Weiterbau - vorläufig: Neue Thyssenbrücke wird zur Dauerbelastung und Nervenprobe
Der 20. Juli ist der nächste „Schicksalstag“ im Buch der unendlichen Geschichte der neuen Thyssenbrücke, an der nach fast dreimonatigem Stillstand die Arbeiten wieder aufgenommen wurden, zumindest bis zum Freitag nächster Woche. Wie es danach aussieht, steht noch in den „Verhandlungssternen“.
Der Rat der Stadt hatte sich mit großer Mehrheit für einen zügigen Weiterbau anstelle eines andauernden Stillstands und eines mit ungewissem Ausgang behafteten gerichtlichen Beweissicherungsverfahrens ausgesprochen. Die Politik hat Bau- und Planungsdezernent Peter Vermeulen Brücken gebaut, um die Brücke voranzubringen.
Der hat zwischenzeitlich ein vorläufiges Einlenken der laut städtischem Gutachten für einen großen Teil der Baumängel verantwortlich gemachten Baufirma Heinrich-Walter-Bau (HWB) erreicht. Bis zum 20. Juli tritt die Firma für die durch den jetzt intensivierten Weiterbau entstehenden Mehrkosten in Vorleistung. Dann sollen durch weitere Daten und Zahlen des Gutachters neue Erkenntnisse über die „Schuldfrage“ vorliegen.
Gespräche laufen nahezu ununterbrochen
Der Baudezernent und sein Team führen derzeit Dauergespräche und Verhandlungen. Vermeulen ist offensichtlich dünnhäutig geworden und wirkt genervt: „Wir reden nahezu ununterbrochen mit den Betroffenen. Bis zum 20. Juli sage ich in der Öffentlichkeit aber gar nichts mehr.“
Sollte es am Stich- und Schicksalstag zu einer Einigung kommen, wer die Kosten für die Mängelbeseitigung am Brückenneubau trägt, gilt der Satz: „Alles wird gut.“ Man spricht von mindestens 300.000 Euro zusätzlichen Kosten bei einem ohnehin von geplanten 18 auf 25 Millionen gestiegenen Gesamtvolumen. Falls es zu keiner außergerichtlichen Einigung kommt, kommen gravierende Probleme auch, aber nicht nur finanzieller Art, auf die Stadt und ihre Bürger zu.
Zeitweise ohne Brückenverbindung?
Die Stadt geht davon aus, dass die alte Thyssenbrücke, wie vorgesehen, zur nächsten Bahnstrecken-Sperrung in den Herbstferien abgerissen wird. Falls die neue Brücke dann nicht in Betrieb genommen werden kann, sei es im schlimmsten Fall durchaus denkbar, so Stadtsprecher Volker Wiebels, „dass wir zeitweise ohne Brückenverbindung auskommen müssen, die aufwändige Umleitungsregelungen zur Folge hätten.“
Er macht im Gespräch mit der Mülheimer Woche noch auf ein weiteres Problem aufmerksam: „Die Friedrich-Wilhelm-Hütte muss 365 Tage im Jahr und 24 Stunden am Tag mit Gas versorgt werden. Das ist Fakt.“ Zurzeit prüfe man, ob die Gasleitungen dann unter die Fragmente der neuen Brücke gehängt werden können oder eine „Gerüstlösung“ in Frage kommt.
Auch das würde erhebliche Mehrkosten zur Folge haben. Das gilt auch für mögliche Regressansprüche aus Oberhausen. Deren Straßenbahnen werden vertraglich vereinbart in der Ruhrbahn-Werkstatt in Broich gewartet und repariert. Wenn es keinen nahtlosen Übergang mit Schienenverkehr von der alten zur neuen Brücke gibt, entstünden weitere Zusatzkosten, die in unerwartete Höhe schnellen könnten, befürchtet man im Rathaus.
Emotionale Diskussionen kochen hoch
Ungeachtet des Verhandlungsmarathons, den die Stadt, allen voran Vermeulen und seine Mitarbeiter, bis Ende nächster Woche zu bewältigen haben, geht die teilweise sehr emotional geführte Diskussion um das Mülheimer Brücken-Desaster weiter. In den sogenannten „sozialen“ Netzwerken heißt es etwa: „Ein Fall für Mario Barth deckt auf“, „Das wird der neue Berliner Flughafen“ oder „Pfusch am Bau. Die Verantwortlichen zur Verantwortung ziehen.“
Ob sich aus dem derzeitigen Burgfrieden mit den vermeintlichen Schadensverursachen, einerseits die Planergemeinschaft Grassl / Schüßler-Plan und andererseits HWB, eine dauerhafte Lösung ergibt, wird voraussichtlich bis zum 20. Juli entschieden. Dann wird auch Peter Vermeulen vermutlich wieder in der Öffentlichkeit reden.
Autor:Reiner Terhorst aus Duisburg |
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