Wieviel Marktwirtschaft verträgt die Pflege?

Noch nie haben so viele Investoren Pflegeheime gekauft wie heute. Gerade für ausländische Geldgeber sind sie verlässliche Investments. Leidet die Pflege darunter?

Sollen private Pflege-Anbieter Gewinne machen und wenn ja, wie hoch dürfen diese ausfallen? Diese Fragen werden zurzeit kontrovers diskutiert. Pflege sei Daseinsvorsorge und keine Rendite Garantie, so lässt sich die Kritik an den Gewinnen zugespitzt zusammenfassen. Schließlich müssten die Gewinne der Anbieter durch die soziale Pflegeversicherung und die Eigenbeiträge der Pflegebedürftigen finanziert werden.

Bis zum Jahr 2008 war Alloheim eine kleine Pflegeheimkette, gegründet in Bad Marienberg, einem Kurort im Westerwald. 13 Altenheime gehörten zu dem Unternehmen. Dann entdeckt der britische Privat-Equity-Investor Star Capital die Firma, er sieht im deutschen Pflegemarkt eine attraktive Investmentmöglichkeit. Jetzt geht es nicht mehr nur um Altenpflege, es geht ums Wachstum. Star Capital kauft weitere Heime, standardisiert die Abläufe.

Nach fünf Jahren verkaufen die Londoner die Alloheim Kette mit mittlerweile 49 Häusern für 180 Millionen Euro an die New Yorker Beteiligungsgesellschaft Carlyle. Auch die möchte Expansion und baut Alloheim zu einem Pflegekonzern mit mehr als 160 Häusern aus. Ende 2017 streichen die New Yorker durch den Verkauf von Alloheim  an den schwedischen Investor Nordic Capital 1,1 Milliarden Euro ein. Und Nordic? Kaufte den Kölner Pflegeheimbetreiber CMS mit 23 Einrichtungen. Inzwischen ist Alloheim nicht mehr eine kleine GmbH, sondern eine europäische Aktiengesellschaft (SE) mit Sitz in Berlin und Management in Düsseldorf. Mit künftig mehr als 195 Einrichtungen der zweitgrößte Alten und Pflegeheimbetreiber in Deutschland.

Der Fall Alloheim zeigt: Finanzinvestoren haben Alten- und Pflegeheime als Investment entdeckt. Noch nie mischten in Deutschland so viele Finanzinvestoren in der Branche mit wie in diesem Jahr. Laut einer Branchenuntersuchung der Unternehmensberatung E&Y sind acht der zehn größten Träger mittlerweile in privater Hand. Es ist eine Entwicklung, die nicht nur von Altenpflegerinnen, Mitarbeitern in den Heimen und Bürgern kritisch gesehen wird. Renditeerwartungen in der Pflege von 4,7 bis 8,0 Prozent bringen uns keine gute pflegerische Versorgung, Nach dem Handelsblatt erreichen die vorgenannten Investoren derzeit eine Rendite von 15 % -24 %. Dank der Politik - Privat vor Staat - ist die Pflege tatsächlich bedroht.

Warum sind Pflegeheime so interessant für die Finanzbranche?

Zum einen ist das Risiko überschaubar: Kann ein Bewohner die Unterbringungskosten nicht mehr zahlen, springt die Sozialhilfe ein, am Ende also der Steuerzahler. Zum anderen sind die Perspektiven attraktiv: In der Pflege werden rund 50 Milliarden Euro pro Jahr umgesetzt, bis 2030 könnten es auch wegen des demografischen Wandels auch 85 bis 90 Milliarden Euro sein, prognostiziert die Unternehmensberatung ( (Rolan Berger).

Hinzu kommt, dass es noch genügend Möglichkeiten zum Wachsen gibt, weil der Markt stark fragmentiert ist. Besonders die vielen mittelständischen Pflegeheimgruppen sind beliebte Übernahmekandidaten. Selbst die größten Betreiber machen nur jeweils wenige Prozente des Gesamtmarktes aus. Derzeit seien vor allem Private Equity Unternehmen sowie börsennotierte Pflegekonzerne wie Korian aus Frankreich auf Wachstumskurs.

Der französische Pflegekonzern Korian ist mit 235 Alten und Pflegeheime, 52 Einrichtungen für Betreutes Wohnen und 28 Ambulanten Diensten der Marktführer in Deutschland. In den Einrichtungen werden derzeit rund 28.000 Pflegebedürftige betreut.

Hinter dem Unternehmen stecken unter anderem französische Versicherungen und ein kanadischer Rentenfonds. Durch diverse Übernahmen unter anderem erwarb Korian 2016 den Pflegeheimbetreiber Casa Reha von der Beteiligungsgesellschaft HG Capital sowie die Pflegeunternehmen Phönix und Curanum hat der gesamte Konzern seinen Umsatz binnen zehn Jahren auf rund 3,1 Milliarden Euro versechsfacht. 2021 sollen es 3,8 Milliarden sein. Nach eigenen Angaben erwirtschaftete Korian im Jahr 2017 knapp 900 Millionen Euro in Deutschland.

Selten bliebe es bei einer Übernahme, meist würden ganze Gruppen hinzugekauft. Denn wer im Besitz von sehr vielen Heimen ist, hat einen Wettbewerbsvorteil. Man kann die Kostenstrukturen optimieren und das operative Geschäft effizienter gestalten. Und  weil der Pflegemarkt so kleinteilig ist, kann das Geschäft von Kaufen, Profitabelmachen und Weiterverkaufen ( buy and build), wie es in der Branche heißt lange funktionieren.

Perspektiven der Branche sind positiv: Wie macht ein Heimbetreiber Gewinn?

Die Betreiber können keine extrem hohen Preise verlangen, denn die Nachfrage nach Luxusheimen, in denen der monatliche Apartmentpreis auch mehrere Tausend Euro betragen kann, ist begrenzt. Zugleich herrscht heute ein harter  Wettbewerb.
- Es gibt keine Mindestpflegepersonalschlüssel wie ab dem 1.1.19 in Krankenhäusern.
- Die Einrichtungspreise scheinen Marktpreise zu sein. Doch Preis und Leistung werden von den Betreibern und Pflegekassen zu Lasten der Pflegebedürftigen geschlossen, ohne dass Bewohner einen Einblick in die Verhandlungsergebnisse erhalten. Eine begründete Leistungskürzung ist formal fast unmöglich, vom seelischen Druck zu schweigen.

So lässt sich ein Gewinn um jeden Preis realisieren.

Übrigens Alloheim SE hat sich den Standort Zentral am Rathaus in Mülheim an der Ruhr gesichert. 

Es fehlt am Verbraucherschutz, Verbandsklagerecht.

Autor:

Siegfried Räbiger aus Oberhausen

Webseite von Siegfried Räbiger
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