Der Unterbezirksparteitag der Mülheimer SPD in der Stadthalle wurde wegen Corona-Virus abgesagt
Unter keinem guten Stern
Am Samstag wollten 156 Delegierte der Mülheimer SPD zum Unterbezirksparteitag zusammenkommen. In der Stadthalle sollten Kandidaten für die 27 Kommunalwahlbezirke nominiert werden, auch für Ratsreserveliste und Bezirksvertretungen. Doch die aktuellen Entwicklungen rund um den Corona-Virus stoppten die Veranstaltung.
Das SPD-Kommunalwahlprogramm sollte verabschiedet und Monika Griefahn als Kandidatin für das Amt der Oberbürgermeisterin auf den Schild gehoben werden. Bis zuletzt hatte der Vorstand der Mülheimer SPD daher gehofft, die Versammlung durchführen zu können. Doch der Corona-Virus bereitete Parteichef Rodion Bakum und seinen Mitstreitern erhebliche Magenschmerzen. Der Krisenstab der Stadt Mülheim hatte zwar nach einer Risikoabschätzung die Veranstaltung unter Auflagen erlaubt. Der Unterbezirksparteitag sei zur Vorbereitung der Kommunalwahl absolut notwendig, um das Funktionieren der Demokratie aufrecht zu erhalten. Aber wie sollte das gehen? Die politische Arbeit fortsetzen und gleichzeitig die Delegierten vor Ansteckung schützen? Etliche Vorsorgemaßnahmen sollten dies ermöglichen.
Vor Ansteckung schützen
Die Versammlung sollte eigens in den größeren Festsaal der Stadthalle verlegt werden, damit jeder Delegierte einen eigenen Tisch und somit genügend Abstand zum Nachbarn bekäme. Desinfektionsmittelspender sollten bereitstehen und häufige Reinigungen der Sanitäranlagen wurden angekündigt. Vom Händeschütteln oder Umarmen bei der Begrüßung sei ausnahmsweise abzusehen. Um die Verweildauer so knapp wie möglich zu halten, sollte das Programm auf das politisch Notwendige begrenzt werden. Eine weitere Auflage des Krisenstabes: der SPD-Vorstand solle den zu sogenannten Risikogruppen gehörenden Delegierten empfehlen, der Veranstaltung fern zu bleiben. Insbesondere ältere Menschen oder Menschen mit Grund- und besonders Lungenerkrankungen sollten lieber zu Hause bleiben. Diese Maßnahmen sorgten aber im Vorfeld für Gegenwind. Es kamen nämlich Stimmen auf, dass der Parteitag so nicht durchführbar sei. Zwei Ortsvereinsvorsitzende meldeten sich zu Wort: Die Verantwortung werde nun auf sie abgewälzt. Dabei könnten sie mangels Fachwissens ihren Delegierten nicht wirklich zu Teilnahme oder Fernbleiben raten. Auch sei es so dem Zufall überlassen, wer denn nun erscheine und welche zufälligen Mehrheiten sich dadurch ergäben. Da sei dann die Legitimierung des Parteitages in Frage gestellt. Vielleicht sei das Gremium gar nicht beschlussfähig. Da es doch mindestens eine Kampfabstimmung geben werde, könne man doch nicht einfach die Diskussion dazu wegfallen lassen, um Zeit zu sparen. Ohne eine Aussprache oder Kandidatenvorstellung sei das sicherlich juristisch anfechtbar. Vorgeschlagen wurde daher ein späterer Termin, eventuell sogar mit mehreren Teilversammlungen für die einzelnen Listen. Überhaupt sei doch noch Zeit zur Aufstellung der Kandidaten. Für den Notfall wurde sogar eine Briefwahl vorgeschlagen.
Die Absage
Es kam, wie es kommen musste. Keine 24 Stunden vorher wurde die Veranstaltung dann doch abgesagt: „Aufgrund der steigenden Fallzahlen und Quarantänefällen an drei Mülheimer Schulen und des eben erfolgten Erlasses des NRW-Innenministeriums, ab Montag die Schulen in NRW zu schließen, hat sich der Vorstand nun dazu entschlossen, die für morgen terminierten Veranstaltungen abzusagen. Derzeit empfehlen wir unseren Mitgliedern alle Gremiensitzungen bis mindestens zum Ende der Osterferien abzusagen, also bis zum 19. April.“ Doch bald danach sind erste Entscheidungen notwendig, weiß Rodion Bakum: „Mit den Kommunalwahl-Kandidaten hätten wir notfalls bis Mitte Juli Zeit. Aber wir müssen bis Mai Delegierte melden zur Vertreterversammlung der RuhrSPD für das Ruhrparlament. Und Anfang Juni sollen Delegierte für die Konferenz zur Aufstellung der Liste für die Landschaftsversammlung Rheinland gemeldet sein.“ Für Bakum eine knifflige Frage: „Stand heute muss ich also spätestens für Mai eine Versammlung einberufen. Doch wenn die 156 Delegierten ohnehin schon zusammen kommen, könnten wir da nicht gleich alle Wahlen durchführen lassen? Oder wären getrennte Termine besser? Wir überlegen noch.“
Ärger im Vorfeld
Der Parteitag stand unter keinem günstigen Stern, denn schon im Vorfeld hatte es Ärger geben. Im Fall des von seinem Ortsverein Dümpten nicht nominierten Fraktionschef Dieter Spliethoff erläuterte Bakum: „Ich war an dem Abend vor Ort und habe auch gesprochen. Habe an die Geschlossenheit der Partei appelliert.“ Schon länger habe es gebrodelt im Ortsverein: „Ich habe über viele Wochen moderiert, um den Konflikt zu lösen. Wollte alle zusammen führen. Aber das war nicht gewünscht.“ Da wurde klar, dass die Abstimmung kritisch wird und Spliethoff vielleicht nicht Kandidat für den Wahlkreis Dümpten-Süd. So kam es dann auch: „Ich verstehe seinen Ärger. Aber in einer Demokratie sind Wahlen die Lösung für Meinungsverschiedenheiten. Da muss man dann ein Abstimmungsergebnis auch akzeptieren. Wir brauchen alle in der Partei.“ Dieter Spliethoff bekam zwar von seiner Ratsfraktion den Rücken gestärkt. Zum Ende der Wahlperiode Ende Oktober wird er sich aber dennoch aus der aktiven Kommunalpolitik zurückziehen. Übrigens wurde der aktuelle Ratsherr Carsten Trojahn von seinem Ortsverein Broich ebenfalls nicht nominiert, sondern Susanne Dodd. Auf dem kurzfristig abgesagten Parteitag drohte ein ähnliches Ergebnis: Alexander Böhm ist Vorsitzender des Ortsvereins Stadtmitte, der ihn für den Wahlkreis Stadtmitte-Ost nominierte. Doch man teilt sich den Wahlkreis mit den Genossen aus Winkhausen und die nominierten mit Astrid Stieren die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen. Dem Vernehmen wäre es die einzige „Kampfabstimmung“ des Parteitages geworden.
Geschlechtergerechtigkeit
Parteichef Rodion Bakum hat sich Geschlechtergerechtigkeit auf die Fahnen geschrieben. Er setze da einen Parteitagsbeschluss vom September 2019 um: „Wir haben ein Ziel. Spätestens 2025 muss das Verhältnis 50/50 sein. Das gehört einfach dazu bei einer modernen Partei.“ Auf der Ratsreserveliste sei die gewünschte Parität mit exakt 27 Frauen schon erreicht: „Von denen treten zehn in Direktwahlkreisen an, da haben wir unseren Frauenanteil mehr als verdreifacht. Weitere sieben Frauen stehen auf aussichtsreichen Listenplätzen für die Bezirksvertretungen.“ Alle zehn Ortsvereine seien offen gewesen für die Idee, mehr Frauen zur Mitarbeit zu gewinnen. Nur zwei von ihnen hätten ausschließlich Männer nominiert: Stadtmitte und Styrum. Rodion Bakum wiederum darf darauf hinweisen, dass er in seinem aussichtsreichen Wahlkreis Platz gemacht hat für eine Frau. In Eppinghofen soll Elke Domann-Jurkewicz antreten. Bakum wird es dort versuchen, wo er auch wohnt. Aber in Broich-Süd werden den Sozialdemokraten nicht so viele Chancen eingeräumt.
Der Vorsitzende der Mülheimer SPD ist selbst Mediziner und sagt daher: „Derzeit ist nicht absehbar, wie lange es dauern wird, bis das Corona-Virus eingedämmt und ein normales, politisches Leben wieder möglich ist.“ Es müsse aber allen Parteien möglich gemacht werden, ihre gesetzlich vorgeschriebenen Vorbereitungen für die Wahl im September durchzuführen: „Wir fordern daher die Landesregierung auf, geeignete Regelungen zu treffen und nötigenfalls die Kommunalwahl zu verschieben.“
Autor:Daniel Henschke aus Essen-Werden |
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