Die Mülheimer Woche fragte nach bei Bürgerinitiative und städtischem Kämmerer
Was wird denn nun mit der VHS-Sanierung?
Nach Paragraf 26 der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen hat ein Bürgerentscheid die Wirkung eines Ratsbeschlusses. Vor Ablauf von zwei Jahren kann er nur auf Initiative des Rates durch einen neuen Bürgerentscheid abgeändert werden.
Doch was ist, wenn der Mülheimer Rat zwar grundsätzlich erklärt, natürlich den Willen der Bürger zu respektieren, dann aber in der entscheidenden Abstimmung zum Großteil Enthaltung übt und die vier übrig bleibenden Stimmen gegen die entsprechende Verwaltungsvorlage plädieren? So geschehen am 5. Dezember. Die Verwirrung war groß. Was wird denn nun mit der VHS-Sanierung? Die Mülheimer Woche fragte nach.
Erich Bocklenberg ist eines der Gesichter der Bürgerinitiative zum Erhalt der VHS in der MüGa. Der ehemalige Leiter der städtischen Denkmalschutzbehörde war zugegen bei der Ratssitzung und hat die hochgradig emotionale Diskussion verfolgt. Hat genau hingehört bei den Begründungen zum Abstimmungsverhalten, Vorhaltungen gegenüber MBI und Einzelvertreter Cevat Bicici, auch bei den ergänzenden Anträgen von Grünen und SPD: „Eine unheimlich langatmige Debatte, die mich persönlich sehr irritiert hat. So ein Verhalten erwartet man einfach nicht von einem Stadtrat, der doch die Interessen abwägen muss. Zum Wohle der Bürger.“ Bocklenberg spricht von „Drangsalieren“ und war erstaunt, dass weder vom in die Ecke getriebenen MBI-Sprecher Lothar Reinhard noch von Bicici heftige Gegenwehr kam: „Die waren wohl auch konsterniert.“
Des Pudels Kern
Bocklenberg findet, dass da einige Argumente zu kurz kamen: „Was bedeutet denn der Bürgerentscheid? Das städtische Grundstück an der Bergstraße nicht zu veräußern und den VHS-Betrieb dort wieder aufzunehmen. Das sind die Kernforderungen.“ Das Gutachten sage doch: „Das Gebäude ist reparaturfähig, allerdings entspricht vieles nicht modernen Standards.“ Auch stand der Vorwurf im Raum, der Architekt Dietmar Teich habe hier Murks gebaut: „Dann lasst doch denjenigen, der da angegriffen wurde, in das Gebäude gehen und selbst nachsehen.“ Das sei doch des Pudels Kern: „Geschlossen wurde das Gebäude aus der Not heraus, weil der Brandschutz eklatante Mängel aufweist und es keine machbare Möglichkeit gab, ihn während des Betriebes zu sichern. Der Mangel muss also beseitigt werden. Dann könnte man den Unterricht dort weiterführen.“ Die BI fordere doch gar keinen Vorrang für die VHS Bergstraße: „Unsere Sorge ist aber schon, dass das leer stehende Gebäude leidet. Die Strategie müsste doch sein, den Verfall zu stoppen und das Haus wieder mit Leben zu füllen. Zum Beispiel das Dach kann ich auch bei laufendem Betrieb erneuern. Ich kann durchaus in Abschnitten vorgehen, wenn ich will.“
Erwachsenenbildung
Doch nun rückt die VHS-Sanierung wieder in die Ferne und der Bürgerentscheid könnte verpuffen. Erich Bocklenberg und seine Mitstreiter waren präsent mit einem Infostand auf dem Weihnachtsmarkt in der Altstadt. Dort kam es zu denkwürdigen Begegnungen, die geprägt waren von Entrüstung und einer großen Bereitschaft, sich einzubringen. Es gab durchaus auch einzelne Stimmen, die sich kritisch äußerten und betonten, die Schulkinder hätten Vorrang: „Doch trotz aller Skepsis uns gegenüber zeigten sich selbst diese Menschen entsetzt, wie mit dem Bürgerentscheid umgegangen wird.“ Es gehe hier doch nicht um 60-Jährige, die unbedingt ihre Häkelkurse behalten wollten. Erwachsenenbildung sei viel mehr: „Unsere Gesellschaft muss sich ständig weiterbilden. Wir haben im Ruhrgebiet auf viele junge Menschen, die zu uns gekommen sind. Da brauchen wir niedrigschwellige Angebote. Eine Verknappung dieses Angebotes widerspricht doch Integrationsbemühungen.“
Konsequenzen überlegen
Für die BI sei aber die Aktienstraße kein geeigneter Standort: „Das merkt man an allen Ecken und Kanten. Es ist eine Interimslösung. Aber doch nicht für 30 Jahre.“ Von daher könne die Zukunft nur an der Bergstraße liegen: „Der richtige Ansatz wäre es, der Erwachsenenbildung eine Chance zu geben.“ Bocklenberg hat die Problematik der klammen Finanzen durchaus verstanden: „Der Rat hatte aber ein rein wirtschaftliches Gutachten beschlossen und daher nun ein Problem.“ Wie wird die Bürgerinitiative reagieren? „Wir werden uns Ende der Woche zusammensetzen und Konsequenzen überlegen. Der Rat hat einen Auftrag bekommen. Er soll einen möglichst sparsamen Weg finden, an der Bergstraße wieder Unterricht durchführen zu können. Dabei simple Lösungen bevorzugen und sie Stück für Stück umsetzen.“ Die Frage sei doch: „Was muss ganz konkret jetzt sein? Wo können Teile der VHS-Sanierung geschoben werden?“ Die BI werde darauf dringen, dass der Bürgerentscheid umgesetzt wird: „Denn im Herbst finden Kommunalwahlen statt und alles wird neu gemischt. Und wir stehen wieder am Anfang.“ Sicherlich werde man sich rechtlich beraten lassen: „Welche Möglichkeiten gibt es gegen Verzögerungs- und Untätigkeits-Taktiken? Wir prüfen, ob ein Rechtbeistand nötig ist. Aber wir sind keine Partei und kein Verein. Da fehlen uns schlicht auch die finanziellen Mittel.“
Leere Taschen
Übrigens eine geradezu frappierende Parallele zum städtischen Kämmerer Frank Mendack. Der hat auch leere Taschen und deshalb keine gute Nachrichten für die Freunde der VHS Bergstraße: „Gemeinsam mit Oberbürgermeister Ulrich Scholten und Stadtdirektor Frank Steinfort hatte ich die Fraktionsvorsitzenden im einem Gespräch vor der Sitzung darauf hingewiesen, dass der Planungsbeschluss noch in diesem Jahr erfolgen muss. Denn dann hätten wir nur noch abzuwarten gehabt, bis der Haushalt 2019 genehmigt wird. Doch 2020 sind wir in der vorläufigen Haushaltsführung. Da darf der Kämmerer so einen Planungsbeschluss gar nicht beauftragen. Nur noch Dinge, zu denen die Stadt verpflichtet ist. Das trifft übrigens auch Schulen. Ich darf keine freiwilligen Ausgaben neu beauftragen. Was hier zutrifft, da wir ja bereits eine Bildungseinrichtung haben. Eine kostengünstigere Alternative als die VHS-Sanierung.“ Da der Haushalt 2020 wohl frühestens Ende des entsprechenden Jahres genehmigt werde, könne vorher gar kein Planungsbeschluss umgesetzt werden.
„Enthaltung konsequent“
Wie wertet Frank Mendack die Enthaltungen im Stadtrat? Eigentlich sei er ein Freund klarer Kante, doch in diesem besonderen Fall seien Enthaltungen durchaus ein Mittel: „Die Mehrheit wollte die Chance geben, das Bürgerbegehren auch umzusetzen. Es wurde signalisiert, dass dem zweiten Teil der Vorlage auch zugestimmt würde mit den dort enthaltenen Millionen. Die Mehrheit wollte aber die Sanierung der Schulen nicht schieben. Ein Nein hätte niemand verstanden. Von daher war eine Enthaltung nur konsequent.“ Dabei hätte man durchaus noch das Schieben einzelner Sanierungsmaßnahmen wieder herausnehmen und ersetzen können, denn in der Verwaltungsvorlage waren ausdrücklich denkbare Alternativen aufgelistet. Doch dazu kam es nicht. Nach seinem Verständnis müssten nun MBI und Cevat Bicici die anderen politischen Gruppierungen einladen zu Gesprächen: „Sie haben sich stark gemacht für eine VHS-Sanierung und müssen nun dazu stehen. Es wäre ein Leichtes gewesen, die Hand zu heben und den Beschluss zu fassen. Das kann jederzeit nachgeholt werden.“
Am 13. Februar findet die nächste turnusmäßige Ratssitzung statt.
Autor:Daniel Henschke aus Essen-Werden |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.