Der Nächste, bitte! Aus der Praxis des EKM. Heute: Multimodale Schmerztherapie bei chronischen Schmerzen
Lars P. ist unausgeglichen. Schon seit Monaten hat er schlechte Laune und fährt bei jeder Kleinigkeit aus der Haut. Seine Familie und seine Freunde sind irritiert und wissen nicht, was los ist. Dabei ist es ganz einfach: Lars P. hat Schmerzen, schon seit Monaten. Und kein Arzt konnte ihm bislang helfen.
Angefangen haben seine Schmerzen im Schulterbereich. „Eine Verspannung“, dachte Lars P. anfangs noch. „Das wird schon wieder.“ Sein Job ist nicht einfach, er muss körperlich arbeiten. Doch die Schmerzen in der Schulter wurden nicht weniger, sondern wanderten weiter. Erst in Richtung Nacken, dann schmerzte sein ganzer Körper.
Lars P. ist von Arzt zu Arzt gegangen, aber weder sein Hausarzt, noch ein Orthopäde, Radiologe oder Neurologe konnten ihm langfristig helfen. „Viele Patienten haben eine regelrechte Odyssee hinter sich und ihre Krankenakte ist dick“, weiß Prof. Dr. Eva Kottenberg, Chefärztin der Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin und Schmerztherapie am Evangelischen Krankenhaus Mülheim. „Sie sind auf der Suche nach einem Wundermittel – aber das gibt es leider nicht.“
Chronische Schmerzen sind eine eigenständige Krankheit und nicht einfach zu therapieren. „Ziel ist es, mit dem Schmerz lebenswert zu leben, auch wenn er vielleicht nie ganz verschwindet“, sagt Prof. Dr. Kottenberg. Chronische Schmerzen haben ihren Anfang oft in Tumorerkrankungen oder rheumatischen Leiden. Doch sie verselbstständigen sich und bestehen ohne Auslöser weiter. Das Schmerzgedächtnis prägt sich durch diese starken oder lang andauernden Schmerzreize.
Zehn Tage mit vollem Stundenplan
Lars P. hat von seinem Hausarzt schließlich eine Einweisung für eine Multimodale Schmerztherapie erhalten. Er ist skeptisch, weiß aber auch nicht, was er sonst tun sollte. „Die Multimodale Schmerztherapie versteht den Schmerz als mehrdimensionales Problem, darum arbeiten auch verschiedene Disziplinen miteinander.“ Um Lars P. kümmern sich während seiner zehntägigen Therapie im Krankenhaus Ärzte, Physiotherapeuten, Ergo- und Musiktherapeuten, Ernährungsberater und Psychotherapeuten. Sein Tag ist gefüllt mit Gruppen- und Einzelsitzungen und mit Spaziergängen. „Wir betrachten dabei immer den gesamten Menschen mit all seinen körperlichen, psychischen und sozialen Aspekten.“
Lars P. braucht einige Tage, um sich einzugewöhnen – und um zu akzeptieren, dass es keine einfache Lösung für sein Problem gibt. „Es ist wichtig, dass die Patienten erkennen, dass es in ihrer Hand liegt, wie sie mit dem Schmerz umgehen“, sagt Prof. Dr. Kottenberg. „Auf diesem Weg unterstützen wir sie und geben ihnen einen Werkzeugkasten an die Hand.“ Dazu gehört natürlich auch eine medikamentöse Therapie, die individuell auf Lars P. abgestimmt ist.
Nach zehn Tagen wird Lars P. entlassen. Prof. Dr. Kottenberg betont, es brauche eine gewisse Zeit, bis die Patienten den richtigen Umgang mit ihren Schmerzen finden. Doch Lars P. geht mit einem guten Gefühl nach Hause: Er weiß, dass er mit seinem Problem ernst genommen wird und kennt nun Wege, wie er verhindert, dass der Schmerz seinen Alltag dominiert.
Autor:Regina Tempel aus Mülheim an der Ruhr |
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