Im Hauptausschuss stellte sich Stadtdirektor Frank Steinfort unbequemen Fragen
„Wie konnte das passieren?“
Im Hauptausschuss gerieten Stadtdirektor Frank Steinfort und Sozialdezernent Marc Buchholz bei einem brisanten Thema in den Fokus.
Die BAMH-Fraktion hatte gefragt: „Was läuft schief bei der (Sozial-) Verwaltung in Mülheim?“ Die bisher bekannt gewordenen Vorgänge bei PIA und die Sozialagentur ließen befürchten, dass es sich lediglich um die Spitze eines Eisberges handele. Städtische Gelder seien offenbar ohne einen Nachweis darüber geflossen, dass die abgerechneten Leistungen auch wirklich erbracht worden seien. Vor allem im Sozialbereich müsse man da wohl zumindest von grober Fahrlässigkeit ausgehen. Zukünftige Einsparungspotenziale oder auch Rückforderungsansprüche in nicht unerheblichem Umfang stünden im Raum, so Jochen Hartmann: „Es gab Hinweise auf Unregelmäßigkeiten. Die Bürger haben ein Recht zu erfahren, was mit ihren Geldern passiert.“
Verträge werden geprüft
Frank Steinfort sah das ähnlich: „Diese Frage stellt man sich spontan: Wie konnte das passieren?“ Natürlich habe die Öffentlichkeit einen Anspruch auf Information: „Aber wir sind noch in einem Prozess der Ermittlung des Sachverhaltes. Der Umfang ist da sehr groß. In Kürze werden wir ein Beratungsunternehmen zur Überprüfung auswählen.“ Dezernent Buchholz ergänzte: „Wir haben Maßnahmen identifiziert aus zurückliegenden Zeiten. Aus den Jahren 2017 bis 2019 sollen 74 Maßnahmen bei verschiedenen Trägern geprüft werden. Über das Ergebnis werden wir berichten.“ Stadtdirektor Steinfort präzisierte noch: „Wir werden uns mit Augenmaß zunächst drei Jahre ansehen und überprüfen, ob da ein systematischer Fehler zugrunde liegt oder ob es sich um einzelne Fehler handelt. Wir werden alle Verträge prüfen, gegebenenfalls auch Ansprüche geltend machen und eventuell Gelder zurück fordern. Wir achten da auf Verjährungsfristen.“
„Wir sind nicht zu teuer“
Und da Steinfort gerade so schön in Fahrt war, klärte er über eine aus seiner Sicht völlig falsche Berechnungsgrundlage auf für die immer wieder aufkommende Behauptung, die Mülheimer Verwaltung sei zu teuer: „Unsere Personalkosten liegen eher im Mittelfeld.“ Die MBI-Fraktion hatte nachgefragt, wie hoch denn der Personalbestand der Stadt Mülheim sei im Vergleich zu Solingen, Leverkusen, Hamm oder Hagen. Etwa gleich großen Städten mit ähnlichen sozioökonomischen Bedingungen. Es sei bekannt, dass Mülheim einen überdurchschnittlich hohen Personalbestand mit dementsprechend hohen Kosten aufweise: nicht unwesentlich mitentscheidend für das Defizit des Mülheimer Haushalts. Doch der Personaldezernent beharrte darauf: „Unser Personal ist weder besonders teuer noch besonders viel.“
„Äpfel mit Birnen verglichen“
Er verblüffte gar mit der Aussage, man sei nun vom Landesamt für Arbeit, Gesundheit und Soziales aufgefordert worden, noch Personal aufzustocken. Die Personalkosten dürften auch nicht isoliert betrachtet werden, da sie in anderen Kommunen oft versteckt wären. Als Beispiel wurden die Beschäftigten in den Kitas genannt. Mülheim habe da 69 Prozent eigenes Personal, anderswo seien bis zu 94 Prozent fremdvergeben: „Die tauchen dann dort in den Personalkosten nicht auf. Hier werden also Äpfel mit Birnen verglichen.“ Insgesamt sei man auf bestem Wege, von 2005 bis 2023 das angepeilte Gesamtsparziel von 31,7 Millionen Euro erreichen. Bis 2018 habe man bereits 24,2 Millionen an Personalkosten zu eingespart.
Der demografische Wandel werde ohnehin bald die Sichtweise extrem ändern. Denn von den 3.100 bei der Stadt Beschäftigten sei die Hälfte über 50 Jahre alt. Schon bis 2023 würden ohne Neueinstellungen die besetzten Stellen dramatisch schrumpfen. Und dann frage man sich, wo denn das Personal herkommen solle: „Der Wettbewerb um diese Arbeitskräfte wird immer schärfer.“ Steinfort schloss seinen engagierten Vortrag: „Wir sind nicht zu teuer. Das stimmt einfach nicht.“
Autor:Daniel Henschke aus Essen-Werden |
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