungen und vielen anderen Angeboten, zuständig sind. „Die Bewohner sollten an Stadt-Aktivitäten teilnehmen,“ so Langer. „Lagerkoller“ soll vermieden werden, so seine Worte. Auch weitere Ideen werden begrüßt. So wurde am Samstag die Einrichtung eines Computer-Raums angeregt. Die Freifunker haben sich bereits bereit erklärt, kostenlos WLAN einzurichten. Auch die Betreuung einer Familie oder aber Gärtnerei auf dem Platz wurden vorgeschlagen.
Start ist Mitte März
Los geht es mit der aktiven Unterstützung der hauptamtlich Tätigen in Saarn aber erst ab Mitte März. Frank Langer zeigt sich überwältigt, dass so viele Leute helfen wollen, bittet aber, sich bis März in Geduld zu üben. Sachspenden, wie Kleidung oder Spielsachen, sollen - wie bislang - bei Willkommen in Mülheim (WiM), Solinger Straße, abgegeben werden.
Eine halbe Stunde nach Beginn der Veranstaltung unterbrach das DRK-Team Mülheim das Registrieren, um einige Informationen rund um das Saarner Dorf zu geben. Martin Meier vom DRK machte noch einmal darauf aufmerksam, dass das „Dorf Saarn“ einzig und allein errichtet worden ist, um Obdachlosigkeit zu verhindern. Acht der zehn Holzhäuser sind jetzt bewohnt. Martin Meier: „Die Holzhäuser haben eine Nutzungsdauer von 30 Jahren. Nach dem Projekt wird die Stadt entscheiden, wie die Häuser weiter genutzt werden.“ Frank Langer appellierte abschließend an alle, die helfen wollen, zu bedenken, dass dieses Projekt nicht Wochen oder Monate, sondern Jahre dauern wird. „Daher ist es wichtig zu bedenken, dass Hilfsangebote über einen längeren Zeitraum aufrecht erhalten sein müssen.“ Eine erste Welle der Hilfsbereitschaft darf nicht nach einem Jahr ausgelaufen sein.
Zusätzliche Sozialarbeiter
Um die Menschen zu integrieren, braucht es einen langen Atem. Langer: „Syrische Flüchtlinge haben unbefristetes Aufenthaltsrecht in Deutschland.“ Zunächst dürfen die Bewohner aber vier Monate nicht arbeiten, dann sind Praktika machbar. Ab dem 1. März sind zusätzlich zehn Sozialarbeiter/Psychologen eingestellt worden, auch um eine berufliche Integration in Mülheim zu erleichtern. Außerdem haben sich Mülheimer Ärzte bereit erklärt, eine regelmäßige Sprechstunde im Dorf zu organisiert. Langer: „Wir beschreiten hier neue Wege, sind aber zuversichtlich, dass alles gut klappen wird.“
Hintergrund
>>Die Menschen im Dorf - derzeit 480 Personen, davon 378 männliche Bewohner – bekommen eine Vollverpflegung und zusätzlich ein Taschengeld von 148 Euro pro Monat.
>>Den größten Anteil stellen junge Männer im Alter von 18 bis 28 Jahren. Das hat auch einen Grund, erläuterte Frank Langer: Die meisten der jungen Männer haben eine Berufsausbildung oder sind im Studium. Sie sind von ihren Familien auf die Flucht geschickt worden, auch um der Wehrpflicht zu entkommen.
>> Die Bewohner des Dorfes stammen aus 23 Nationen, zumeist syrischer Herkunft. Nur vereinzelt stammen sie aus Nordafrika oder dem ehemaligen Jugoslawien. 71 Kinder unter 11 Jahren leben auf dem Platz. Unter den Bewohnern sind kaum Analphabeten. In den kommenden Wochen wird die Zahl der Menschen dort auf 600 Personen aufgestockt. Damit ist die Gesamtauslastung erreicht.
Autor:Claudia Leyendecker aus Mülheim an der Ruhr |
3 Kommentare
Hallo Frau Leyendecker,
ich habe mir kurz einmal die Zahlen angesehen,und bin ehrlich gesagt ob der geschilderten Aussagen mehr als erstaunt,über die geradezu utopischen Umstände. Bei fast keine Analphabeten, frage ich mich, natürlich, was dass heißt, ist hiermit gemeint, dass die Flüchtlinge
a.) der deutschen Sprache mächtig sind ?
b.) einer europäischen Sprache ( französisch,englisch,...) mächtig sind ?
c.) Der Sprache ihres Heimatlandes mächtig sind?
Natürlich interessiert mich hierbei auch,was einer Sprache mächtig sein, bedeutet.
Gerade bei den jungen Männern wird der Eindruck erweckt, diese könnten ab dem 01.03.2016 direkt dem Arbeitsmarkt zugeführt werden, und somit ihren Beitrag leisten können. Stimmt dieses, oder sind eher Schwierigkeiten zu erwarten, dass ihre Ausbildungen und Studien in Deutschland nicht anerkannt werden, oder werden können? Ich hatte vor einiger Zeit von einem solchen Fall gehört,wo ein junger Afghane gerne Steinmetz geworden wäre, und es auch dem Ausbildungsbetrieb schwer gemacht wurde ihm diese Option zu bieten. Um vollständig zu sein, am ersten Probetag wurde aber auch von seinem (späteren) Ausbildungsbetrieb festgestellt, dass seine Handwerkskenntnisse einen 20jährigen Entwicklungsrückstand aufwiesen. Von daher war es eher seine Motivation als seine Fachkenntnisse den Ausschlag gaben ihn ausbilden zu wollen.
Was mich aber sehr irritiert, ist die Auflistung der Anzahl von Personengruppen:
480 Personen - 378 Männer (zwischen 18 - 28) - 71 Kinder (unter 11) = 31 Personen ( Männer über 28, Frauen und Jugendliche zwischen 11 - 18 )
Was mich an diesen Zahlen wundert, ist nicht die Dominanz der männlichen Flüchtlinge mit fast 80%, sondern die mehr als unterrepräsentierte Anzahl an Frauen und Jugendlichen zwischen 11 und 18. Sind so viele Kinder ohne Eltern gekommen, oder haben die Frauen durchschnittlich wenigstens 3 Kinder unter 18?
MfG
R. Müller
Lieber Herr Müller, Analphabet zu sein bedeutet nicht, dass man gar keiner Sprache mächtig ist, dann wären Analphabeten stumme Menschen. Nicht Analphabet zu sein bedeutet, man kann lesen und schreiben. Egal, übrigens, in welcher Sprache. Von daher ist ihre Frage dazu hinfällig.
Hallo Frau Templer,
ich bin aufgrund des Gedankenexperimentes des "chinesischen Zimmers" in den funktionalen Analphabetismus "abgerutscht". Ihre Annahme, dass meine Frage hinfällig ist, ist leider dennoch nicht zutreffend. Aber kann ich aus ihrer Antwort ableiten, dass
a.) der Anteil der Analphabeten eher der Rate der Analphabeten in Deutschland ( 2% ) und nicht der Rate in arabischen Staaten ( 22% ) entspricht, siehe auch http://de.statista.com/statistik/daten/studie/1757/umfrage/analphabetenrate-nach-weltregionen/ .
b.) Die Flüchtlinge überdurchschnittlich häufig des Schreibens und Lesens in der Sprache ihres Heimatlandes mächtig sind ( Auch schon ein Vorteil )
c.) Auch die überproportional repräsentierten jungen Männer zwischen 18 und 28 Jahren (noch!!) nicht der deutschen Sprache mächtig sind ( Aber mit entsprechender Schulung behebbar )
Mir geht es bei der expliziten Nachfrage darum, die optimistischen Beschreibungen, dass nur gut- und hochausgebildete Fachkräfte bei uns Asyl suchen mit der Aussage der Wirtschaft, dass zahlreiche Maßnahmen erforderlich sind, bevor die Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt integriert werden können, besser zu verstehen. Und für den deutschen Arbeitsmarkt/deutsche Firmen ist es nach meinem Empfinden sekundär, wenn jemand in arabisch schreiben und lesen kann, aber wenn jemand diese Zusatzqualifikation besitzt, um so besser.
Ungeachtet des Umstandes, dass mir bei meiner zweiten Frage der Fehler unterlaufen ist, nämlich das annähernd 80% der Flüchtlinge Männer und nicht junge Männer zwischen 18 und 28 Jahren sind, wäre hier eine dedizierte Aufschlüsselung interessant gewesen.
Alles in allem aber ein interessanter Artikel, bei dem ich mich des Eindruckes nicht erwehren konnte, er sei ein bisschen schön gefärbt, und die noch offenen und anstehenden Probleme und deren Lösung nur leicht andeutet. Was wirklich im Flüchtlingsdorf passiert, werden wir sicherlich nicht erfahren, sondern aus den Berichten aus der allgemeinen Presse interpolieren müssen.
MfG
R. Müller