"Erinnere dich": Berufsschüler gingen ins Altenheim an der Mendener Straße
"Ja. Früher bin ich auch immer schwimmen gegangen", sagt die alte Dame und lächelt fast verträumt, als sie auf die Fotokarte mit dem Bootsanleger des Mülheimer Rudervereins schaut, die ihm Aylen Bielen zeigt. Ein alter Herr erinnert sich an die Weihnachtsfeste seiner Kinderheit, als er zusammen mit Rachel Mansah eine andere Fotokarte anschaut, die eine Bescherung am Heiligen Abend zeigt,
Aylen und Rachel sind zwei von insgesamt 13 Oberstufenschülerinnen des Berufskollegs Stadtmitte, die jetzt für zwei Vormittage die demenziell veränderten Bewohner im Haus Ruhrgarten an der Mendener Straße besuchten. Im Gepäck hatten die angehenden Fachabiturienten aus dem Bereich Gesundheit und Soziales drei große Kisten voller Bildkarten, die auf der Vorderseite ein Fotomotiv zeigen und auf der Rückseite Stichworte zur dem jeweiligen Motiv enthalten.
Spielerische Motivationsarbeit
"Wir wollen die Bewohner spielerisch dazu motivieren, sich an ihr Leben zu erinnern und zu erzählen", erklärt Berufsschülerin Charline Baumgart das Ziel des von ihr und ihren Mitschülern entwickelten Gedächtnis- und Gesprächsspiels.
"Das war ein enormer Zeitaufwand, aber auch sehr interessant", erinnert sich Berufsschülerin Sina Wenzel an die Recherchearbeit im Stadtarchiv. "Weil aber nicht alle Bewohner des Hauses Ruhrgarten aus Mülheim kommen, haben wir auch überregionale Bildmotive und Portraits von bekannten Schauspielern, Sängern und Politikern ausgewählt, damit auch wirklich alle angeregt werden, mit uns ins Gespräch zu kommen" erklärt Sina.
"Es war sehr schön für uns, mitzuerleben, wie die alten Menschen aufgeblüht sind, als sie mit uns die Bilder betrachtet und mit uns gesprochen haben", erinnert sich die 18-jährige Berufsschülerin Jasimin Isleyn. Von einer Bewohnerin erfuhr sie, dass sie früher zuhause eine Katze hatte und zeigte ihr daraufhin via Smartphone die Schnappschüsse ihrer eigenen Katze. Da leuchteten die Augen der alten Dame, die für einen Moment in ihre Jugend zurückzukehren schien.
Inspiration fürs Berufsleben
"Dass Wichtigste, was man in diesem Beruf braucht, ist Einfühlungsvermögen und die Bereitschaft, sich auch auf schwierige Situationen einzulassen, um dann wieder belohnt zu werden, wenn Bewohner plötzlich wieder einen hellen Moment haben und sich offensichtlich freuen und wohlfühlen", berichtet Charline Baumgart. Sie weiß nach einem vierwöchigen Praktikum im Haus Ruhrgarten, wo von sie spricht. Und ihr gefällt die Altenpflege sogar so gut, dass sie nach ihrem Fachabitur im August eine Ausbildung im Altenheim an der Mendener Straße beginnen will.
Aber auch ihre Klassenkolleginnen, die nicht in die Alten,- sondern in die Krankenpflege, in den Polizeidienst oder in die Physiotherapie einsteigen wollen, sehen das Projekt und die Begegnung mit demenzkranken, aber trotzdem lebendigen alten Menschen als einen Gewinn. "Denn in einer zunhemend alternden Gesellschaft werden wir auch in unseren Berufen immer wieder demenziell veränderten Menschen begegnen", sind sie sich einig.
Ein Gewinn für alle Beteiligten
"Die Schüler haben hier im Haus Ruhrgarten, aber auch bei ihren Gesprächen mit den Mitgliedern der örtlichen Alzheimer-Gesellschaft faszinierende, liebenswerte und begeisternde Menschen kennen gelernt, die den einen oder anderen sicher animieren werden, über eine berufliche Zukunft in der Altenpflege nachzudenken", freut sich Klassenlehrerin Dorothee Streier-Laufs über die gelungene Begegnung der Generationen.
Für Anke Kolodziej, Mitarbeiterin im Sozialen Dienst des Hauses Ruhrgarten, die zusammen mit ihren Kolleginnen die Berufsschüler auf die Gespräche mit demenziell veränderten Bewohnern vorbereitet hatte, kommt nach den zwei Projekttagen zu dem Ergebnis: "Den Bewohnern hat es gut getan, mal wieder Jugendliche zu sehen und so ein Stück vom Leben mitzubekommen. Und die Schüler haben hier erlebt, dass die Arbeit in der Altenpflege auch viel Freude machen kann."
Autor:Thomas Emons aus Mülheim an der Ruhr |
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