Verbot in Mülheim: Viel Dampf um die E-Zigarette

Handel und Verkauf sind in Mülheim, Essen und Oberhausen ab sofort verboten. | Foto: Gisela Peter/pixelio.de
  • Handel und Verkauf sind in Mülheim, Essen und Oberhausen ab sofort verboten.
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Gerade erst flauten die Diskussionen um das neue Nichtraucherschutzgesetz von 2008, das ein konsequentes Rauchverbot in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens vorschreibt, ab, da beherrscht das Thema „Rauchen“ erneut die Schlagzeilen.

Nachdem sich NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) zunächst gegen Raucherbereiche in Gaststätten und für ein abolutes Rauchverbot aussprach, empfahl sie nun, auch den Verkauf von E-Zigaretten zu verbieten - mit der Begründung: Die nikotinhaltigen Liquids seien laut Erlass des Gesundheitsministerium vom 16. Dezember Funktionsarzneimittel, die nur in den Verkehr gebracht werden dürften, wenn sie durch die zuständige Bundesbehörde zugelassen wären. Eine Zulassung läge jedoch nicht vor, daher sei der Handel und Verkauf - zumindest in Bayern, Bremen und NRW - verboten. Gleichzeitig wurden die Bezirksregierungen darüber informiert, dass sie gegen einen unberechtigten Verkauf vorgehen könnten.

Der Empfehlung der Gesundheitsministerin Steffens zu folgen, kommt für die meisten Städte NRWs derzeit nicht infrage. Einzig Mülheim, Essen und Oberhausen preschten jetzt vor. „Das Gesundheitsamt der Stadt“, so heißt es in einer Pressemitteilung, „fordert alle betroffenen Händler auf, den Verkauf nikotinhaltiger Liquids einzustellen.“ Verstöße würden durch das städtische Gesundheitsamt und die für die MEO-Region zuständige Amtsapothekerin aus Essen, Dr. Bettina Bräutigam, geprüft und gegebenenfalls geahndet werden. Es drohten eine Geld- oder Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr.

Auf Unverständnis ob dieses Verbots stoßen die Städte beim Verband des E-Zigarettenhandels und bei Verbrauchern, fast zwei Millionen an der Zahl. Marion Mikoschek schreibt auf www.lokalkompass.de/muelheim gar von einer Unverschämtheit, was die Regierung mit den Bürgern machte. „Nur weil dem Staat Steuereinnahmen verloren gehen, will man jetzt die E-Zigarette und das nikotinhaltige Liquid schlecht reden. Die Regierung hat doch jetzt nur eine Lücke gesucht, um den Verkauf des nikotinhaltigen Liquids zu stoppen.“ Ähnlich empfindet auch Wolfram Kundert-Slawinski: „Es geht doch den Politikern nur um ‚Steuergelder‘. Sie wollen den Rauchern nur wieder dazu bringen, die normalen Zigaretten zu kaufen, da dort ja die Tabaksteuer fruchtet.“ Sind also rein finanzielle Einbußen aus dem Zigarettenverkauf Grund für den Vorstoß der Ministerin? Thomas Jansen findet: „Über die Gründe dazu kann man nur spekulieren, ein Schelm, wer da eine Lobbyarbeit erkennt.“

Vor allem gesundheitliche Gründe werden angebracht, wenn es darum geht, das Verbot der E-Zigaretten zu rechtfertigen. „Verbraucher sollten sich darauf verlassen können, dass ein Produkt gesundheitlich unbedenklich ist - und das ist bei der E-Zigarette in keinster Weise gegeben“, begründet Martina Pötschke-Langer vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ). Bisher ist weitgehend unerforscht, welche Nebenwirkungen auftreten könnten und ob und wenn ja, mit welchen (Langzeit-)Schäden gerechnet werden müsste. Manch Lungenfacharzt jedenfalls warnt vor schädlichen Auswirkungen auf die Atemwege. Vor allem der Einsatz von Propylenglykol, das industriell auch als Frostschutzmittel eingesetzt würde, sei bedenklich. Dieser Lebensmittelzusatzstoff E1520 sei aber auch in Kaugummi, Haut- oder Zahncremes sowie Arzneimitteln zu finden, merkt Prof. Dr. Dr. med. Jürgen Ruhlmann in einem Artikel auf Welt Online an.

Dass die E-Zigarette nicht als „gesunde“ Alternative verstanden werden kann, ist Thomas Jansen klar. Und dennoch: „Es ist die ‚weniger schädliche‘ Alternative zu echten Zigaretten! Das aber im großen Maßstab, da ich allein auf 80 krebserregende Stoffe verzichte und auf bis zu 4.000 weitere Stoffe, die bei der Verbrennung entstehen.“

Vielleicht einer der Gründe, warum der Verkauf auch weiterhin boomt. Beziehungsweise boomen würde. Denn: Reiner Lange, der seinen Smoker-Point an der Aktienstraße erst im November des vergangenen Jahres eröffnete, verkauft derzeit nur so genannte „Nuller“, also E-Zigaretten ohne Nikotin. Seine Haupteinnahmen lagen bisher jedoch im Verkauf der nikotinhaltigen Varianten. „Obwohl uns bis heute kein schriftliches Urteil vorliegt, verzichten wir zurzeit freiwillig auf den Verkauf“, erklärt Lange. Das kratzt an der Existenz. „Noch hält sich die Angst im Rahmen, es hängt aber viel dran.“ Umso wütender sei er über die Entscheidung, zumal sie seiner Meinung nach auf keiner Rechtsgrundlage getroffen worden wäre.

Rechtsanwalt Thomas Bruggmann bestätigt dies auf www.juravendis.de: „Es ist nicht klar, dass es sich bei E-Zigaretten zwangsläufig um Arzneimittel handelt.“ Allerdings warnt er auch vor zu viel Optimismus seitens der Händler und Verbraucher.

Sollte die Europäische Kommission im Sommer anders entscheiden und das Verbot wieder aufheben, könnte auf die Stadt eine Klagewelle rollen, wenn Einzelhändler Schadenersatz fordern. Serap Celen, Sprecherin des NRW-Gesundheitsministeriums, ist jedoch guter Dinge, dass es nicht soweit kommen wird. „Die Basis des Erlasses ist das Bundesarzneimittelgesetz. Wir haben die Rechtslage dargestellt, wie sie in Deutschland vorherrscht. Viele Bundesländer sind unserer Meinung.“ Und auch auf EU-Ebene werde die Lage ähnlich aussehen.

Autor:

Lisa Peltzer aus Oberhausen

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