Die Evangelische Beratungsstelle für Erziehungs-, Ehe- und Lebensfragen Mülheim „trotzt“ Corona
„Unsere Arbeit ist vielseitiger geworden“
Die Corona-Pandemie hat das Leben verändert. Sie sorgt auch in unserer Stadt für tiefe Einschnitte im Leben vieler Menschen. Die persönlichen Sorgen, Nöte und Probleme sind nicht gerade weniger geworden. Das weiß auch Volker Rohse, der Leiter der Evangelischen Beratungsstelle für Erziehungs-, Ehe- und Lebensfragen Mülheim an der Ruhr.
„Unsere Arbeit ist vielseitiger geworden“, sagt er im Gespräch mit der Mülheimer Woche, denn „während wir vor Corona fast nur im direkten Kontakt, also face-to-face beraten haben, geht das jetzt, je nachdem wie es für die Ratsuchenden am besten passt, eben auch per Telefon, per Video oder wir bieten einen Beratungsspaziergang an.“ Dadurch sei man flexibler geworden, Das bedeutet, dass ein Termin mal per Telefon stattfinden kann, wenn ein Kind krank zu Hause ist oder sich jemand in Quarantäne befindet und der Termin ansonsten hätte abgesagt werden müssen. „Unsere Klienten waren aber gerade nach dem ersten Lockdown sehr froh, dass sie wieder vorbeikommen können, Viele nutzen dennoch weiterhin auch gern die anderen Settings“, erläutert Rohse.
Das alles bedeutete für ihn und das gesamte Team allerdings einen nicht zu unterschätzenden Mehraufwand. Für die Videoberatung musste zunächst einmal die nötige Hardware angeschafft und sich damit vertraut gemacht werden. Parallel dazu war es erforderlich, die Beratungen im Haus den neuen Anforderungen anzupassen. In der Beratungsstelle am Hagdorn 23 musste ein entsprechendes Hygienekonzept erarbeitet werden, das ein hohes Maß an Sicherheit gewährleistet. Inzwischen habe man aber Routine darin, so dass man weitere Termine vor Ort anbieten könne.
Soziale Isolation
Die Anliegen der Ratsuchenden sind vielfach dieselben geblieben. Rohse: „Wir haben relativ wenige Corona-spezifische Anfragen, was uns eigentlich erstaunt. Dennoch sind die Auswirkungen der Pandemie auf jeden Einzelnen und jede Familie gravierend und eigentlich in jeder Beratung ein Thema. Viele Menschen leiden besonders darunter, dass ihr soziales Leben eingeschränkt ist, sie leiden unter der Isolation.“
Für Familien stellte besonders die Zeit des Lockdowns im Frühjahr eine große Herausforderung dar. Manche Familien schildern, dass sie sich in dieser Zeit nähergekommen sind, dass sie sich in den gemeinsamen Monaten nochmal besser kennengelernt haben und das Miteinander genossen haben. Für andere Familien wiederum war es den Erzählungen zufolge sehr belastend, alles unter einen Hut zu bekommen: Home Office, Home Schooling, keine Betreuung der Kinder und dabei keine Rückzugsmöglichkeiten. Das war für viele Elternpaare, besonders aber auch für Alleinerziehende sehr schwierig.
Die Frage, ob nach dem derzeitigen „Lockdown Light“ bis Ende November schon eine neue „Beratungswelle“ zu spüren sei, beantwortet der Diplom-Psychologe und Familientherapeut mit: „Nein, bisher nicht.“ Vermutlich habe das auch damit zu tun, dass Kindergärten und Schulen weiter geöffnet haben. Man versuche bei Anfragen immer, möglichst innerhalb von zwei Wochen ein erstes Gespräch anzubieten. „Im Moment haben wir viele Anfragen und es dauert etwas länger, eine Welle sehen wir aber noch nicht“, bemerkt er.
Konflikte lösen
Die meisten Anfragen kommen immer noch von Familien und betreffen Erziehungsfragen und Fragen zur Entwicklung von Kindern. Der Beratungsstellenleiter formuliert das so: „Erziehung findet in Beziehung statt, und da beraten und stärken wir Familien mit Blick auf ihre Ressourcen. Viele Paare suchen Beratung, um Probleme anzugehen und Konflikte zu lösen. Auch nach einer Trennung beraten wir beide Elternteile, wie sie trotz der Trennung gute Eltern bleiben und den Umgang mit ihren Kindern gut regeln können.“ Einzelpersonen hingegen kämen häufig mit Sinnfragen oder dem Thema Einsamkeit zur Beratungsstelle. Hier schaue man dann in der Beratung nach hilfreichen Perspektiven.
Volker Rohse arbeitet zudem seit langem engagiert im „Psychosozialen Krisenmanagement“ mit. „Kaum eine Stadt“, so sagt er dankbar, „schenkt dem psychosozialen Krisenmanagement bei Corona eine so große Bedeutung wie Mülheim. Ich finde es toll, dass die Stadt hier die Beratungsstellen mit im Blick hat und zu den Netzwerktreffen einlädt. Hier geht es darum, Sorgen und Nöte der Menschen bezogen auf Corona zu identifizieren und Ideen für bestimmte Zielgruppen wie ältere Menschen oder auch Kinder zu entwickeln. Das ist für alle gewinnbringend, und die Vernetzung macht großen Sinn.“ Rohse ist sich sicher, dass Mülheim auch diese „anspruchsvolle“ Zeit meistern wird.
INFO
Die Evangelische Beratungsstelle für Erziehungs-, Ehe- und Lebensfragen befindet sich am Hagdorn 23 in der Mülheimer Altstadt. Das Sekretariat ist montags bis freitags von 8:30 Uhr bis 14 Uhr unter Tel. 0208 / 32014 erreichbar, Termine können auch außerhalb dieser Zeiten vereinbart werden.
Autor:Reiner Terhorst aus Duisburg |
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