Rat der Stadt beruft Oberbürgermeister Scholten aus Aufsichtsgremium der Beteiligungsholding ab
Was stand in der ominösen SMS?
In der Sitzung des Mülheimer Stadtrates am Donnerstag eskalierte ein geradezu bizarrer Streit um eine grundlegende Entscheidung des Oberbürgermeisters. Ulrich Scholten hatte die Zuständigkeit für die Beteiligungsholding (BHM) der städtischen Töchter Kämmerer Frank Mendack entzogen. Über dieses Vorgehen informierte Scholten am 4. April Vertreter des Rates, dann verkündete er seine Entscheidung der Presse. Mendack selbst stand in der Informationskette eher hinten.
Da ein persönliches Gespräch zwischen den beiden nicht zustande gekommen war, teilte Scholten sich dem Kämmerer auf ungewöhnliche Weise mit. Mendack bemühte am Donnerstag Sarkasmus, als er zum Rat sprach: „Wir hatten in der fraglichen Zeit mehrere gemeinsame Termine. So sind erst sie informiert worden, dann die Presse und dann ich per SMS.“ Aber er sei da nicht undankbar: „Er hätte auch twittern können.“ Der Oberbürgermeister gab eher lapidar zu Protokoll: „Wenn eine SMS als letztes Mittel dienen muss, dann ist das so.“
Kommunikation lässt
zu wünschen übrig
Was Tim Giesbert von den Grünen erschreckte: „Dass die Kommunikation im Verwaltungsvorstand suboptimal ist, wird wieder deutlich.“ Das bestätige Scholten indirekt: „Sie war auch schon mal besser.“ Der Oberbürgermeister möchte alle wirtschaftlichen Kompetenzen bei sich bündeln. Er reagiere da auch auf anhaltende Kritik des Unternehmerverbandes, der ein Zukunftsdezernat Wirtschaft gefordert hatte.
Nun gilt aber Mendack als einer der Kontrahenten in der immer noch nicht beendeten Affäre um Spesenabrechnungen des Oberbürgermeisters. Immer noch ermittelt die Staatsanwaltschaft Duisburg in dieser Sache. So wurde von vielen Bürgern der Stadt unterstellt, die Entscheidung Scholtens trage persönliche Züge.
In den sozialen Netzwerken erwuchs eine Debatte in aufgeheizter Stimmung, gar von einer „Racheaktion“ war die Rede. Nach einem missverständlichen Post von Daniel Spliethoff, dem Sohn des Fraktionsvorsitzenden der SPD, drohten die Situation zu entgleisen und eine Strafanzeige gegen Spliethoff junior stand im Raum. Nach einer Entschuldigung an die Adresse Scholtens geht zumindest dieser Krug wohl am geplagten politischen Klima in Mülheim vorbei.
Der erwartbare Konter
der Politik
Die Fraktionen von Bündnis 90 / Die Grünen, BAMH, FDP und CDU legten einen Antrag vor, da zu dieser Personalie dringend eine Positionierung des Rates erforderlich sei: „Die antragstellenden Fraktionen sind mit dieser Vorgehensweise des Oberbürgermeisters nicht einverstanden“, so Christina Küsters (CDU). Sie betonte: „Wir hoffen, dass Sie sich nicht von persönlichen Gründen leiten ließen.“ Bei der BHM sei die Schnittstelle zwischen Stadttöchtern und Kernhaushalt, daher mache es Sinn, den Kämmerer zu entsenden.
Scholten protestierte: „Persönliche Intentionen sind Vermutungen und Behauptungen. Das spielt hier keine Rolle.“ Es gab eine deutliche Mehrheit für den Antrag, mit drei Gegenstimmen der MBI und vier Enthaltungen. Der Rat beschloss, Scholten aus der Gesellschafterversammlung der Beteiligungsholding abzuberufen. Mit sofortiger Wirkung soll stattdessen Frank Mendack entsendet werden.
Scholten unterstellt "einseitiges Konsolidierungsinteresse"
Gleichzeitig wurde dem OB empfohlen, Mendack dauerhaft als seinen Vertreter in den Aufsichtsrat der Ruhrbahn zu entsenden. Das rief Ulrich Scholten auf den Plan: Seine Entscheidung sei mit der Stoßrichtung erfolgt, dem Thema Wirtschaft und Arbeit mehr Gewicht einzuräumen. Durch seine Tätigkeit in Aufsichtsräten von Mülheim & Business, medl, Flughafen und Ruhrbahn sei er bereits eng in die Abläufe eingebunden. Zur Ruhrbahn meinte Scholten: „Die Logik dieser Empfehlung erschließt sich mir nicht.“
Die Entsendung des Kämmerers, dem Scholten ein "einseitiges Konsolidierungsinteresse“ unterstellte, laufe der Funktion eines Aufsichtsrates entgegen, der die Interessen der Gesellschaft in Gänze zu vertreten habe: „Insofern wäre ein Interessenkonflikt programmiert.“ Hört sich ganz danach an, als wäre Scholten nicht gewillt, der Empfehlung des Rates zu folgen.
Das Geschehen veranlasste Hasan Tuncer zu einem fast schon verzweifelten Appell: „Die Bürger haben in den letzten Monaten das Vertrauen in Politik und Verwaltung verloren. Setzen Sie bitte ein Zeichen, dass Sie weiter zusammen arbeiten.“
Autor:Daniel Henschke aus Essen-Werden |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.