Rat der Stadt steht unter Druck
Mehrmals wurde der Beschluss über den Haushalt 2010, später den Doppelhaushalt 2010/2011, verschoben, jetzt hat Holger Olbrich von der Kommunalen Finanzaufsicht Oberbürgermeisterin Dagmar Mühlenfeld und somit auch den Fraktionen im Rat der Stadt quasi die Pistole auf die Brust gesetzt. Sollte sich in der Ratssitzung am Donnerstag, 7. Oktober, wiederholt keine Einigung zwischen den Parteien abzeichnen, drohten Konsequenzen (MW berichtete).
Als „Drohbrief auf Bestellung“ empfindet Peter Beitz, Fraktionschef der FDP Mülheim, das Schreiben der Bezirksregierung an Mülheims Oberbürgermeisterin. Und darum lasse er sich auch nicht unter Druck setzen, den Haushaltsentwurf der städtischen Verwaltung zu verabschieden. „Die FDP ist mit der CDU, der MBI und den Grünen zusammengerückt, um eine Alternative zu erarbeiten“, so der Fraktionschef. Gemeinsamkeiten konnten gefunden werden, auf Unterschiede sei man flexibel eingegangen. „Wichtig ist, das strukturelle Defizit der Stadt auch strukturell aus der Verwaltung heraus zu holen.“ Sprich: „Wer nur an Erhöhungen denkt, macht es sich zu einfach. Den Steuersatz auf Spitzenniveau zu erhöhen wäre beispielsweise falsch.“ Beitz hofft, die Verwaltung schlage einen anderen Weg ein.
Dass noch am Donnerstagnachmittag, 7. Oktober, der Doppelhaushalt 2010/2011 verabschiedet wird, darüber sind sich die Fraktionen - bis auf MBI und der Linken - einig. Das Zünglein an der Waage scheint nach Meinung des MBI-Fraktionssprechers Lothar Reinhard einzig die CDU zu sein.
Ähnlich sieht es FDP-Fraktionssprecher Peter Beitz. Auch wenn man enger mit der CDU zusammengerückt sei - „ich gehe davon aus, dass sie im Rahmen des Beschlusses wieder näher an die SPD heranrückt“. Nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, dass CDU und SPD in den letzten Tagen ein Konsenspapier erarbeitet haben, das alternativ zum Doppelhaushalts-Entwurf der Verwaltung verabschiedet werden könnte.
Und so hofft Wolfgang Michels, Fraktionssprecher der CDU, auf eine Einigung. „Wichtig ist, dass wir in Richtung Konsolidierung umsteuern. Dabei sollten sich Erhöhungen als auch Einsparmaßnahmen die Waage halten.“ Man könne schließlich nicht nur die Einnahmen erhöhen, zum Beispiel durch die ursprünglich geplanten Spitzensteuern oder die „Bettensteuer“, sondern müsse auch an anderer Stelle einsparen. Denn: „So geht es nicht weiter. Man kann nicht Geld ausgeben, das einem nicht gehört - und die Schulden an die nachfolgenden Generationen weitergeben“. Sollte über das Konsenspapier abgestimmt werden, hätte der Rat die Unterstützung der CDU.
Gute Chancen, dass der Doppelhaushalt noch am Donnerstag verabschiedet wird, sieht auch Dieter Wiechering, Fraktionssprecher der SPD. „Wir reden ständig über den Haushalt, haben gemeinsam mit der CDU ein Konsenspapier verfasst, das zur Abstimmung steht.“ Die von der Stadtverwaltung geplanten Spitzensteuern soll es in dieser Höhe nicht geben, vielmehr sieht das Schreiben eine eher moderate Erhöhung, zum Beispiel der Gewerbesteuer, vor. Und auch die Bettensteuer wird kategorisch abgelehnt. Allerdings, das macht Wiechering klar, würden auch die Bürger in Teilen die schlechte finanzielle Lage der Stadt zu spüren bekommen. Bestes Beispiel dafür ist unter anderem die Erhöhung der Parkgebühren, die zum 1. Oktober in Kraft trat. „Den Luxus, den sich die Stadt früher vielleicht mal leisten konnte, kann man sich in Zeiten knapper Kassen eben nicht mehr erlauben“, fasst Peter Beitz zusammen.
Glücklich, dass man von der Spitzen- und Bettensteuer abgerückt sei, zeigt sich MBI-Fraktionssprecher Lothar Reinhard. „Das Risiko, Gefahr zu laufen, dass Firmen aus Mülheim weggehen, ist einfach zu hoch.“ Statt die Einnahmen zu erhöhen, möchten sich die Mitglieder der Bürgerinitiative dafür einsetzen, die Ausgabenseite runterzuschrauben. Zwar könne man nicht von ein auf den anderen Tag alles dicht machen, nur um zu sparen, die Zusammenlegung der Dezernate, das Ausrichten nur eines Bürgerempfangs oder eine genauere Prüfung sinnvoller Investitionen wären aber immerhin schon ein Anfang. „Das Konsenspapier von CDU und SPD kann als Grundlage gesehen werden“, so der Fraktionssprecher, dennoch sei es ein Kompromiss für alle. „Wir hatten bisher eine vorläufige Haushaltsführung, ich gehe davon aus, dass es auch so bleiben wird.“
Eine ähnliche Vermutung äußert auch Gabriele Rosinski, Fraktionssprecherin von den Linken. „Ich glaube nicht, dass am Donnerstag ein Haushalt beschlossen wird. Ich finde das aber nicht schlimm.“ Schließlich hätte es einen Nothaushalt in Mülheim schon einmal gegeben. „Die Selbstbedienungsmoral mancher würde zurückgehen, zudem würden an anderer Stelle manche Anträge vielleicht besser geprüft werden.“ Dem Entwurf der Verwaltung jedenfalls würde sie nicht zustimmen, dem Konsenspapier stünde sie skeptisch gegenüber. „Es wird an falscher Stelle gespart, gerade in den sozialen Bereichen wird zuviel gestrichen.“ Die Erhöhungen träfe vor allem die sozial Schwachen, eine Konsequenz, die Rosinski nicht unterstützen könne.
„In sozial-, Kinder-, jugend- und familienpolitischen Bereichen sehen wir in dem Konsenspapier noch ein dickes Minus“, stimmt Annette Lostermann-DeNil, stellvertretende Fraktionssprecherin von Bündnis 90/Die Grünen zu, „ebenso bei der Freibadschließung“. Würden ökologische Fragestellungen mehr berücksichtigt und mehr Transparenz geboten werden, könnte sie sich vorstellen, dem Konsenspapier zuzustimmen. Allerdings sollte in ihren Augen die Gewerbesteuer besser ziehen, um eine merkliche Mehreinnahme zu erzielen. „Abwarten, was sich während der interfraktionellen Sitzungen am Mittwoch und der Ratssitzung am Donnerstag ergeben.“
Sollten die Mitglieder des Rates den Doppelhaushalt 2010/2011 nicht beschließen, drohen Konsequenzen: Laut der §§ 121 ff. der Gemeindeordnung NRW könnte die Bezirksregierung zunächst eine Frist für den Beschluss festsetzen. Wird diese nicht eingehalten, könnte die Bezirksregierung den Beschluss auf Kosten der Stadt selbst durchführen. Reichen diese Befugnisse nicht aus, könnte das Innenministerium einen Beauftragten bestellen, der die Aufgaben der Gemeinde wahrnimmt. In letzter Konsequenz könnte laut §125 der Gemeindeordnung NRW das Inneministerium durch Beschluss der Landesregierung ermächtigt werden, einen Rat aufzulösen, wenn er beschlussunfähig ist oder seinen Gemeindeaufgaben nicht nachkommt.
Bleibt also abzuwarten, ob sich die Ratsmitglieder am Donnerstag auf einen Doppelhaushalt 2010/2011 einigen können oder das Risiko eingehen, das Zepter über die Finanzen der Stadt Mülheim aus der Hand zu geben. Mehr zu der Ratssitzung lesen Sie in der MÜLHEIMER WOCHE von Samstag, 9. Oktober, oder auf lokalkompass.de/muelheim.
Autor:Lisa Peltzer aus Oberhausen |
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