Sondersitzung des Mülheimer Sicherheitsausschusses
Was ist da passiert?

Ein Großaufgebot der Polizei musste handgreifliche Streitigkeiten unter Jugendgruppen beilegen. 
Foto: PR-Foto Köhring
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  • Ein Großaufgebot der Polizei musste handgreifliche Streitigkeiten unter Jugendgruppen beilegen.
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Eine handgreifliche Eskalation unter Jugendlichen in der Stadtmitte hatte für viel Aufmerksamkeit und ziemlichen Wirbel gesorgt. Es war beileibe nicht die erste ihrer Art, aber die Massenschlägerei vom 28. April fand ihr politisches Nachspiel. Sie war nun viel diskutiertes Thema einer Sondersitzung des Mülheimer Sicherheits- und Ordnungsausschusses.

An der Haltestelle „Stadtmitte“ in der Friedrich-Ebert-Straße hatten sich Jugendliche eine Schlägerei geliefert. Die Polizei war von Zeugen alarmiert worden und musste vor Ort einschreiten. Die Lage war unübersichtlich, drei Beteiligte mussten zur Behandlung ins Krankenhaus gebracht werden. Vier junge Männer wurden in Gewahrsam genommen, ein weiterer konnte sich nicht ausweisen und musste zumindest für kurze Zeit mitkommen zur Polizeiwache.

Marodierende Jugendgruppen?

Schnell ploppten Schuldzuweisungen und scheinbar besorgte Fragen auf: „Gibt es etwa marodierende Jugendgruppen im Bereich der Innenstadt?“ Viel war vom beeinträchtigten Sicherheitsgefühl der Bürger und Gewerbetreibenden die Rede. Um eventuelle Maßnahmen ergreifen zu können, wollte es die Lokalpolitik nun genau wissen: „Was ist da passiert?“ Ausschussvorsitzender Werner Oesterwind lud ein zur Sondersitzung seines Gremiums, das sich Sicherheit und Ordnung auf die Fahnen geschrieben hat. Befragt wurden Akteure wie Polizei, Ordnungsamt, Jugendamt und Ruhrbahn.

Mülheims Polizeichef Alexander Prim gab das Wort weiter an seinen Wachenleiter. Der führte aus, dass mehrere Notrufe eingegangen sein, die von 50 Personen sprachen, von denen noch 30 angetroffen wurden. Nicht alle seien involviert gewesen, sondern eher Zuschauer. Im Bereich eines Hauses an der Friedrich-Ebert-Straße sei es zu einem Streit gekommen zwischen noch recht jungen Mädchengruppen „in Begleitung von zwei, drei Jungs“. Es sei nicht bei verbaler Auseinandersetzung geblieben: „Es gab leichte Schläge.“ Ganz schnell hätten sich „Bekannte, Verwandte, Freunde“ eingefunden und mitgemischt: „Das hatte aber grundsätzlich mit dem Bereich der Haltestelle nichts zu tun.“ Vernehmungen hätten stattgefunden: „Es wird jetzt seinen kriminalpolitischen Gang gehen.“ Insgesamt sei aber nicht erkennbar, dass sich da eine kriminelle „Szene“ zusammenbraue.

Niedrige Fallzahlen

Alexander Prim fasst zusammen: „Ein Sachverhalt, der für Aufsehen sorgte. Mir ist bewusst, dass die Haupthaltestelle ein kritisches Thema ist. Wir stellen aber keine Korrelation fest. Wir sollten den Ort im Blick haben, aber die Stadtmitte ist sicherheitsunmäßig unauffällig. Wir haben niedrigere Fallzahlen als vor einem Jahr, und zwar nicht durch Corona bedingt. Wir haben hier keinen Hot Spot, der Kriminelle anzieht.“ Die Polizei setze auf Nadelstiche und wolle den besagten Gruppen „auf die Füße treten“.

Auf Nachfrage von Dominic Fiedler (AfD) antwortete Prim, die an der Schlägerei Beteiligten seien durchaus schon in Erscheinung getreten, aber nicht als Intensivtäter. Zunächst seien 11- bis 13-Jährige beteiligt gewesen, die Hauptakteure aber seien um die 16 Jahre alt. Insgesamt sei die Gruppe von der Herkunft her heterogen zusammengesetzt gewesen: „Die eine Familie ist irakisch, ansonsten waren Angehörige diverser Kulturen beteiligt, auch Deutsche.“ Was den Vorsitzenden Werner Oesterwind zu einem Kommentar veranlasste: „Das waren Menschen, die in Mülheim leben. Und die gehören dazu.“

Verstöße und Provokationen

Kerstin Kunadt, Leiterin des Ordnungsamtes, sprach von „persönlichen Streitigkeiten unter Mädchen“. Im Bereich Schollenstraße sei es zur Eskalation gekommen und ihre Ordnungskräfte seien dazwischen gegangen: „Man hat versucht, die Parteien zu trennen. Eine Partei ist in Richtung Haltestelle geflohen.“ Im Bereich der Schlossstraße habe man es zurzeit mit vielen Verstößen und Provokationen zu tun. Allerdings handele es sich da um Ordnungswidrigkeiten, aber nicht um Straftaten: „Unsere Einsatzkräfte scheinen die Jugendlichen zu reizen.“

Das bedeute aber nicht eine dramatische Verschlechterung der Sicherheitslage. Solch ein Verhalten in der Öffentlichkeit beeinträchtige aber eben doch das Sicherheitsgefühl der Mitmenschen: „Darauf müssen wir reagieren. So ein provozierendes Verhalten darf nicht geduldet werden.“ Tatsächlich patrouilliere nun der Kommunale Ordnungsdienst verstärkt im Bereich der Stadtmitte: „Das merkt man schon. Man muss immer mit uns rechnen.“ Eine Zentrierung an der Stelle werde schon deswegen erkennbar, da einige Jugendliche unmittelbar in diesem Bereich wohnten. Hier werde man „wahrgenommen“, was den Gruppen wohl wichtig sei.

Dominic Fiedler wollte es genauer wissen: „Wo gibt es ähnliche Hot Spots?“ Von Hot Spots könne man nicht gerade sprechen, antwortete ihm Alexander Prim, eher von Schwerpunkten: „Eppinghofer Straße, Charlottenstraße, Oberhausener Straße und ihre Seitenstraßen. Dort sieht man meine Leute täglich.“ Die Fallzahlen seien an diesen Stellen zwar relativ gesehen höher, insgesamt aber gering: „Nicht ansatzweise so hoch wie im Duisburger oder Essener Norden.“

Fahrlässiger Begriff

Bürgermeister Markus Püll (CDU) unterstrich, dass die dort lebenden Menschen und auch Geschäftsleute immer wieder eine Aggressivität spürten, die zu denken geben sollte. Den Begriff „subjektives Sicherheitsgefühl“ halte er für fahrlässig. Ramona Baßfeld (BAMH) ergänzte, sie wisse von älteren Mitmenschen, die aus Angst nicht an der Zentralen Haltestelle ausstiegen, sondern eine Station früher: „Und diese Ängste werden größer.“ Daraufhin fragte Max Oesterwind (CDU), ob hier Videoprävention denkbar sei, zum Beispiel in Mönchengladbach erfolgreich eingesetzt.

Christoph Lademann, Leiter Verkehrsmanagement der Ruhrbahn, konnte sich weitgehend seinen Vorrednern anschließen: „Die Auseinandersetzung war nicht lokal im Zusammenhang mit der Haltestelle zu sehen.“ Es gebe dort zwar zwei Videokameras, die überwachten aber lediglich die Bahnsteigkanten und dienten ausschließlich dienstlichen Zwecken. Christoph Lademann betonte, dass Notruf- und Servicesäulen der Ruhrbahn wichtig sein. Auch sei inzwischen eines der beiden Service- und Sicherheitsteams vom Hauptbahnhof in die Stadtmitte verlegt worden. Diese Leute seien ganztägig vor Ort.

Soziale Konflikte sichtbar

Jugendamtsleiterin Lydia Schallwig hielt ein Plädoyer für die Jugendlichen: „Wir arbeiten eng zusammen in unseren Netzwerken.“ Als Auslöser für kritische Situationen in der Stadtmitte nannte Schwallwig „Höhere Bevölkerungsdichte, ressourcenarme Familien mit vielen Kindern. Wir dürfen aber nicht alle Kinder und Jugendliche unter Generalverdacht stellen. Die Zahl der Intensivtäter ist deutlich niedriger als in anderen Städten.“

Und doch hier würden hier durchaus soziale Konflikte sichtbar. Streetworker Thomas Böhm begleite die Jugendlichen im Innenstadtbereich: „Seine Aufgabe ist es, Verständnis für diese Gruppe zu vermitteln.“ Sie könnten sich bei ihm Unterstützung holen, wenn sie Sorgen oder Stress in der Schule, zu Hause oder mit anderen Jugendlichen oder Erwachsenen haben sollten.

Oberbürgermeister Marc Buchholz berichtete, dass Jugendliche ihn auf seine Ansprache hin gefragt hätten: „Wer bist du eigentlich?“ Seine Beobachtungen vom 28. April bezogen sich auf die den Bereich der Schollenstraße: „Ich habe gesehen, dass junge Männer ein Mädchen vom Ort des Geschehens weggezogen haben, die offensichtlich noch nicht genug hatte. Das erwarte ich. Dass man Dinge auch mal massiv beendet und sagt, jetzt ist aber Feierabend!“

Streetworker berichtet

Direkt vom OB angesprochen, stellte Sozialarbeiter Thomas Böhm klar: „Die Jugendlichen in der Innenstadt bekommen sehr viel untereinander geregelt, als wir Erwachsenen mitbekommen.“ Böhm ist dort seit November 2018 als Streetworker unterwegs und richtet sich mit seinen Angeboten an alle Kinder und Jugendlichen, die sich regelmäßig in der Mülheimer Stadtmitte aufhalten, auf der Durchreise befinden oder in der Stadtmitte wohnen: „Wir hatten es jetzt mit einem Gewaltausbruch zu tun. Oft aber werden Probleme gewaltfrei geklärt.“

Franziska Krumwiede-Steiner (Grüne) zog ein Resümee: „Das Problem ist nicht die Haltestelle. Wir müssen die Jugendlichen in Mülheim stärker unterstützen.“ Hier solle der Jugendhilfeausschuss Antworten auf brennende Fragen finden: „Was passiert mit Jugendlichen, denen alles verboten wurde? Die keine Räume mehr haben?“ André Kasberger (SPD) zeigte sich froh über die Erkenntnisse dieser Informationsveranstaltung: „Jetzt können wir in die Zukunft blicken und aufbauen. Wir müssen verhindern, dass junge Menschen an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden. Wir sehen das heute hier als Auftaktveranstaltung, müssen zum Beispiel aber auch über Sauberkeit reden.“ Abschließend meinte Marc Bucholz: „Dieser Vorfall hat uns betroffen gemacht. Ich empfinde es als wohltuend, dass niemand hier skandalisieren möchte. Wir sind weit entfernt von sogenannten Hot Spots.“

Ein Großaufgebot der Polizei musste handgreifliche Streitigkeiten unter Jugendgruppen beilegen. 
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Zwar habe es einen Gewaltausbruch gegeben, doch von Hot Spots könne man nicht reden in Mülheim.
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Autor:

Daniel Henschke aus Essen-Werden

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