Frozen Shoulder: Diagnose und Therapie
"Als ob das Hemd in der Achsel zu klein wird"
Das Schultergelenk ist das beweglichste Gelenk im menschlichen Körper. Krankheiten, die seine Beweglichkeit begrenzen, können nicht nur sehr schmerzhaft sein, sondern den Alltag erheblich einschränken. Mit PD Dr. Martin Hufeland, Orthopäde und Schulterspezialist im MVZ VIVON und dem Evangelischen Krankenhaus Mülheim sprachen wir über eine besondere Ausprägung der Schultererkrankung, die Frozen Shoulder.
Von Andrea Rosenthal
Dr. Hufeland, welche Krankheiten können zu Bewegungseinschränkungen im Schultergelenk führen und wie erkennt man sie?
Dr. Martin Hufeland: Es gibt eine Vielzahl von Erkrankungen des Schultergelenks, bei denen die aktive Bewegung der Schulter eingeschränkt und schmerzhaft ist. Hierzu zählen Engpasssyndrome (Impingement) oder auch Einrisse der wichtigen Sehnen, die für die Bewegung der Schulter zuständig sind (Rotatorenmanschettenruptur). Bei diesen Erkrankungen ist das seitliche Anheben der Schulter sowie Belastung über Schulterhöhe häufig schmerzhaft. Falls eine Sehne gerissen ist, kann auch die Kraft fehlen, den Arm zum Beispiel für die Haarpflege über den Kopf zu heben.
Es gibt jedoch nur wenige Erkrankungen, für die eine Einschränkungen der passiven Beweglichkeit charakteristisch ist. Damit ist die Bewegung der Schulter durch den Arzt oder Physiotherapeuten ohne die aktive Muskelkraft des Patienten gemeint. Hierzu zählen ein fortgeschrittener Gelenkverschleiß (Arthrose), der an der Schulter jedoch seltener vorkommt als am Hüft- oder Kniegelenk oder eben eine Schultersteife (Frozen Shoulder). Am Anfang der Diagnosestellung steht eine Erhebung der Krankheitsgeschichte und natürlich die spezifische klinische Untersuchung des Schultergelenks immer im Seitenvergleich. Anschließend kann die jeweilige Diagnose mit Ultraschall-, Röntgen- und ggf. MRT-Untersuchung eingegrenzt werden.
Wie können sich unsere Leser eine Frozen Shoulder vorstellen?
Bei der Schultersteife unterscheidet man primäre und sekundäre Formen. Die primäre Schultersteife wird auch als Frozen Shoulder bezeichnet. Hier ist die genaue Ursache bisher nicht bekannt. Bei einer ausgeprägten Frozen Shoulder kann sowohl der Patient als auch der Untersucher den Arm kaum noch im Schultergelenk bewegen. Ausweichbewegungen erfolgen dann über das weiterhin gut bewegliche Schulterblatt da bei der Frozen Shoulder nur das Hauptgelenk der Schulter zwischen Oberarmkopf und der Gelenkpfanne des Schulterblattknochens betroffen ist. Dieses ist von einer elastischen Gelenkkapsel umgeben. Aus bisher nicht abschließend geklärter Ursache kommt es bei der Frozen Shoulder zu einer Entzündungsreaktion und Bindegewebsvermehrung mit Verdickung der Gelenkkapsel. Es fühlt sich an, als ob einem das Hemd in der Achsel zu klein wird und die Bewegung der Schulter schmerzhaft blockiert ist. Ein sogenanntes „Kapselmuster“ bildet sich aus. Besonders das Anheben der Schulter und die Rotation nach außen sind hier betroffen. Röntgen und MRT sind meist weitestgehend unauffällig. Das Wichtigste ist die genaue klinische Untersuchung. Sekundäre Formen der Schultersteife können nach Operationen, Verletzungen oder langer Ruhigstellung der Schulter entstehen.
Gibt es Menschen, bei denen die Frozen Shoulder besonders oft auftritt?
Frauen sind weitaus häufiger betroffen als Männer. Ebenfalls charakteristisch ist ein Auftreten um die Menopause. Bei Schilddrüsenerkrankungen und Diabetes ist die Inzidenz ebenfalls deutlich erhöht.
Gibt es einen klassischen Verlauf einer Frozen Shoulder Erkrankung?
In der ersten Phase, welche sich über Wochen bis Monate hinziehen kann, steht der Schmerz bei aktiver Bewegung im Vordergrund. Eine passive Bewegungseinschränkung liegt noch nicht vor. In dieser Phase lässt sich die Frozen Shoulder noch nicht exakt von einem Impingementsyndrom abgrenzen. Ruheschmerzen, eine gestörte Nachtruhe und „Schmerzen wie Nadelstiche“ in der Schulter können aber Hinweise auf die Entwicklung einer Frozen Shoulder sein. Im Verlauf kommt es dann zu einer Einsteifung der Schulter und die Schmerzen können etwas abnehmen. Dieser Zustand ist namensgebend für die Frozen Shoulder und es kann Monate bis Jahre andauern bis die Beschaffenheit der Gelenkkapsel sich normalisiert und die Schulter wieder „auftaut“.
Was sollte man bei einer Frozen Shoulder nicht tun? Und welche Therapiemöglichkeiten gibt es?
Im eingefrorenen Zustand ist ein überaus schmerzhaftes Aufdehnen der Gelenkkapsel eher kontraproduktiv. Hierdurch wird diese häufig nur noch weiter gereizt. Im Prinzip handelt es sich bei der Frozen Shoulder um eine selbstlimitierende Erkrankung aber da sich die schmerzhaften Bewegungseinschränkungen viele Monate bis Jahre hinziehen können ist eine Therapie empfehlenswert. Insofern es etwaige Begleiterkrankungen wie ein Diabetes zulassen ist die Einnahme von Kortison über einen Monat in absteigender Dosierung evidenzbasiert und wirksam. Gelenkinjektionen mit Kortison sind ebenfalls möglich. Ist die konservative Therapie nicht erfolgreich oder möglich so kann durch eine minimalinvasive arthroskopische Operation die verdickte Gelenkkapsel zuverlässig gelöst werden. Sowohl nach dem Kortisonschema als auch nach einer Operation ist dann vor allem die Mitarbeit des Patienten mit intensiver Physiotherapie und mehrfach täglichen Eigenübungen für den langfristigen Behandlungserfolg entscheidend.
Kann man häufiger an einer Frozen Shoulder erkranken? Wie bleibt man nach einer Heilung von der Frozen Shoulder fit?
Eine erneute Frozen Shoulder der selben Schulter ist überaus selten, aber es kommt in bis zu 20 Prozent der Fälle zu einer, meist zeitversetzten, Erkrankung der Gegenseite. Es ist empfehlenswert, ein gutes Übungsprogramm für die Schulter welches man im Rahmen der Physiotherapie erlernt hat auch nach durchgestandener Erkrankung beizubehalten. Das Schultergelenk ist profiziert, wie alle Gelenke und insbesondere der Rücken auch im Alter noch von Krafttraining und Dehnübungen, um Erkrankungen und Schmerz vorzubeugen.
Autor:Andrea Rosenthal aus Mülheim an der Ruhr |
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