Büchercafé der Vereinten Evangelischen Kirchengemeinde: Zweite Chance für alten Lesestoff
Abgekämpft kommt der ältere Herr im grauen Mantel im ehemaligen Gemeindezentrum an. Auf den Armen trägt er einen schweren Umzugskarton voller Bücher. Im Vorbeigehen drückt er Lothar Schuck die Kiste in die Hand - und ist verschwunden. Eine Stunde später taucht er wieder auf, den Arm voller Bücher, die er an der Kasse bezahlt, bevor er den Lesestoff zum Auto schleppt, einsteigt und wegfährt.
Sonntagmittag, kurz nach 13 Uhr: Bestimmt 60, 70 Menschen drängeln sich im Erdgeschoss und im Keller um Bananenkartons und Regale, immer auf der Suche nach einem literarischen Schnäppchen. Rund 20.000 Stück gibt es davon, allesamt gut sortiert nach Literatur und Fachliteratur. „Ach, du auch wieder hier? Wie schön“, sagt eine Frau mittleren Alters und drückt herzlich ihre Sitznachbarin.
Weiter hinten im Raum müht sich ein junges Mädchen mit einem riesigen Stapel Fachbücher ab, daneben studiert ein Mann die Buchrücken der Neuheiten.
Sie alle haben eine gemeinsame Leidenschaft: das Lesen. Und Lesestoff - gebraucht, aber gut erhalten, günstig und für einen guten Zweck - gibt es beim Büchercafé der Vereinten Evangelischen Kirchengemeinde reichlich. Gleiches gilt für Kaffee, Kuchen und einen Plausch zwischendurch. „Wir haben vor bestimmt zehn oder 15 Jahren das erste Mal ein Büchercafé veranstaltet“, erinnert sich Initiatorin Christel Schuck. Angefangen haben sie und ihr Mann mit einem Bücherstand auf einem Basar der hiesigen Gemeinde. Der fand aber nur einmal im Jahr statt. „Es tat uns leid, dass die Bücher, die nicht verkauft wurden, solang gelagert werden mussten.“
Unterstützt wird das Ehepaar Schuck von zehn ehrenamtlichen Helfern
Kurzerhand war die Idee geboren, einmal im Monat - immer nach dem Familiengottesdienst am Sonntag - ein Büchercafé zu organisieren. Selbst als das Gemeindezentrum geschlossen werden musste, wurde man sich mit dem neuen Vermieter schnell einig und konnte die karitative Veranstaltung fortsetzen.
Unterstützt wird das Ehepaar Schuck von rund zehn Ehrenamtlichen ab 65 Jahren. Sie helfen tragen, backen Kuchen, verkaufen Kaffee oder stehen den Leseratten beratend zur Seite. Nach so vielen Jahren hat Christel Schuck ein gut trainiertes Gedächtnis. „Da ich meistens an der Kasse stehe, weiß ich genau, was geht und was nicht geht.“ Findet ein gebrauchtes Buch auch nach Monaten keinen neuen Abnehmer, wird es entsorgt. „Den meisten, die uns Bücher spenden, ist es lieber, wenn WIR die Bücher dann irgendwann wegschmeißen.“
Das nächste Büchercafé findet am Sonntag, 7. Juni, von 12 bis 17 Uhr in den Räumen an der Adolfstraße 89a statt. Besucher sind herzlich willkommen.
Gern gesehen sind auch Jugendliche und junge Erwachsene, die sich engagieren möchten - vor allem, wenn es um den Auf- und Abbau geht. Interessierte Helfer können sich unter Tel. 426074 oder per E-Mail an las.torres@gmx.de an Christel Schuck wenden.
Wer Bücher, Musik oder Filme spenden möchte, kann sich ebenfalls an das Ehepaar Schuck wenden oder einfach vorbeikommen.
HINTERGRUND:
- 80 Prozent der zirka acht Millionen Einwohner in Caracas, der Hauptstadt Venezuelas, leben in Elendsvierteln an erdrutschgefährdeten Berghängen und sind weder sozial noch rechtlich abgesichert; so steht es auf der Internetseite des Freundeskreises Las Torres.
- Der Mülheimer Verein, ein Projekt der Vereinten Evangelischen Kirchengemeinde, unterstützt seit rund 40 Jahren verschiedene Zentren in den Barrios (Elendsvierteln) in Las Torres, Los Cujicitos und El Retiro. Dort erfahren die Armen vor allem Hilfe zur Selbsthilfe. Geboten werden zudem eine Kleinkinder- und Schulkinderbetreuung und ein Vorschulkindergarten. Warum ausgerechnet Caracas? „Wir waren ‘74 zu Besuch bei einem ehemaligen Presbyter der Gemeinde Broich, der nach Venezuela gezogen war und haben dort mit eigenen Augen gesehen, wie die Menschen leben müssen“, sagt Christel Schuck.
- In Caracas wird die Arbeit von dem Verein Asociación Civil Educación Integral San Benito getragen.
Autor:Lisa Peltzer aus Oberhausen |
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