Kurbelradio
Selbsterkurbelter Mozart am Morgen

Viel Freude hatte ich schon mit meinem kleinen grünen Kurbelradio. Da es in Armweite auf dem Nachttisch steht, kann ich bequem um 5 Uhr Flötenquartette von Mozart hören, worauf ich in meinem ganzen Leben bisher noch nicht verfallen war, obwohl es genug Gelegenheit dazu gegeben hätte. Nein, es ist schon eine beglückende Erfahrung, in die noch ungetrübte Stille hinein selbstgekurbelten Mozart zu hören. Und ich bedaure stets, wenn das Nachtkonzert um 6 Uhr zu Ende geht und der Moderator einen schönen Tag wünscht.
Ja, wenn ich ehrlich bin, und das möchte ich schon bleiben, es sei denn das Gegenteil ist offensichtlich: es ist auch eine persönliche Katastrophenschutzübung. Nicht was das Flötenquartett betrifft, auch wenn meine musikalischen Vorlieben jenseits von Flöten liegen, sondern das Kurbelradio. Denn es ist energiemäßig sowohl vom Stromnetz wie auch von normalen Batterien, bei den sich der Buchstabe A so häuft, unabhängig. Es tankt Sonnenenergie über ein Solarpanel oder lädt sich durch simples Kurbeln an der Rückseite auf. Man könnte sich also bei Stromausfall nicht nur Flötenquartette erkurbeln, sondern auch Warnmeldungen, Lageberichte usw. empfangen und dazwischen kurbeln.
Ungewollt erscheint dabei meine Tante Hildegard, wie sie vor dem staunenden kleinen Franz ihr Grammophon ankurbelt und eine dicke Schellackplatte auflegt: „Sing, Nachtigall sind!“
Natürlich probiere ich, während es Mozart flötet, auch die eingebaute superhelle Leselampe aus, die sich auf dem Rücken des klappbaren Solarpanels befindet und ebenfalls den seitlich angebrachten Scheinwerfer. Alles tipptopp!
Die superlaute SOS – Sirene hebe ich mir allerdings für die Nachmittagsstunden auf.

PS. Lieber Elmar, deine dachlatteralen Schilderungen in Ehren, aber sie vermögen nicht im Entferntesten jenes Gefühl jungfräulicher Morgenfrische zu wecken wie es mein chinesisches Kurbelradio 曲柄收音机 mit den Flötenkonzerten von Mozart und Vivaldi um 4:30 tut.
Das chinesische Wort für Radio ist

„Shōuyīnjī“

Das klingt so lieblich, ja so erotisch, dass ich es mir nach den Flötenkonzerten oft noch auf dem Google-Übersetzer mehrmals von einer jungfräulichen Stimme vorsprechen lasse. Seitdem glaube ich, dass die Chinesen eine fast erotische Beziehung zum Radio unterhalten müssen.
Um 5:00 höre ich dann , dass die Demokraten die Senatsmehrheit behaupten konnten, und dann schlafe ich zufrieden wieder ein.
Viele Grüße aus dem Kurbel-Paradies.
Franz!

Autor:

Franz Bertram Firla aus Mülheim an der Ruhr

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