Auf gesunde Füße stellen

Geschäftsführer Lothar Fink bemüht sich um Sanierung der AWO Mülheim. 
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Planinsolvenz als finanzielles Sanierungskonzept für die Arbeiterwohlfahrt Mülheim

In drei Jahren steht das Jubiläum an. Im Januar 1920 wurde die Arbeiterwohlfahrt in Mülheim an der Ruhr gegründet. Die Selbsthilfe-Organisation der Arbeiterschaft sollte in "Not und Elend" geratenen Menschen helfen.

Heutzutage unterhält die AWO Mülheim als gemeinnütziger Verein verschiedene Einrichtungen wie Drogenhilfe, Schwangerschaftskonfliktberatung, betreutes Wohnen, sozialpsychatrische Einrichtungen, ein Begegnungs- und Servicezentrum für Senioren. Leitbild der AWO: Mit ehrenamtlichem Engagement und professionellen Dienstleistungen für eine sozialgerechte Gesellschaft kämpfen. Auch eine Schulden- und Insolvenzberatungsstelle wird angeboten.

Planinsolvenz

Nun aber ist die AWO selbst ein Fall für eine Planinsolvenz. Die rund 220 Mitarbeiter wurden kurz vor dem Weihnachtsfest durch ein Rundschreiben der Geschäftsführung und des Vorstands darüber informiert: Die Auszahlung der Löhne und Gehälter müsse auf Anfang Januar verschoben werden, der Betriebsrat habe zugestimmt. In einer Mitarbeiterversammlung wurden die Beschäftigten über das weitere Verfahren informiert: Der Kreisverband Mülheim hat eine sogenannte vorläufige Eigenverwaltung beantragt, das Amtsgericht Duisburg stimmte dem auch zu. Die Geschäftsführung darf weiterhin die Geschicke des Unternehmens lenken. Dem bisherig alleinigen Geschäftsführer Lothar Fink wird allerdings als Interimsgeschäftsführer ein Sanierungsexperte an die Seite gestellt. Die wirtschaftliche Lage der AWO wird von einer Wirtschaftskanzlei geprüft und die Geschäftsführung durch einen vom Amtsgericht bestellten vorläufigen Sachwalter überwacht. Ziel des Verfahrens ist es, den Verein fortzuführen und nachhaltig zu sanieren. Dabei stehen die klassischen Sonderrechte einer Insolvenz zur Verfügung, um von Verbindlichkeiten zu entlasten: Das sind etwa Sonderkündigungsrechte von langfristigen Verträgen wie Miet-, Liefer-, aber auch von Arbeitsverträgen.

Dilemma

Hintergrund: Die AWO ist stark abhängig von Zuschüssen der öffentlichen Hand und davon, dass die von ihr geleisteten sozialen Dienste auch pünktlich beglichen werden. Zuschüsse und Leistungspreise hätten nicht mit der wirklichen Entwicklung der Sach- und Personalkosten Schritt gehalten. Mülheims Sozialdezernent Ulrich Ernst wies jedoch prompt darauf hin, dass die städtischen Zahlungen jeweils aktuell angepasst wurden. Ein weiterer Grund für die wirtschaftliche Schieflage sind exorbitante Außenstände, die teilweise erst mit einjähriger Verspätung bezahlt werden.
Ein Dilemma: Eigentlich müsse alles aufgeben werden, was wirtschaftlich ein Minus einbringt. Doch diesen Abbau von „unrentablen“ sozialen Einrichtungen möchte man bei der AWO eigentlich nicht verantworten. Geschäftsführer Lothar Fink und dem Verein ist wichtig, dass alle Projekte weiter laufen, sämtliche soziale Einrichtungen uneingeschränkt ihre Leistungen anbieten. Daher habe man sich zur Sanierung in Eigenverwaltung entschieden. Die Sorgen der Mitarbeiter könne man gut verstehen, Löhne und Gehälter seien nun für die nächsten drei Monaten über das Insolvenzgeld der Bundesagentur für Arbeit gesichert.

Reaktionen

Von mehreren Seiten wurde bemängelt, dass in der Vergangenheit keine Kosten sparende Maßnahmen getätigt wurden. Bei anderen Wohlfahrtsverbänden erfolge dies zum Beispiel durch zumindest partielle Zusammenarbeit mit Nachbarverbänden. Auch steht die Frage im Raum, wieso die ausstehenden Zahlungen nicht vehementer angemahnt und eingetrieben wurden.
Mit Unverständnis reagierte Alexander Brandin von der Christlich-Demokratischen-Arbeitnehmerschaft: „Der Hinweis des Geschäftsführers, dass sich kein Beschäftigter um seinen Arbeitsplatz Sorgen machen müsste, wird von ihm selbst durch den Hinweis widerlegt, dass möglicherweise verlustbringende Leistungen aufgegeben werden sollen.“
Sanierungsexperte Volker Schreck blickt jedoch zuversichtlich in die Zukunft: „Nach der Planinsolvenz wird die AWO Mülheim wieder gestärkt sein und so auch weiterhin ihr soziales Dienstleistungsspektrum anbieten können.“ Das nun zu entwickelnde Sanierungskonzept münde später in einen Insolvenzplan, in dem die Entschuldung und nachhaltige Fortführung des Vereins aufgezeigt werde. Dem Plan müssen allerdings die Gläubiger zugestimmen und das Amtsgericht Duisburg ihn danach bestätigen.

Autor:

Daniel Henschke aus Essen-Werden

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