Scholten im Kreuzfeuer des Stadtrates
Oberbürgermeister Ulrich Scholten hat im Zuge seiner Bewirtungsaffäre am Donnerstagabend im Stadtrat um Entschuldigung gebeten und ebenso neue Regeln wie eine Spende angekündigt. Dennoch konnte er die meisten Mitglieder damit nicht besänftigten. Eine förmliche Missbilligung war die Folge.
Als der letzte Redner seinen Beitrag beendet hatte und Bürgermeisterin Margarete Wietelmann die Rednerliste für abgearbeitet erklärte, brandete im Mülheimer Stadtrat Applaus auf. Eine fast zweieinhalbstündige Debatte über die Bewirtungsbelege und Kalendereinträge des Oberbürgermeisters hatten doch spürbar Nerven gekostet.
Neue Erkenntnisse? Gab es nicht. Der OB konnte keine zusätzlichen Informationen liefern und handelte sich stattdessen eine offizielle Missbilligung des Rates ein. Und das gleich dreifach: für die Verstöße gegen die städtische Dienstvereinbarung in Sachen Sucht, für den bisherigen Umgang mit seinem Dienstkalender und für die Nichtanzeige seiner Nebentätigkeit im Aufsichtsrat der Mülheimer Wohnungsbaugenossenschaft.
Scholten entschuldigte sich vor den Politikern und den anwesenden Gästen. „Ich war so sehr damit beschäftigt, die viel zu langanhaltende politische Diskussion zu bewältigen, so dass ich in dieser Zeit die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger leider nicht mehr ausreichend wahrnehmen konnte“, sagte Scholten. Außerdem habe er es bei dienstlichen Veranstaltungen oder in Bewirtungssituationen an der nötigen Sensibilität fehlen lassen.
Für die Zukunft möchte er neue Spielregeln schaffen. Dem nächsten Finanzausschuss wird er Vorschläge für die Art der Ausgaben, Richtwerten, Prüfroutinen und Budgets unterbreiten. Die 3500 Euro, die sich nicht eindeutig den entsprechenden Dienstveranstaltungen zuordnen lassen, wird Scholten an den Kinderschutzbund, den Tierschutzverein und das Hospiz spenden.
Das konnte das Stadtoberhaupt aber auch nicht vor einer zweistündigen Dauerkritik bewahren. CDU-Fraktionschefin Christina Küsters nannte die mangelnden Informationen seitens des OB eine „eklatanten Enttäuschung“ und führte sich „an der Nase herumgeführt.“ Von „Vertuschung“, „Salami-Taktik“ und nicht nachgekommener Bringschuld sprach Jochen Hartmann, Fraktionsvorsitzender des Bürgerlichen Aufbruchs (BAMH). Seine Rücktrittsforderung aus der letzten Ratssitzung erneuerte er am Donnerstagabend. „Es kann kein weiter so geben, jetzt ist die Begrenzung des Schadens noch möglich“, meinte Hartmann.
Den größten Gegenwind erlebte Scholten aber ausgerechnet aus der SPD-Fraktion. Deren Vorsitzender Dieter Spliethoff hatte zuvor die Fraktionsdisziplin aufgehoben. Jeder sprach für sich. „Die Glaubwürdigkeit hat Schaden genommen und damit die ganze Politik“, meinte Spliethoff. Alexander Böhm fand es „äußerst seltsam, dass Termine nach sechs Monaten nicht mehr nachvollzogen werden können.“ Johannes Terkatz warf dem Oberbürgermeister „Organisationsversagen“ vor. Und für Daniel Mühlenfeld nähren viele Aspekte der Diskussion weitere Zweifel. „Ich fühle mich nur noch hinter die Fichte geführt“, so Mühlenfeld.
Wirkliche Fürsprecher hatte Scholten – anders als vor wenigen Tagen beim Bürgergespräch in der MüGa – nur wenige. SPD-Mann Jan Vogelsang sprach von einer „Hetzjagd“ und Grünen-Fraktionschef Tim Giesbert erinnerte, dass das Strafrecht nicht Sache des Stadtrates sei. „Außerdem haben wir viel größere Probleme in unserer Stadt“, meinte Giesbert. Auch Lutz Zimmermann (Mülheim 5vor12) wunderte sich: „Diskutieren wir auch beim Etat über 3500 Euro?“
Autor:Marcel Dronia aus Mülheim an der Ruhr | |
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