Fast jeder siebte Job fällt weg - Siemens Mülheim verliert 599 Stellen

Am Montag wurden die Mitarbeiter von Siemens informiert. | Foto: PR-Foto Köhring/AK
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Seit einem Jahr wird zwischen der Siemens-Konzernspitze und dem Gesamtbetriebsrat um Einsparungen in der Kraftwerkssparte gerungen. Am Montag nun gab es eine Einigung, die in Mülheim der Belegschaft bei einer Betriebsversammlung in der innogy Halle vom Mülheimer Betriebsratschef Pietro Bazzoli vorgestellt wurde: 599 Jobs sollen innerhalb von fünf Jahren abgebaut werden. Aber es gibt auch Investitionen in das Werk.

Rund 4300 Mitarbeiter beschäftigt Siemens am Standort Mülheim. Hier werden Dampfturbinen und Generatoren für den Kraftwerksbau hergestellt, eine Sparte, die durch die Energiewende besonders zu kämpfen hat. Preisdruck und Wettbewerbssituation haben sich drastisch verschärft. Deshalb werden die Werke restrukturiert und die Kompetenzen jeweils gebündelt, teilt Siemens mit. Mülheim wird Kompetenzzentrum für große Dampfturbinen und spezialisiert sich auch auf die Fertigung großer Elektromotoren. Mit 599 Stellen trägt das Mülheimer Werk dennoch den Löwenanteil des Jobabbaus: Insgesamt 2900 Stellen fallen bundesweit in der Kraftwerkssparte weg.

Dennoch zeigte sich der Betriebsratschef Pietro Bazzoli nicht unzufrieden. Wie von IG Metall und Gesamtbetriebsrat stets gefordert, wird es weder Standortschließungen, noch betriebsbedingte Kündigungen geben. Ein Sozialplan sichert verschiedene Maßnahmen zu, mit denen den Arbeitnehmern der Ausstieg aus dem Job erleichtert wird. Es wird Angebote geben, innerhalb von Siemens zu wechseln, sich gegebenenfalls weiter zu qualifizieren und coachen zu lassen auch für externe Bewerbungen. Mitarbeiter können auch in eine Transfergesellschaft wechseln, um bei maximal zwei Jahre weiterlaufenden Bezügen zusätzliche Abschlüsse machen zu können, mit denen sie sich extern oder bei Siemens wieder bewerben können. Dazu kommen Altersteilzeitangebote und Abfindungen. Rund 100 Arbeitsplätze, die bereits seit letztem Oktober eingespart wurden zum Beispiel durch interne Stellenwechsel in nicht betroffene Bereiche, werden auf die 599 Stellen angerechnet.

Neue Technologie

Eine gute Nachricht aber gibt es: Der Konzern will auch in den Standort investieren: Das Bearbeitungszentrum für die Gehäusefertigung soll erneuert werden, außerdem soll in eine neue Schweißtechnologie investiert werden. Die Idee für die neuartige Maschine hat man in Mülheim schon entwickelt, nun stellt Siemens auch das Geld zum Bau dieser Maschine zur Verfügung. "Damit können wir Produkte aus anderen Branchen, die dort womöglich aufgrund der nötigen Größe nicht mehr angefertigt werden können, in Mülheim für externe Firmen produzieren", erklärt Bazzoli und verweist zum Beispiel auf Schiffantriebe.

Dem Ziel, in Mülheim einen Forschungsschwerpunkt aufzubauen, ist der Betriebsrat auch näher gekommen. Siemens will am Energiecluster NRW teilnehmen. "Wir wollen uns mit Firmen aus dem Energiebereich wie Eon, RWE, Amprion und aus energieintensiven Branchen wie ThyssenKrupp zusammensetzen und Ideen entwickeln, wer welche Produkte für stabile Stromnetzwerke oder Speichertechnologien entwickeln und produzieren kann", erklärt Bazzoli. Das Land hat schon Fördermittel zugesagt, auch Siemens ist nun bereit, dafür Geld in die Hand zu nehmen." Diese Möglichkeit, den bedrohten Standorten Freiraum zu schaffen, um Innovationen zu entwickeln, war einer der Hauptforderungen des Betriebsrates. Und durch den Zeitraum von fünf Jahre habe man nun auch Zeit, etwas zu entwickeln.

Große Herausforderung

Oberbürgermeister Ulrich Scholten zeigte sich vom Stellenabbau nicht überrascht. Die jüngste Entscheidung des Konzerns bedeute nun die große Herausforderung, möglichst viele der wegfallenden Arbeitsplätze zu kompensieren. Scholten ist zuversichtlich, was den Industriestandort Mülheim angeht: „Wir haben mit dem Autobahnnetz rund um unsere Stadt und der Ruhr alternative Verkehrswege, die der Produktion von Großgeräten entgegen kommen“. Und auch die Investitionen des Siemens-Konzerns der vergangenen Jahre in den Standort Mülheim seien ein positives Zeichen und sollten genutzt werden, um neue Produktlinien zu etablieren.

Der hiesige Standort zahle die Zeche für Versäumnisse des Konzern-Managements, meinen die Grünen. Man habe habe die Energiewende viel zu lange verschlafen und nahezu ausschließlich auf konventionelle Kraftwerk-Technik gesetzt. Erst jetzt scheine ein Umdenken einzusetzen. Zugesagte Investitionen und die Überlegung, durch Konversion neue, zukunftsträchtige Geschäftsbereiche zu erschließen, nährten ein zartes Hoffnungspflänzchen. Das Mülheimer Siemens-Werk muss harte Einschnitte hinnehmen. Foto: Siemens Betriebsratsvorsitzender Pietro Bazzoli.

Autor:

Regina Tempel aus Mülheim an der Ruhr

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