Altenpflegerin berichtet von anspruchsvoller Arbeit Haus Ruhrgarten
Altenpflege ist viel mehr als Popo abwischen

Altenpflegerin Kornelia Rawe und Bewohnerin Charlotte Gürtler im Haus Ruhrgarten. | Foto: Thomas Emons
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Kornelia Rawe arbeitet seit 14 Jahren als examinierte Altenpflegerin im Pflegeheim Haus Ruhrgarten. „Viele sehen uns als Popo-Abwischer und Urin-Kellner. Aber Altenpflege ist viel mehr. +

Es ist ein anspruchsvoller Beruf, in dem man große Verantwortung für Menschen trägt und sowohl soziale und psychologische als auch medizinische Kenntnisse braucht“, sagt die 57-jährige Mutter eines erwachsenen Sohnes.

Seelsorge & Altenpflege 

Ursprünglich wollte Rawe nach ihrem Theologie- und Germanistikstudium als Pastoralreferentin in der Katholischen Kirche arbeiten. Doch als es so weit war, wollte ihre Kirche sie aufgrund einer gescheiterten Ehe nicht einstellen.
Mit 39 Jahren suchte Rawe, die trotz aller Enttäuschungen immer noch der katholischen Kirche angehört, nach einer beruflichen Alternative. Sie fand sie im Haus Ruhrgarten, das von der Evangelischen Altenhilfe Mülheim getragen wird.
Rawe hat einen ambivalenten Blick auf ihren Beruf. „Es ist eine schöne und bereichernde Arbeit, in der einem viel Dankbarkeit, Liebe und Vertrauen geschenkt wird“, sagt sie. Aber sie verschweigt auch nicht die Schattenseiten ihres Berufsalltages: „Wir bräuchten mehr Menschen in der Altenpflege, um die Arbeit auf mehr Schultern verteilen zu können“, betont Rawe. „Von der Politik erwarte ich keine Wunder. Denn sie kann den akuten Personalmangel in der Altenpflege auch nicht von heute auf morgen beheben“, sagt sie. Folgt man den Zahlen des Bundgesundheitsministeriums und der Bertelsmann-Stiftung so stehen den 3,3 Millionen pflegebedürftigen Menschen in Deutschland derzeit 1,1 Millionen Altenpflegefachkräfte gegenüber. Und die Zahl der pflegebedürftigen Menschen in unserem Land wird sich bis 2030 noch einmal verdoppeln. Schon jetzt käme es zum Pflege-Kollaps, wenn nicht etwa 2/3 der pflegebedürftigen Menschen daheim von Angehörigen mit Unterstützung ambulanter Pflegedienste versorgt würden.

Wir kümmern uns 24 Stunden

„Aber wir kümmern uns hier im Haus Ruhrgarten um Menschen, die eine 24-stündige Versorgung brauchen, die auch der stärkste und beste Angehörige nicht leisten könnte“, macht die Altenpflegefachkraft deutlich, warum die stationäre Pflege in einer sich demografisch wandelnden Gesellschaft unverzichtbar ist. Die fundamentalen Herausforderungen und Veränderungen, die der demografische Wandel mit sich bringt, werden deutlich, wenn man weiß, dass heute 47 Prozent der derzeit 171.000 Mülheimer 50 Jahre und älter sind und sich damit im rentennahen oder im Rentenalter befinden.

„Wir werden als ganz viele Alte auf ganz wenige Junge treffen“, beschreibt die zu den Babyboomern gehörende Kornelia Rawe das Grundproblem. Wie und von wem sie im Falle einer Pflegebedürftigkeit versorgt werden könnte, das wagt sich Rawe nicht auszumalen. Nur eines weiß sie: „Wir müssen mehr Menschen für die Altenpflege begeistern, die teamfähig und bereit sind sich anderen Menschen zuzuwenden, ihnen zu dienen und Verantwortung für sie zu übernehmen. Und wir müssen vor allem zeigen, dass Altenpflege ein toller Beruf sein kann.“

Ein wertvoller Beruf

Auch wenn Rawe keinen Zweifel daran lässt, dass sie nicht an allen Arbeitstagen mit dem Gefühl nach Hause geht, „dass das für die Bewohner und für mich ein guter Tag war“, unterstreicht sie doch auch:

„Wer in der Altenpflege arbeitet, lernt zu leben. Man lernt hier Dankbarkeit, Verantwortungsgefühl und den Umgang mit den letzten Dingen des Lebens.“
Kornelia Rawe

Neben ihrem christlichen Glauben, „der mir hilft, sterbende Menschen loszulassen“, findet Rawe in ihrem verständnisvollen und hilfsbereiten Ehemann. Auch ihr gesunder Lebenswandel mit Radfahren, Gymnastik, ausreichendem Schlaf, ausgewogener Ernährung und dem Verzicht auf Alkohol und Zigaretten, gibt ihr Kraft für ihre anstrengende Arbeit. Sie und ihre überwiegend weiblichen Kollegen sind  vor allem deshalb zunehmend belastet, weil der gesundheitliche Zustand der zunehmend hochbetagten, dementiell veränderten und  oft durch mehrere altersbedingte Krankheiten geplagten  Pflegeheimbewohner zunimmt.

Dennoch rät sie allen Menschen, die sich von ihrem Persönlichkeitsprofil her vorstellen könnten, in der Altenpflege zu arbeiten, so wie sie es einst tat, mit einem Praktikum die Probe aufs Exempel zu machen. Auch wenn das monatliche Durchschnittseinkommen einer examinierten Altenpflegefachkraft nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums und der Bundesagentur für Arbeit mit 2621 Euro um 504 Euro unter dem statistischen Durchschnittseinkommen in Deutschland liegt, sagt Rawe:

„Was man an menschlicher Wertschätzung, Dankbarkeit und Vertrauen in diesem vielseitigen Beruf erfährt, kann einem kein Tarifvertrag und keine Millionen ersetzen.“

Altenpflegerin Kornelia Rawe und Bewohnerin Charlotte Gürtler im Haus Ruhrgarten. | Foto: Thomas Emons
Altenpflegerin Kornelia Rawe und Bewohnerin Charlotte Gürtler im Haus Ruhrgarten. | Foto: Thomas Emons
Autor:

Thomas Emons aus Mülheim an der Ruhr

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