Wahlkompass Mülheim: WIR AUS Mülheim
Dem Mülheimer Stadtrat fehlte in der fast abgelaufenen Legislaturperiode eine politische Mehrheit. So mussten sich auch die „großen“ Parteien immer wieder neue Mehrheiten suchen. Durchaus zur Freude der kleinen Parteien oder Wählerbündnisse. „Wir waren so manches Mal das Zünglein an der Waage,“ schmunzelt Cevat Bicici. Er möchte für WIR AUS Mülheim erneut in den Rat einziehen.
Wenn am 25. Mai Bezirksvertretungen und der Rat der Stadt gewählt werden, dann sind die Kandidaten des „überparteilichen, demokratisch organisierten Personenwahlbündnisses“, wie sich WIR AUS Mülheim beschreibt, wieder auf allen Listen vertreten, vorneweg Cevat Bicici. Man wolle auch in den kommenden Jahren vor allem im Interesse der Bürger agieren, gibt er die (linke) Linie vor.
Zins- und Schuldenmoratorium gefordert
Das geht nicht ohne Geld. Die inzwischen offiziell überschuldete Stadt hat nichts mehr zu verschenken - und kann sich ohne Hilfe von Land und Bund nicht aus der Finanzmisère befreien. „Die Städte haben zuviele Aufgaben bekommen, die sie selber finanzieren müssen“, beklagt Bicici. Für die Rettung von Banken hingegen habe der Bund Geld über. Deshalb ist die Forderung von WIR AUS Mülheim radikal: ein Zins- und Schuldenmoratorium für die Städte - das heißt, ihnen werden von den Banken Zinsen und Schulden erlassen. Das Aktionsbündnis der Städte sieht Bicici positiv kritisch: „Die Städte dürfen nicht mehr nur Bittsteller sein, da muss jetzt auch was passieren.“
Nahverkehr ist Pflichtaufgabe der Stadt
Denn man könne sich auch kaputtsparen - zumindest was den ÖPNV angehe. „Der Nahverkehr gehört zu den Pflichtaufgaben der Stadt, er kann nicht nur wirtschaftlich betrachtet werden.“ In den vergangenen Jahren wurde die MVG „kaputtgespart“, sodass jetzt hohe Investitionen nötig seien, um die Qualität wieder herzustellen. „Der ÖPNV müsste ausgebaut, die Taktzeiten verdichtet und das Sozialticket eingeführt werden“, fordert Bicici für das Wählerbündnis. Auch das Personal sei überlastet und müsse verstärkt werden.
"Ruhrbania ist ein Desaster"
Beim „Sorgenkind“ Innenstadt sei in den letzten Jahren auch vieles falsch gelaufen. So sei WIR AUS Mülheim immer dagegen gewesen, die Kaufkraft in den Außenbezirken zu konzentrieren. Ruhrbania sei ein Desaster, vor allem die jahrelangen Baustellen und die hohen Parkgebühren hätten den Innenstadthändlern den Rest gegeben. „Der Rest des Ruhrbania-Ausbaus hinter der Bahnlinie muss gestoppt werden, Mülheim braucht keine zusätzlichen Baustellen“, fordert Bicici. Das Geld solle lieber für die Innenstadt ausgegeben werden. Niedrigere Gebühren für die Außenstellflächen der Händler, die die Politik endlich nach langer Diskussion beschlossen hat, seien nur ein richtiger Schritt. „Natürlich sind auch die Immobilienbesitzert gefragt, zum Beispiel bezahlbare Mieten anzubieten“.
Für den maroden Kaufhof wünscht sich der Politiker endlich Maßnahmen. „Eigentum verpflichtet. Herr Hoffmeister hat bei der Feuerwache viel verdient, das könnte er in diese Immobilie stecken.“ Man müsse planungsrechtliche Maßnahmen überlegen, oder auch über Enteignung nachdenken, wenn sich nichts bewege.
Keine ÖPP-Projekte mehr
Den Weg, öffentliche Gebäude im Rahmen von ÖPP-Projekten mit privaten Partnern zu sanieren, hält Bicici nicht für richtig. „Letztendlich kostet das die Stadt auf Dauer mehr, als wenn sie die Kosten alleine getragen hätte.“ Beste Beispiele dafür seien die Feuerwache, aber auch das Mülheimer Rathaus, das von der Stadttochter swb saniert wurde und für das Mülheim jetzt hohe Mietzahlungen über 25 Jahre leisten muss.
Zur Person:
>> Cevat Bicici ist seit zehn Jahren Mitglied des Personenwahlbündnisses WIR AUS Mülheim. Seit 2010 bekleidet der gelernte Feinmechaniker und geschiedene Vater von zwei erwachsenen Kindern hauptamtlich den Posten des Fraktionsgeschäftsführers.
>> Im Januar 2013 rückte Bicici als Nachfolger des verstorbenen Gerhard Schweizerhof in den Rat und bildet dort mit Achim Fänger und Carmen Matuszewski (Die Linke.) die Fraktion „WIR - Linke aus Mülheim“.
Wahlprogramm kurz gefasst:
Finanzen: Vollständiges Zins- und Schulden-Moratorium gefordert
Ruhrbania: Weiteren Ausbau stoppen, keine teuren Leuchtturmprojekte
Frauenpolitik: Gleiche Rechte und Chancen für Frauen im Beruf und in der Familie. Familienzeit muss in der gesetzlichen Rentenversicherung vollständig berücksichtigt werden.
Bildung: Keine weitere Schulschließung; kleinere Klassen und mehr Lehrer; eine vierte Gesamtschule an einem zentralen Standort; kostenloses Mittagessen für jedes Schulkind
Nahverkehr:Ein dichtes Liniennetz, kurze Takte und ein übersichtliches Tarifsystem mit bezahlbaren Fahrpreisen; mehr barrierefreie Fahrzeuge, mehr Straßenbahnen; ein echtes Sozialticket
Stadtentwicklung: Bezahlbaren Wohnraum statt Luxuswohnungen; Sanierung und Ausbau von Sozialwohnungen; Erhalt der Grünzüge als Klimapumpen der City; Erhalt und Ausbau aller Sportstätten und Schwimmbäder; keine Kürzungen im Kulturbereich
Umwelt: Kein Fracking; Verbrennung fossiler Brennstoffe zurückfahren; Ausbau erneuerbarer Energien
Integration: Integration statt Isolation, gleiche Rechte für alle
Privatisierungen: Schluss mit PPP-Modellen
Rückführung in die kommunale Selbstverwaltung
Autor:Regina Tempel aus Mülheim an der Ruhr |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.