Freiwilliger Verzicht auf klassisches Spielzeug in katholischer Kita in Styrum
Die Kinder des Familienzentrums St. Mariae Rosenkranz lernen zurzeit „Verzicht“ - und das ganz freiwillig. Auf einer Kinderkonferenz hat der Nachwuchs gemeinsam beschlossen, in der Fastenzeit auf klassische Spielzeuge zu verzichten.
„Wir sollen unsere eigene Kreativität anregen“, sagt der sechsjährige Levin, während er gleichzeitig ein Stück Pappe bemalt. Die Leiterin deskatholischen Familienzentrums, Martina Kiworra, schmunzelt. „Den Ausdruck hat er bestimmt aufgeschnappt, als die Kollegen vom Radio hier waren.“
Gesagt, getan: Ein Tag nach Aschermittwoch wurden Lego, Auto und Puppe in Kisten verstaut und in den Keller geräumt. Mehrere Tage hat es gedauert, bis die Regale leer waren. „Die Kinder sprechen davon, dass sie das Spielzeug ‚in den Urlaub geschickt haben‘“, sagt Kiworra. „Weil es müde war.“ Anfangs haben die Kleinen Kartons gestapelt oder sich mit Kisten und Decken Höhlen gebaut. Nach und nach entwickelten sich die Ideen der Kinder immer weiter, wurde die „Einkaufsliste“ immer länger. Zuletzt brauchten sie Farbe. „Gestern haben wir die ‚Puhs‘ gebastelt. Und heute wollen wir einen Pool machen“, erklärt Lenn (6). Pool: verständlich. Aber „Puhs“? Ein kurzer Blick in eine andere Ecke des Gruppenraumes und schon ist klar: „Puhs“ sind kleine, graue, runde Scheiben mit aufgemaltem Gesicht und Strohhalm zum Festhalten. „Puhs“ eben. Und die sollen bald baden gehen oder sich am Strand in der Sonne aalen können. Für den Strand ist Leon (4) zuständig, der der Fotografin breit grinsend den Pinsel präsentiert, bevor er sich wieder auf den „Sand“ konzentriert. Bevor er abgeholt wird, soll sein Kunstwerk schließlich fertig sein.
Kinder basteln einen Pool für die "Puhs"
Egal wo man hinguckt: Die Kleinen sind schwer beschäftigt - und das ganz ohne Barbie, Matchbox & Co. Nur ganz selten verirrt sich ein Kind in den Keller und holt ein Spielzeug wieder nach oben. Das bedeute aber nicht, weiß Kiworra, dass es dann auch damit spielt. Oft reiche die Gewissheit, dass es da ist.
Bis kurz vor Ostern soll das Spielzeug noch im Keller Urlaub machen dürfen. Geplant ist, die Kisten nach und nach wieder nach oben zu holen und auszuräumen.Aber auch das entscheiden die Kinder. „Und wenn dann noch was unten bleibt, ist das auch super“, sagt Kiworra. Doch damit ist das Projekt noch nicht abgeschlossen. Im Rahmen einer Ausstellung könnten die vielen selbstgebastelten Spielzeuge der Kinder präsentiert werden. Das Kita-Fest im Mai könnte ebenfalls passend zum Thema gestaltet werden.
Viele Eltern waren anfangs sehr skeptisch
Viele Eltern waren anfangs skeptisch und äußerten sich während einer Infoveranstaltung entsprechend kritisch. „Als es wirklich losging und die Regale leer geräumt wurden, waren einige ganz schön verdutzt“, sagt Kiworra. „Sie waren doch etwas in Sorge.“ Umso wichtiger sei es, das Projekt zu dokumentieren, Fotos zu schießen und Videos zu drehen, um auch die Eltern teilhaben zu lassen. Ein Umdenken ihrerseits war gefordert - und hat stattgefunden. „Die meisten konnten wir überzeugen.“
HINTERGRUND
- Bei einem Leitungsgespräch hörte Martina Kiworra erstmals von dem Projekt „Fastenzeit im Familienzentrum“. Ausschlaggebend, das Projekt auch in Mülheim umzusetzen, war eine Waldwoche im vergangenen Jahr. Während einige Kinder den Wald direkt als natürlichen Spielplatz annahmen, hielten sich andere Kinder erst einmal zurück und beobachteten nur. „Sie wussten erst nichts mit sich anzufangen“, sagt Kiworra.
- Das Projekt kann als Teil einer neuen Bewegung verstanden werden. „Partizipation“ heißt diese und meint, die Kinder an Entscheidungsprozessen auch aktiv teilhaben zu lassen. Im Kita-Zweckverband im Bistum Essen wird Partizipation bereits praktisch gelebt. Bestes Beispiel in Mülheim sind die regelmäßigen Kinderkonferenzen. Es gibt bereits politische Vorstöße, dass Partizipation künftig zum Alltag in Kindertageseinrichtungen gehören soll.
Autor:Lisa Peltzer aus Oberhausen |
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