(K)Ein anderer Mensch: Wenn die Oma an Demenz erkrankt
Svenja L.* war 15, als bei ihrer Großmutter Demenz diagnostiziert wurde. „Wenn die Oma, die für einen immer Respektsperson war, plötzlich zum Kind wird“, ist das nicht nur für die Betroffenen selbst, sondern auch für die Angehörigen alles andere als einfach.
„Die Krankheit hat sich ganz unspektakulär bemerkbar gemacht“, erinnert sich die heute 25-Jährige. „Sie wurde vergesslich, schloss die Haustür sechsmal hintereinander ab oder mischte sich ohne Zusammenhang in Gespräche ein.“ Die Familie vermutete, dass womöglich eine Operation im Vorfeld schuld an dem wunderlichen Verhalten der Großmutter war, sie die Narkose oder Tabletten nicht vertragen hatte. Als sich die Oma allerdings nicht mehr selbst versorgen konnte und letztendlich Demenz festgestellt wurde, fand sie in einem Pflegeheim am Niederrhein ein neues Zuhause. „Hier blühte sie richtig auf“, erzählt Svenja. Sie hatte dort ihr eigenes Zimmer und ihre eigene Küche, fand in der Zimmernachbarin eine gute Freundin und nahm an zahlreichen Aktivitäten teil. „Seitdem ihre Freundin vor einigen Jahren jedoch verstarb, hat meine Oma - mittlerweile Pflegestufe II - stark abgebaut. Zeitweise wurde sie sogar aggressiv und hat uns beschimpft.“
Dieses Verhalten, betont Harald Schaal, Einrichtungsleiter im Evangelischen Wohnstift am Dichterviertel, dürften die Angehörigen auf keinen Fall persönlich nehmen. In solchen Momenten befänden sich die Betroffenen in ihrer ganz eigenen Welt und projizierten diese auf die Realität. „Ein Teil der Angehörigen kann gar nicht damit umgehen“, macht Schaal immer wieder die gleiche Erfahrung. „Sie blenden die Krankheit vollkommen aus. Demenz gibt es genauso wenig wie den Tod.“ Dabei ist vor allem der emotionale Rahmen für das Wohlbefinden des Betroffenen entscheidend. Ob Singen, Vorlesen oder körperliche Nähe: All das kriege ein Demenzkranker immer mit - egal wie schwer die Erkrankung sei.
Wenn sich die Eltern oder Großeltern verändern, ist es für alle schwierig.
Das wissen auch Svenja und ihre Familie: „Meine Mutter ist bestimmt dreimal in der Woche bei meiner Oma. Ich versuche, sie mindestens einmal im Monat zu besuchen und kann mich dann ganz normal mit ihr unterhalten.“ Anfangs sei es schwer gewesen, mit der Situation umzugehen. Kein Wunder: Wenn sich die Eltern oder Großeltern verändern, ist es für alle schwierig. Sie in einem Pflegeheim unterzubringen, hält Svenja jedoch für eine gute Entscheidung. „Was soll sie auch allein zu Hause sitzen? Hier wird sie unterstützt und gefordert.“ Den Demenzkranken Reize zu bieten, findet auch der Einrichtungsleiter des Wohnstiftes für unerlässlich. Nur weil sie nicht mehr richtig funktionierten, dürfe die Krankheit nicht als Schade gelten und der Mensch abgeschoben werden, plädiert Schaal für mehr Toleranz. In der 2009 eröffneten Einrichtung mit dem Schwerpunkt Demenz leiden 70 bis 80 Prozent der Bewohner an der degenerativen Erkrankung des Gehirns verschiedenen Grades.
*Name geändert
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Autor:Lisa Peltzer aus Oberhausen |
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