Mit der Couch auf Reisen
Digitale Weinproben entführen Genießer in die Welt von Mosel, Nahe und Unstrut
Genießer hatten und haben es in diesem Jahr oft nicht leicht. Das Coronavirus und die zahlreichen Auflagen zum Schutz vor der Pandemie erschweren das Ausgehen und kulinarische Genüsse bis heute. Doch Gastronomen und Verkäufer von hochwertigen Speisen und Getränken haben sich darauf eingestellt: Wo der Kunde nicht zum Verkäufer kommen kann, bringt dieser seine Genüsse und Expertisen eben ins Haus.
Von Andrea Rosenthal
Auch in Mülheim sind viele Lieferdienste und To-go-Angebote neu aufgebaut worden. Doch nicht
alles geht lokal. Für Weinliebhaber gibt es nichts Schöneres, als die edlen Tropfen beim Winzer vor
Ort zu verkosten, Details zu Anbau und Verarbeitung zu erfahren und Expertentipps zur Kombination mit saisonalen Speisen zubekommen. Auch das ist Corona-bedingt gerade nicht möglich. Aus der Not geboren, haben viele Winzer digitale Weinproben aufgelegt. Wer danach googelt, erhält mehr als 300.000 deutschsprachige Treffer. Als Weinliebhaberin war mir schnell klar: Das wird getestet.
Für meine Premiere habe ich mich für trockene Weine von der Mosel entschieden. Ich stieß auf das Weingut Arthur Melsheimer, das im Klosterhof Siebenborn aus dem 12. Jahrhundert in der Nähe von Cochem angesiedelt ist. 2009 wurde das Weingut von Franz und Esther Melsheimer, die es in der sechsten Generation ihrer Familie betreiben, auf biologischen Anbau umgestellt. Der Weinkeller im
Kreuzgewölbe des Klosterhofs besteht seit über 850 Jahren und ist damit einer der ältesten in der Region, die Anbaumethoden des Bio-Weinguts zählen zu den nachhaltigsten und fortschrittlichsten.
Das macht neugierig. Der Weg zur digitalen Weinprobe ist kurz. Zunächst wird auf der Homepage des Weinguts www.arthur-melsheimer.de das passende Paket ausgewählt. Für uns durften es trockene Moselweine sein. Binnen drei Tagen kam die Lieferung. Sieben Flaschen, bruchsicher verpackt, mit zugehörigem Infomaterial.
Begleitend zur Weinprobe habe ich vor Ort noch frisches Brot und Käse besorgt. Nun nur noch die Weine richtig temperieren und Zeit einplanen. Für die Probe selbst braucht es nicht viel. Einen
Internetzugang mit Computer oder Tablet, zwei Weingläser je Teilnehmer für die Vergleichsprobe mit zwei Weinen, Salzstangen, Käsewürfel und Brot, Wasser für zwischendurch und Stift und Papier für Notizen. Und dann nur noch per Link auf der Homepage die digitale Weinprobe starten.
Franz und Esther Melsheimer haben ihre Erklärungen in kleine YouTube-Videos aufgeteilt. So kann man zwischendurch immer wieder stoppen und in aller Ruhe verkosten. Anders als bei der Weinprobe vor Ort, kann man den Spaß auch einfach auf mehrere Abende strecken.
So erfährt der Weinliebhaber hier vieles über den Klosterhof Siebenborn damals und heute, die Rebsorten und die Grundlagen des biologischen Weinbaus. Ein großer Vorteil gegenüber der Weinprobe beim Winzer ist die Unterlegung jedes Themas mit passendem Filmmaterial. Franz Melsheimer nimmt die Weinfreunde mit ins Gelände, erklärt sein Handwerk an praktischen Beispielen wie die Bindung der Reben im „Moselherz“ und zeigt eine Menge der wunderschönen Landschaft des Weinbaugebiets rund um Maring an der Mosel.
Esther Melsheimer erklärt fachlich solide und auch für Laien gut nachvollziehbar die einzelnen Weine. Gestartet wird mit dem 7born bubble, einem frischen Prosecco, der ein gelungener Einstieg ist. Zwar hatten wir zur Kühlung nicht wie empfohlen eine gefrorene Erdbeere zur Hand, aber das Glas machte Lust auf mehr.
Weiter ging es mit einem Vergleichstest: Weißburgunder und Franziskus trocken. Neben den unvermeidlichen Aussagen zu Nase, Farbe und Rebsorte, wunderbar bereichert von Erzählungen zu den Nöten des Winzers, wenn ein Wein sehr langsam gärt oder vom biologischen Aspekt
des Franziskus-Weines.
Je länger man Franz und Esther Melsheimer zuhört, umso intensiver spürt man ihre Begeisterung für die Önologie und die Liebe zum Wein, die man auch schmeckt.
Der nächste Filmclip erklärt zwei Rieslinge, Arthurus Sonnenuhr und den Klosterhof Gold. Diesmal nehmen uns Franz und Esther mit nach draußen und zeigen die wunderschöne Umgebung des Klosterhofs.
Neben den Weinen geht es hier um Bodenbeschaffenheit und Alter der Rebstöcke und welchen Einfluss beides auf die Qualität der Weine hat.
Ein Blick auf die verbliebenen zwei Weinflaschen lässt Wehmut aufkommen, denn die digitale Weinprobe neigt sich dem Ende. Doch der Kenner weiß, dass nun die Höhepunkte warten. In unserem Fall sind das ein Spätburgunder und der 7born red, zwei trockene Rotweine. Wieder machen wir einen Vergleichstest.
Nicht nur die Weine sind unfassbar gut, auch Franz und Esther laufen zu Höchstform auf. Neben Anekdoten zum Kauf von Holzfässern und der Tradition der Böttcher gibt es Hintergrundwissen über den Unterschied zwischen Barriqueausbau und der Lagerung in Eichenfässern. Es geht um die Farbe, den Geruch und den Geschmack der Weine. Und es geht vor allem um eines: Freude am Genuss!
Unser Fazit: Wer nicht vor Ort genießen kann, dem können pfiffige Unternehmer die Leckereien nach Hause liefern. Das geht ganz ohne Qualitätseinbußen und eröffnet durch die Loslösung von Zeit und Raum vielleicht auch noch neue Zielgruppen.
Information
>> Eine Übersicht über digitale Weinproben sortiert nach Anbaugebieten findet man hier:
www.deutscheweine.de/aktuelles/meldungen/details/news/detail/News/onlineweinproben-etablierensich/
>> Weinproben zuhause sind außerdem buchbar unter weinbegleiter.ruhr oder wohnzimmerweinproben.de.
Autor:Andrea Rosenthal aus Mülheim an der Ruhr |
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