„Schulden“ eintreiben? Streit im Mülheimer Rat über Flüchtlingskosten
Eine Anfrage der CDU löste im Stadtrat heftige Reflexe aus und gab einen Vorgeschmack auf die diesjährigen Wahlkämpfe um die Mehrheiten in Landtag und Bundestag. Die hoch verschuldete Stadt Mülheim hatte Anfang Januar dem Land NRW eine Rechnung geschickt.
Oberbürgermeister Ulrich Scholten bezifferte darin mit 27,3 Millionen Euro die Summe der Ausgaben, die Mülheim in den Jahren 2013 bis 2015 für Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen gezahlt, aber nicht erstattet bekommen habe. CDU-Fraktionsvorsitzender Wolfgang Michels fragte nun an, wie denn der Stand der Dinge sei: „Welche weiteren Schritte wird die Stadtspitze unternehmen? Die jetzt eingegangene Stellungnahme geht völlig an der Sache vorbei.“ Das Schreiben zähle „Wohltaten“ auf. Das könne aber NRW nicht davon befreien, seine „Schulden“ zu bezahlen. Wolfgang Michels: „Eine Unverschämtheit. Die Nichtzahlung wird mit dem Flüchtlingsaufnahmegesetz begründet. Die Rechnung bezieht sich aber auf die Landesverfassung. Die hat höchste Priorität.“
Kraft-Auto pfänden?
Jochen Hartmann von BAMH sah gar parteiinternen Streit: „Innenminister Jäger hat seine Parteigenossen aus dem flüchtlingspolitischen Wolkenkuckucksheim auf den Boden der Realität gebracht. Das war kein Liebesgruß aus Düsseldorf. Entweder die Stadt erhebt wegen des offenen Differenzbetrages unverzüglich Klage gegen das Land. Oder sie kneift.“ Peter Beitz hieb in die gleiche Kerbe: „Die FDP verlangt weiterhin, dass zu erstatten, was wir reingesteckt haben. NRW muss das Geld zurückgeben.“ Immer schärfer wurde gerade von CDU-Seite gefordert, die „Schulden“ einzutreiben, das dürfe auch keine Beißhemmung der Mülheimer SPD gegen die Parteigenossen in der Regierung verhindern. Da platzte Alexander Böhm der Kragen: „Sie würden wohl am liebsten nach Düsseldorf fahren und das Auto der Ministerpräsidentin pfänden.“ OB Scholten nahm flapsig ein wenig Druck aus dem Kessel: „Ich fürchte, die Karre ist geleast.“
Schwierige Rechtslage
Die Stadtkämmerei solle doch den weiteren Weg bei Nichtzahlung bis zum 28. Februar erläutern. Zunächst ein Mahnverfahren, dann ein Klageverfahren? Stadtdirektor Dr. Frank Steinfort schätzte die Lage ein: „Der Rechtsweg ist schwierig. Ein Mahnverfahren ist gesetzlich nicht möglich. Bei einer Klage müssten wir eine Kanzlei beauftragen, die Kosten wären gerade bei diesem Streitwert hoch. Dazu kämen noch die Anwaltskosten der Gegenseite. Ich führe lieber Prozesse, wo ich mindestens 60 Prozent Erfolgschancen sehe. Ohne Ratsentscheid würden wir diesen Weg nicht gehen wollen!“
Ähnlich sah das SPD-Sprecher Dieter Wiechering und beendete die hitzige Diskussion: „Es ging uns eher darum, der Landesregierung deutlich zu machen, dass die bisherigen Regelungen unzureichend waren. Inzwischen ist nachgebessert worden und es gibt auch deutlich weniger Flüchtlinge. Die Antwort der Landesregierung war so abzusehen, wir sollten eine politische Lösung suchen.“
Autor:Daniel Henschke aus Essen-Werden |
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