Corona stellt das Online-Team der Stadt Mülheim vor besondere Herausforderungen
„Der Ton macht die Musik“
"Corona war schon ein Schlüsselmoment für uns. Die ganze Welt war aufgeregt. Jeder wollte wissen, was das hier vor Ort heißt und für jeden Einzelnen bedeutet. Wir wurden angeklickt ohne Ende.“ Thomas Nienhaus, Teamleiter Online-Dienste der Stadt Mülheim, hat durchaus „gemischte Gefühle“, wenn er auf die derzeitigen Veränderungen und Herausforderungen „im Netz“ blickt.
Mülheim war bundesweit eine der ersten Kommunen überhaupt, die ihre Online-Präsenz und die Nutzung der Sozialen Medien schon lange vor Corona professionalisiert hatte. Internet, Intranet, E-Mail, Social Media wie Facebook, Instragram oder Twitter gehörten längst zum „Tagesgeschäft“ der Mülheimer Verwaltung. Ein engagiertes Team war stets damit beschäftigt, aktuell die Angebote der Stadt, Hinweise auf Beratungsstellen, Vereine, Branchen, Veranstaltungen, Links zu wichtigen Einrichtungen sowie Informationen über die Stadtpolitik aktuell ins Netz zu setzen.
Die Aktivitäten in den Sozialen Netzwerken gewannen zunehmend an Gewicht und Bedeutung. Kurz vor dem Ausbruch der Pandemie hatte die Stadt auf Facebook über 11.000 Abonnenten. Auf Twitter waren Anfang des Jahres fast 4.000 Follower bei der Stadt unterwegs, auf Instragram auch schon über 1.000. „Corona hat das Ganze so richtig ins Rollen gebracht“, sagt Thomas Nienhaus im Gespräch mit der Mülheimer Woche. Die Klicks im Netz schnellten in die Höhe.
Gehässige Bemerkungen
„Die Menschen in unserer Stadt waren in Sorge. Sie wollten wissen, wie sie sich zu verhalten hätten, wohin sie sich beim Auftreten von Symptomen wenden müssen, welche Ärzte Abstriche machen, wie das im Diagnosezentrum laufe oder was die oft modifizierten Verordnungen letztlich für Konsequenzen hätten“, erläutert Nienhaus. Der Ansturm an Fragen, individuellen Kommentaren, Informationsbedarf aber auch die Vielzahl an Fehlinformationen und gehässigen Bemerkungen waren von dem kleinen Team nicht mehr zu bewältigen.
Die Stadt hat schnell reagiert. Beim ersten Corona-Lockdown im Frühjahr gab es in der Verwaltung und in den städtischen Einrichtungen keinen Publikumsverkehr. Zum einen häuften sich die Anfragen auf den Internetseiten der Stadt, zum anderen hatten städtische Mitarbeiter freie Kapazitäten, das Online-Team zu unterstützen. „Das ging alles schnell, unbürokratisch und ohne Zusatzkosten für die Stadt über die Bühne“, erinnert sich der Teamleiter. Räumlich wurde es im Rathaus zu eng, also zog man um die Feuerwache, wo das Tam weiterhin „zuhause“ ist.
Dort waren zu Spitzenzeiten insgesamt 14 Mitarbeiter im Einsatz, erinnert sich Thomas Nienhaus. An allen sieben Tagen der Woche war das „Netzwerk“ von 7 bis 20 Uhr im Schichtdienst an Deck, hat Informationen, Nachrichten und Tipps online gestellt, Anfragen beantwortet und auf Kommentare reagiert. „Unsere Reaktionszeit lag unter 15 Minuten“, berichtet Nienhaus nicht ohne Stolz auf das gesamte Team. Die städtischen Einrichtungen hätten zudem kreativ mitgemacht. So gab es von den Kitas und Jugendzentren Basteltipps im Netz, Anleitungen zur Kinderbetreuung und ein „gehöriges Stück Aufmunterung und Daseinsvorsorge“, wie er es formuliert.
Miteinander und Füreinander
Der Corona-Krisenstab der Stadt unter Leitung von Stadtdirektor Dr. Frank Steinfort hat die Info-Möglichkeiten mit direkter Ansprache an die Nutzer über das Online-Team fast von der ersten Stunde an erkannt und genutzt. „Wir wurden und werden auch jetzt mit aktuellen Meldungen gefüttert, die wir sofort ins Netz gestellt haben. Das kam bei den Leuten sehr gut an. Die haben gemerkt, dass die Stadt sie nicht alleine lässt“, so Nienhaus. Da machte sich ein Gefühl von Miteinander und Füreinander breit.
Im Sommer gab es dann eine spürbare Lockerung der Situation. Publikumsverkehr in der Verwaltung war wieder möglich, Ein leichter Hauch von Routine und Entspannung machte sich breit. Dann allerdings stand die Kommunalwahl an. Auch hier zeigten die Online-Experten der Stadt vollen Einsatz. Von der der Rekrutierung von Helfern in den Wahllokalen bis hin zur Bekanntgabe der Wahlergebnis war man voll eingebunden.
Und nun gibt es seit Anfang November den „Lockdown light“, der jetzt noch verschärft wurde. Ähnliche Probleme, Sorgen und Anfragen wie im Frühjahr sind die Regel. Aber in den Sozialen Netzwerken ist die Stimmung gereizter. Fehlinformationen, Frust und verbale Entgleisungen sind an der Tagesordnung. Hinzu käme, so gesteht Nienhaus offen, „dass es nicht selten an der schnellen Kommunikation vom Land zur Kommune mangelt.“
Verunsicherte Menschen
Da gebe es Verlautbarungen und Pressekonferenzen von Bund und Land, aber die konkreten Umsetzungsverordnungen und Konsequenzen daraus flatterten viel später ins Haus. Nienhaus: „Das verunsichert die Menschen, aber auch uns.“ Er hat ein konkretes Beispiel parat: „Ein Reitlehrer postete, dass bei seinem Unterricht an frischer Luft jeweils nur zwei Personen aus zwei Haushalten beteiligt seien. Wieso das denn verboten sei? Wir hatten die für ihn allerdings nicht gerade befriedigende Antwort parat. Das Land stellt das unter Bildungsangebote ein. Und die sind halt untersagt.“
Im Netz kommt es zu entsprechenden Reaktionen oder, besser gesagt, „Anti-Reaktionen“ von Unverständnis, Unmut, Hetze und Hass. Dem wolle und müsse man entgegenwirken. Thomas Nienhaus wird deutlich: „Die User und Anrufer sollten sich mal vor Augen halten, dass am anderen Ende der Leitung auch Menschen sitzen. Der Ton macht die Musik.“ Er hat eine klare Vorstellung von „Knigge im Internet“. Er propagiert trotz dieser anspruchsvollen, emotionalen Zeit eine Art „Netiquette“, denn, so sagt er, „uns ist ein fairer und verantwortungsvoller Umgang miteinander sehr wichtig. Beleidigende, diffamierende, anstößige und rassistische Kommentare haben hier nichts verloren und werden sofort gelöscht.“
Das Online-Team der Stadt geht davon aus, das es gerade jetzt verstärkte Anfragen geben wird, etwa zur Besuchsregelung an Weihnachten und Silvester, zu individuell erhofften Ausnahmen von den Regeln, zu den verlängerten Weihnachtsferien oder zur Maskenplicht. Abschließend sagt der Teamleiter Online-Dienste in unserem Gespräch: „Wir haben das alles auf dem Schirm.“
Autor:Reiner Terhorst aus Duisburg |
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