Der Mülheimer Stadtrat stimmt einem Kompromissvorschlag zu
Stadtteilbibliotheken gerettet

Mülheims Stadtkämmerer Frank Mendack (2. von rechts) stellte dem Stadtrat den prognostizierten finanziellen Schaden durch die Pandemie vor. 
Foto: Henschke
  • Mülheims Stadtkämmerer Frank Mendack (2. von rechts) stellte dem Stadtrat den prognostizierten finanziellen Schaden durch die Pandemie vor.
    Foto: Henschke
  • hochgeladen von Daniel Henschke

Oberbürgermeister Marc Buchholz holte ihn wieder hervor, seinen Null-Euro-Schein. Immer dann, wenn das Mülheimer Stadtoberhaupt mit dieser symbolischen Note wedelt, möchte er auf die leeren Kassen und die notwendige Spardisziplin hinweisen. Sein Kämmerer nannte bedenkliche Zahlen.

Frank Mendack steht in der Pflicht, dem Stadtrat fortlaufend zu berichten, wie es denn steht um die Mülheimer Finanzen. Nicht gut, das wurde schnell klar. Mendack sah seinen Vortrag dann auch als ein „Einstimmen in die Haushaltssituation, die uns die nächsten Jahre beschäftigen wird“. Besonders der massive Einbruch bei Gewerbesteuer (31,7 Millionen Euro) und Einkommenssteuer (9 Millionen Euro) schmerze.
Unterm Strich rechnet der Kämmerer fürs Jahr 2021 mit einem durch Corona entstandenen finanziellen Schaden von 47 Millionen. Doch Frank Mendack versprühte Zuversicht: „Wir sind seit vielen Jahren mit einem positiven Haushaltsergebnis unterwegs.“ Doch es blieben Planungsunsicherheiten wie etwa zunehmende Insolvenzen. Die Krise tangiere natürlich alle staatlichen Ebenen, und doch seien finanzielle Hilfen von Bund und Land für die Stadt Mülheim erforderlich. OB Buchholz resümierte: „Wir können unserem Kämmerer vertrauen, dass er die Finanzen beisammen hält.“

Kompromiss gefunden

Ärger hatte es gegeben um einen Etatbeschluss zum Haushaltsbegleitantrag, der von CDU und Grünen im Februar explizit als Möglichkeit formuliert worden war: „Zusammenführung und Modernisierung der städtischen Bibliotheksdienste im Medienhaus und Prüfung der zukünftigen Nutzungsmöglichkeiten.“ Mit einem Einsparvolumen von jeweils 400.000 Euro ab 2023 und 200.000 Euro im Jahr 2022. Die Elternschaft war nicht einverstanden mit der Schließung der vier Stadtteilbibliotheken und wollte gar ein Bürgerbegehren auf den Weg bringen.
Der Rat stimmte über einen Kompromiss ab. Nun heißt es im Etatbeschluss: „Verstärkte Ausrichtung der städtischen Bibliotheksdienste im Medienhaus und Sicherstellung von Öffnungszeiten sowohl für die Medienarbeit als auch für weitere wesentliche Bildungsangebote in den Schul- und Stadtteilbibliotheken.“ Mit einem Einsparvolumen von 200.000 Euro im Jahr 2022 und jeweils 300.000 Euro ab 2023.

Bildungsorientierte Gespräche

Rederecht bekam die Vorsitzende der Stadtschulpflegschaft Grundschulen. Julia Othlinghaus-Wullhorst nutzte ihre Chance, um für einen Kompromiss zu werben: „Wir wollen, dass die Stadtteilbibliotheken vor Ort bleiben, das Personal und die Angebote vor Ort bleiben. Es haben Gespräche stattgefunden für eine Kompromisslösung, die sehr fruchtbar und bildungsorientiert verliefen. Pro Stadtteilbibliothek soll eine volle Stelle erhalten bleiben. Acht Grundschulen in Mülheim sollen zu Familienschulzentren umgebaut werden.“

Marc Buchholz war spürbar erleichtert: „Das ist der Kompromiss. Es bleiben Fachkräfte in den Standorten und dennoch haben wir die Einsparsumme. Vielen Dank an die Eltern, die Großes geleistet haben. Damit gehe ich davon aus, dass sich das Bürgerbegehren erledigt hat.“ So ganz mochte die SPD-Fraktion nicht mitspielen. Margarete Wietelmann hielt zwar fest, der Kompromiss sei dem Einsatz der Bürger zu verdanken: „Aber wir können ihm nicht mit vollem Herzen zustimmen. Wir waren im Februar schon entsetzt. Büchereien sind Fixpunkte in den Stadtteilen.“ Da dürfe nichts gespart werden.

Eine Win-Win-Situation

Was Heiko Hendriks (CDU) aufregte: „Was will man denn noch mehr? Wir haben Bürgerbeteiligung, mit vielen Ideen und echte Verbesserungen. Das ist ein großartiger Erfolg, auch für Schwarz-Grün.“ Zur Chronologie merkte Hendriks an: „In den Beschluss von Februar war etwas hineingedeutet worden, was dort nicht stand. Bereits am 22. März haben wir gesagt, dass wir eine Klärung erwarten, wie vor Ort etwas geschaffen werden kann. Am 27. April haben wir einen Antrag auf Prüfung eingebracht, ob Familienzentren angedockt werden könnten in Verbindung mit Stadtteilbibliotheken.“ Jetzt habe man ein Ergebnis, über das man sich freuen könne: „Insgesamt haben wir dort nun mehr pädagogisch ausgebildetes Personal als vorher. Eine Win-Win-Situation.“ Für die Grünen unterstrich Britta Stalleicken: „Wir begrüßen die schöne Zukunft der vier Stadtteilbibliotheken. Das spiegelt zukunftsorientierte Stadtpolitik wider.“

Was MBI-Sprecher Lothar Reinhard doch wieder relativierte. Wie es in Wirklichkeit weitergehe, bleibe noch abzuwarten: „Die Reaktion der Bevölkerung war deutlich. Es hatte sich schon ein Bürgerbegehren formiert. Das Ergebnis ist ein Kompromiss und wir können uns freuen, dass die Büchereien nicht zugemacht werden.“ Auch Dominic Fiedler von der AfD war aufgefallen, dass die angedachten Schließungen bei den Bürgern für Verunsicherungen gesorgt hätten. Er sei froh über einen gelungenen Kompromiss: „Er versucht, beide Seiten zu vereinen. Stadtteilbibliotheken gehören zum kulturellen Bildungsangebot, auch für Leute ohne diesen finanziellen Hintergrund.“

Einstimmige Entscheidungen

Die bildungspolitische Sprecherin der SPD Gabriele Hawig stellte klar: „Wir sprechen uns grundsätzlich gegen jegliche Einsparungen im Bildungsbereich aus. Weiterer Schaden konnte verhindert werden, aber es wird weiterhin eingespart bei der Bildung. Uns fehlt da der Glaube, dass es mit weniger Geld und weniger Personal so gut läuft.“ Der Rat entschied sich einstimmig für den Kompromiss, aber bei Enthaltung der SPD-Fraktion.
Oberbürgermeister Marc Buchholz erläuterte das weitere Vorgehen: „Wir werden im Laufe des Schuljahres die Familienzentren an den Start bringen können.“ Die Verwaltung habe zugesagt, den Kontakt zur Elternschaft weiterhin zu pflegen. Bei etwaigen Problemen in Abläufen werde reagiert: „Wir können und werden auch nachjustieren.“

Kurz vor Ende der Sitzung wurde es noch einmal munter: Der Rat der Stadt empfiehlt dem Aufsichtsrat der Ruhrbahn, die Stelle des ausscheidenden Geschäftsführers Uwe Bonan nicht mehr neu zu besetzen. Die MBI hatten ihren Antrag darin begründet, dass eine Neubesetzung des Postens nicht zielführend scheine: „Angesichts des sich abzeichnenden Beginns des überfälligen Verschmelzungsprozesses verschiedener Verkehrsgesellschaften des Ruhrgebiets wäre das eher kontraproduktiv.“ Man gehe davon aus, dass in Essen Rat und Stadtspitze ihren Vertretern im Ruhrbahn-Aufsichtsrat die gleiche Empfehlung mitgeben werden. Einstimmig stimmte der Rat dem MBI-Antrag zu.

Autor:

Daniel Henschke aus Essen-Werden

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

13 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.