„Ich habe überlebt“
Im Rahmen der gerade abgelaufenen Ausstellung „Jagd auf die Moderne - Verbotene Kunst im Dritten Reich“ lud das Kunstmuseum Alte Post, Synagogenplatz 1, zu einer ganz besonderen Veranstaltung ein.
Von Miro Koray
In einem Generationengespräch schilderten fünf Zeitzeugen, wie sie den Krieg und die Nazi-Diktatur aus verschiedenen Blickwinkel erlebten. „Ich war in einem Konzentrationslager und im Ghetto. Doch dann befreite mich die russische Armee“, berichtete Josef Königsberg, der 1924 in Schlesien geboren wurde. Sein Buch „Ich habe erlebt und überlebt“ ist eine der besten Biografien dieser Zeit.
Karl-Heinz Schauenburg (84) hat die Kristallnacht am 9. November 1938 in Mülheim miterlebt. Seine weinende Großmutter zeigte dem damals Zehnjährigen das zerstörte Mülheim. „Ich war zehn Jahre alt. Ich war zu jung um alles zu verstehen“, so Schauenburg.
Ursula Graef-Hirsch wurde 1929 geboren und erlebte ebenfalls die Kristallnacht, aber in Duisburg : „Ich sehe die Bilder wie einen Film vor meinen Augen. Viele der jüdischen Menschen kannte ich vom Sehen, hatte aber keinen Kontakt gehabt. Und dann wurden sie geholt und ihre Häuser zerstört und verwüstet.“
Dietmar Hein (86) und Hans Fischer (81) können sehr unterschiedliche Dinge erzählen. Hein kam als gebürtiger Tscheche 1938 ins deutsche Reich. Er war insgesamt vier Jahre in Gefangenschaft, davon zwei in Amerika. Es ging mit dem Schiff nach New York und von dort weiter nach Louisiana, wo er auf einer Zuckerrohrplantage arbeiten musste. „New York war ein gewaltiger Eindruck für mich und meine Mitgefangenen. Alles war viel größer und heller als das dunkle Deutschland“, meinte er. Hans Fischer wohnte in einem Teil von Mülheim, in dem wenige Juden lebten. Trotzdem bekam er die erste große Angriffswelle mit und sah einen guten Kamerad in den Tod gehen.
Es gibt einige Aspekte, bei denen sich alle Zeitzeugen einig waren. „Die Frage war nicht, warum die Juden geholt wurden, sondern, wohin sie gebracht werden und was mit ihnen passiert!“
„Wir wurden begeistert und angeregt, der kankhaften Idee Hitlers zu folgen. Wir erkannten erst danach, wie schrecklich es war“, hat Greaf-Hirsch beizutragen. „Besonders in der Hitlerjugend wurde mit verführerischen Angeboten gelockt, denen kein junges Herz wiederstehen konnte!“
Dass es natürlich viele Widerstandsgruppen gab, steht außer Frage und dies konnte jeder der anwesenden Zeugen bestätigen. Darüber steht ebenfalls viel in der Nachkriegsliteratur. „Meine Bücher sind nicht die einzigen Biografien die es gibt. Dass viele Menschen nach dieser schlimmen Zeit ihre Erlebnisse, Erfahrungen und Eindrücke zu Papier gebracht haben, scheint allerdings etwas in Vergessenheit geraten zu sein,“ meint Josef Königsberg.
Eine lange Diskussion erfolgte auf die Frage nach der Meinung der Zeugen zu Neo-Faschismus und der Nationaldemokratischen Partei Deutschland (NPD). Ernst-W. Petruschka, ein Besucher, der sich schon lange mit dem Thema beschäftigt, brachte seine Meinung zur NPD mit ein. „Es ist natürlich schlimm, dass es diese Partei gibt. Jedoch würde ich nicht wollen dass sie verboten wird. Ich will diese Menschen erkennen können und nicht, dass sie sich in den Untergrund verkriechen.“
Auch die Zeitzeugen und weiteren Besucher schlossen sich dieser Meinung an. Außerdem sei es schwierig die Partei aufzulösen. „Sie stellen es geschickt an. Sie tun nichts, was sich gegen das Gesetz stellt. Sie vertreten nur eine Meinung. Und öffentliche Demonstrationen sind nunmal gestattet“, wirft Hans Fischer ein.
Dass sich die verfügbare Zeit nach eineinhalb Stunden schon dem Ende zuneigte, war bedauerlich. Die Besucher Ernst-W. und Monika Petruschka lobten das Museum für die großartige Ausstellung und die Organisation : „Wir fanden es sehr interessant Meinungen und Erlebnisse von teilweise sehr unterscheidlichen Zeugen der Zeit zu hören. Nur war es schade, dass durch das gute Wetter und die späte Zeit nur wenige Besucher kommen konnten“.
Doch auch die kleine Runde hat ihren Zweck erfüllt und das Wissen einiger bereichert.
Autor:Lokalkompass Mülheim aus Mülheim an der Ruhr |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.