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Alles Mülleimer, oder was? – Die Digitalisierung erreicht den heimischen Kehricht

Großer Post-it für den Mülheimer Mülleimer mit praktischem Aufhängehaken und terminlichem Mehrwert
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  • hochgeladen von Anke Müller

In Deutschland ist alles intensiv beregelt und selbstverständlich bleiben auch im Mülleimer keine Fragen offen. Wir sortieren in kunterbunte Eimer – Farblegende nebst Erklärung schenken wir uns, wir Bürger können das!

Die Familie meiner Kollegin geht sogar besonders sorgfältig vor: Die putzen ihren Müll, bevor sie ihn wegschmeißen! Da wird der Joghurtbecher ausgewaschen und der Aludeckel vom Plastik gezupft: Soll ja beim Recycling keine Verunreinigungen geben!

Im Moment überlegt die Kollegin allerdings, ob es nicht ratsam sei, künftig gleich ganz auf Joghurt verzichten. Die Familie sammelt noch die Argumente.

Nun haben wir uns ein wenig auf den Stoff eingestimmt, kommen wir zu dessen Abfuhr. Auf die Zeiten ist Verlass, da muss schon höhere Gewalt passieren, damit was außer der Reihe läuft.

Oder was Entzückendes – Feiertage! (HURRA!) - da verschiebt sich’s auch schon mal. Dann allerdings geplant und anscheinend mit System, der kundige Müllmacher kann das irgendwo einsehen.

Also 'anscheinend', 'der Kundige' und 'irgendwo'!
Merken Sie schon: ich nicht. Kann die Pfingstsamstage gar nicht zählen, an denen ich früh aus dem Tiefschlaf gerissen aufrecht im Bett saß, weil die Müllabfuhr draußen die Tonnen durch die Gegend schmiss. Unsere nicht dabei: so eine Scheiße.

Indes wunderte ich mich immer mehr, wieso mein Nachbar das mit den Tonnen drauf hatte und seine immer passgenau auf Termin am Bordsteig platziert. „Musst du App runterladen, da steht alles drin!“, meinte er. „Oder du fragst mich!“
Ich entschied mich fürs Fragen, das ist auch geselliger.

In der Theorie klingt der Plan gut, praktisch scheiterte er daran, dass wenn mir gar nicht in den Sinn kommt, dass ich eine Frage stellen müsste, ich die auch nicht anbringe. Ging also alles im gewohnten Trott weiter: Feiertag, Müllabfuhr – Mischpoke und Eimer pennen selig.

Jetzt werde ich aber auch älter und lerne dazu. Innerlich war ich fast bereit, mir die schlaue MüllApp aufs Handy zu ziehen - mir war nur nicht klar, wo ich die herkriege. Den Städtischen schien das Problem auch zu dämmern, denn eines Tages hing dieses durchdachte Erinnerungsschildchen an meiner geleerten Tonne, mit QR-Code für den direkten Zugriff:

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Ich also flugs die App installiert. An den nächsten drei Wochenenden klingelten die mich jeden Sonntag früh um 7:00 wach, um mich zu erinnern, dass ich ja nicht vergessen sollte, Montag den Eimer zur Straße zu rollern!

Ey …

Das habe ich mir deswegen drei Ruhetage lang gefallen lassen, weil ich nicht herausfand, wo man das abstellen konnte. Jeden Sonntag - während draußen der Hahn plärrte - fummelte ich an einem anderen Knopp. Einschließlich „Stumm-Schalten“ - brachte alles nichts: Sonntag drauf, Schlag Sieben: neuer Terror.

Nach besagten drei Arbeiterfeiertagen war ich drauf und dran, die App wieder zu löschen. Natürlich unter reger Kommunikation mit der Familie, in deren Verlauf auch ein paar Beleidigungen ausgetauscht wurden - woraufhin sich mein Kleinstes der Signaltöne annahm.

Jetzt spricht die App jedenfalls nicht mehr. Optische Erinnerungen gab es schon vorher keine, jedoch kann ich jetzt gezielt nachlesen, wenn ich mir unsicher bin. Theoretisch war ich mit der halben App also nur einen winzigen Schritt weiter, in der Praxis hatte ich mich aber so intensiv mit dem feiertäglichen Sonderleerturnus befasst, dass ich es jetzt drauf habe: Ich gucke einfach immer rein, wenn ein Feiertag ansteht!

Wäre ja nun eigentlich alles gesagt und man könnte meinen heutigen Beitrag als Werbung für die App der Städtischen betrachten.

Doch Montag trug sich Folgendes zu:
Die Müllabfuhr traf pünktlich um 8:00 Uhr zum Eimer-Halma ein. Es goss in Strömen und laut meiner WetterApp sollte das auch den ganzen Tag lang so bleiben. Ich also in der Kaffeepause kurz raus, gelbe Tonne von neben der Haustür unter den Arm geklemmt und damit zur Straße gesaust, um die Gelbe statt der Grünen dort zu lassen.

Die Braune würde zwar auch am nächsten Tag dran sein, aber das konnte ich später nachholen. Hauptsache schon mal einen nassen Weg erledigt!

Schnell wieder rein und genüsslich eine Runde den Hintern auf dem Schreibtischstuhl plattgesessen. Keine zehn Minuten später dürstete mich erneut nach einem Kaffee und ich begab mich zur Tränke. Während der eintröpfelt, gucke ich immer aus dem Fenster: Schauen ins Grüne entspannt die Augen. Auch die Nachbarn gegenüber hatten die Eimer schon gewechselt. Die grüne Tonne war von der Straße verschwunden, stattdessen standen die Gelbe und die Braune einträchtig nebeneinander im Regen. Ich beugte mich ein wenig vor, um weitere Häuser ins Blickfeld zu bekommen. Bei den schrägen Nachbarn rechts und links lümmelten auch komplett durchcolorierte Eimerreihen am Bordstein.

Da hatte ich gleich früh richtig schön für Stimmung gesorgt und den Nachbarn die Schrittzähler hochgescheucht.

Wohl weil das so nett von mir war, hörte es kurz darauf auf zu pissen.

Das freute mich, ich hatte einen Termin in der Stadt, jetzt konnte ich das Fahrrad nehmen. Packte also fix meine Plörren zusammen und schwang mich in den Sattel. Ich war schon den halbe Berg hinunter geritten, da fiel mir plötzlich auf, dass vor fast jedem Haus der gelbe und der braune Eimer standen. Hatte ich etwa die ganze Straße verrückt gemacht? Diese Woche beglückte uns doch gar keinen Feiertag mehr. Oder doch? Seit wir Pandemie haben, weiß ich nicht mal, in welchem Jahr wir leben. Sollte ich umkehren und sicherheitshalbe auch meine Grünzeug-Tonne platzieren?

Mittlerweile war ich unten angekommen. Runter gehts halt schnell. Kurz vor der Kreuzung stoppte ich: die MüllApp befragen. Handy raus – kein Netz. So viele Leute konnten sich nicht irren! Also strampelte ich den Berg wieder rauf. Das dauerte eine Weile, die Sonne kam raus, ich schwitzte schön.

Vorm Haus im Wlan dann doch noch die App gecheckt: Abfuhr selbstverständlich erst morgen!

Hatte ich den ganzen verdammten Berg für die Katze bezwungen!

War ich vermutlich die Einzige, die meine Pisswetter-Aktion vom Morgen wirklich gestresst hatte.

Wo wir das Lehrbeispiel mit der Schadenfreude nun auch behandelt haben: Was will sie denn jetzt noch?

Leute, das ist halt immer noch nicht alles!

Heute kündet der Kalender jedenfalls von Dienstag: dem reguläre Abholtag der zwei strittigen Mülleimer. Ist auch schon ein paar Stunden her, dass die Müllabfuhr draußen randalierte.

Gerade wollte ich meine beiden Tonnen reinholen, was mussten meine Augen schauen?
Nur eine Tonne leer!
Die braune Tonne noch randvoll!!

Da hatte ich mich so intensiv mit dem Müllthema auseinandergesetzt wie mit Sicherheit kein Zweiter hier auf meiner beschaulichen Straße - und dann lassen die Hornochsen ausgerechnet meinen Eimer stehen?

Es dankt einem einfach keiner. Am besten, ich lasse es wieder laufen wie früher.
Da rege ich mich auch weniger auf!

Autor:

Anke Müller aus Mülheim an der Ruhr

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