Aufgrund der Entscheidung des Stadtrates kann die VHS Bergstraße erst einmal nicht saniert werden
Quo vadis, Mülheim?

Das VHS-Gebäude an der Bergstraße wird weiter auf seine Sanierung warten müssen. 
Foto: Henschke
  • Das VHS-Gebäude an der Bergstraße wird weiter auf seine Sanierung warten müssen.
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Vor der Tür protestierende Schüler, drinnen eine bizarre Situation und eine Frage: Quo vadis, Mülheim? Kämmerer Frank Mendack nahm das ungewöhnliche Abstimmungsergebnis zu Kenntnis und verkündete nüchtern: „Damit gibt es keine neue Prioritätenliste. Also kann der Planungsbeschluss zur VHS-Sanierung nicht beschlossen werden.“

Auf ihrem Weg in den Ratssaal mussten die Volksvertreter durch ein Spalier gehen. Schüler der Gesamtschule Saarn machten auf die desaströse bauliche Situation ihres Lehrinstitutes aufmerksam. Mit Fotos von maroder Bausubstanz, mit bösen Blicken und Plakaten mit Sprüchen wie „Sanierung for future“ oder „Bildung top – Gebäude flop“. Angesichts der besonderen Lage schlug SPD-Mann Dieter Spliethoff vor, dem Vorsitzenden der Saarner Schulpflegschaft Rederecht einzuräumen. Das wurde gewährt und Alexander Bösken nutzte unter donnerndem Applaus von den Zuschauerrängen die Gelegenheit für einen flammenden Appell: „Wir sind beschuldigt worden, uns vor den Karren der VHS-Gegner spannen zu lassen. Dem ist nicht so. Das sind alles Schüler, die über GMV verfügen. Über gesunden Menschenverstand. Wir sind weder gegen die VHS noch gegen den Standort. Aber wir treten ein für eine sinnvolle und zielgerichtete Verteilung der Gelder. Wir waren mehr als geduldig und sind extrem flexibel. Aber die Gebäude sind abgenutzt. Da geht nichts mehr.“ Das Wasser rinne die Wände herunter, Schimmelstellen seien mit Panzertape überklebt, man sei inzwischen Meister der Improvisation: „Wir von der Gesamtschule Saarn möchten, dass unsere Interessen verstanden und vertreten werden. Stimmen Sie für Bildung.“

Investitionsprogramm

Das Investitionsprogramm des ImmobilienServices wird regelmäßig überprüft und in einer sogenannten Prioritätenliste fortgeschrieben. Wann sollen welche Maßnahmen mit welchem Personalaufwand umgesetzt werden? Mit dem Haushalt hatte der Stadtrat am 7. November auch die Fortschreibung dieses Investitionsprogramms beschlossen. Bei einer derart klammen Kommune wie Mülheim allerdings unter dem Vorbehalt, dass die Kommunalaufsicht den Haushalt überhaupt genehmigt. Dazu hatte sich auch Holger Olbrich von der Bezirksregierung Düsseldorf gemeldet. Als Kommune im Stärkungspakt könne Mülheim freiwillige Maßnahmen mit zusätzlichen Belastungen  nur dann finanzieren, wenn im entsprechenden Umfang auf andere freiwillige Maßnahmen verzichtet werde. Der Weg ist also vorgezeichnet: Für jede zusätzlich Ausgabe müssen andere in gleicher Höhe entweder komplett gestrichen oder zumindest zeitlich nach hinten geschoben werden. Zusätzliche Ausgaben werden durch den Bürgerentscheid vom 6. Oktober fällig. „Erhalt unserer VHS in der MüGa“ war erfolgreich und überstimmte den entsprechenden Ratsbeschluss.

Schmerzhafte Entscheidungen

Um die in einem Gutachten als notwendig beschriebenen Maßnahmen zur Wiederaufnahme des Betriebes an der Bergstraße in Kostenhöhe von 22,5 Millionen Euro aber finanzieren zu können, muss die Finanzierung anderer Projekte geschoben werden. Die Verwaltung hatte deutlich gemacht, welche Projekte von der Liste das sein könnten: Mensa und Sporthalle der Gesamtschule Sarn, das Friedrich-Wennmann-Bad, die Martin-von-Tours-Schule, die Grundschule Trooststraße, da besonders das WC-Gebäude. Die Katholische Grundschule Schildberg, die Lierbergschule und die Grundschule Filchnerstraße. Eine Liste des Schreckens. Wer möchte da schon verantwortlich sein? Der zuständige Schuldezernent Marc Buchholz erklärte, die bisherige Liste sei trotz schmerzhafter Entscheidungen ein Konsens zwischen den Beteiligten: „Doch durch den Bürgerentscheid ist das in Unwucht gekommen. Die beteiligten Schulen begeben sich in einen neuen Wettbewerb.“ Er meinte wohl erbitterte Verteilungskämpfe um die wenigen Finanzmittel.
Kämmerer Frank Mendack verdeutlichte, dass alles andere als die im Gutachten vorgeschlagene Lösung unwirtschaftlich sei: „Das Haus wird schon 40 Jahre genutzt. Das kann man nicht ignorieren. Es geht nicht nur um Brandschutz, sondern auch um Schadstoffsanierung, Sanierungen der Elektrotechnik, Lüftungsanlage, Trinkwasserhygiene, der Dächer und der Heizungsanlage. Bei Teilsanierung können sie vielleicht ein halbes Jahr gewinnen, haben dann aber die VHS als Dauerbaustelle. Außerdem müssten dann in einem zweiten Schritt bereits im ersten Schritt ausgeführte Maßnahmen wieder zerstört und neu ausgeführt werden. Daher kann nur die vom Gutachten beschriebene Sanierung erfolgen.“

Ein eisiger Wind

Nun sollte die Politik mit einer Abstimmung den Weg frei machen für eine Sanierung der VHS in der MüGa. Doch plötzlich wehte im ehrwürdigen Ratssaal ein eisiger Wind. Man müsse und werde dem Willen der Bürger natürlich folgen. Doch die dafür notwendigen schmerzhaften Entscheidungen solle doch bitte derjenige vornehmen, der in der politischen Verantwortung sei. Und plötzlich sahen sich MBI und „Wir aus Mülheim“ in die Ecke gedrängt. Sie hatten den Antrag gestellt, den Planungsbeschluss zur Umsetzung des Bürgerentscheids zurückzustellen. Anstelle des PSPC-Assmann-Gutachtens als Grundlage solle umgehend Architekt Dietmar Teich Zugang zur von ihm gebauten VHS an der Bergstraße bekommen. Zusammen mit dem von ihm angebotenen renommierten Sachverständigen werde Teich dann ein kostengünstiges, fach- und sachgerechtes Konzept zur Umsetzung des Bürgerentscheids wie versprochen auf eigene Kosten erstellen. Ihr Vorschlag fand keinen Zuspruch. Im Gegenteil, denn Dieter Spliethoff rief ihnen zu: „Willkommen in der Realität.“ Der VHS-Bürgerinitiative und ihren politischen Unterstützern gehe es in Wirklichkeit um schnöde Machtpolitik. Und nun müssten sie eben dafür gerade stehen. Die SPD werde sich jedenfalls enthalten. CDU-Sprecherin Christina Küsters hieb in dieselbe Kerbe: „Ich kann es nicht mehr hören, dass hier die Bürger gegeneinander ausgespielt werden sollen. Wir sind Stärkungspakt-Kommune. Das Geld kann nur einmal ausgegeben werden.“ Die Liste der Verschiebungen sei absolut fatal: „Wir machen nicht ihre Drecksarbeit.“

Soll der Architekt ins Gebäude?

Lutz Zimmermann vom Bündnis für Bildung regte an, das Verfahren zu schieben und zunächst einen Runden Tisch aller Beteiligten durchzuführen. Solch eine Beteiligung der Bürger sei in anderen Städten durchaus erfolgreich. Peter Beitz betonte, für die FDP sei Erstausbildung wesentlich wichtiger als Fortbildung. Lothar Reinhard von MBI entgegnete, hier werde so getan, als gebe es keine Alternative zur teuren Lösung. Architekt Teich solle Zugang bekommen und werde ein Konzept erstellen, dass eben keine Totalsanierung in einem Zug sei: „Es muss also nicht das ganze Geld auf einmal ausgegeben werden. Wir wollen die verschiedenen Bereiche von Bildung nicht gegeneinander ausspielen.“ Der Grüne Tim Giesbert meinte, Erwachsenbildung sei ein hohes Gut. Aber die VHS sei in der Aktienstraße doch gut untergebracht: „Oberste Priorität hat die Bildung von Kindern und Jugendlichen. Es gibt Kräfte im Rat, die den VHS-Entscheid unterstützten. Jetzt versuchen sie, sich mit allen Mitteln zu drücken.“ Jochen Hartmann vom BAMH konstatierte: „Eine trostlose Situation, in der sich die Stadt Mülheim aufgrund des Bürgerentscheides befindet.“ Heiko Hendriks legte nach: „Wenn der Bürgerentscheid nicht gekommen wäre, wäre die Schulsanierung oberste Priorität gewesen. Jetzt wird uns ein Strich durch die Rechnung gemacht durch die Entscheidung Weniger, begleitet durch Populisten vom linken Rand.“ Was Cevat Bicici so nicht stehen lassen wollte: „Was Sie seit Jahrzehnten vernachlässigt haben, soll nun die Schuld Einzelner sein? Hier werden Erwachsenenbildung und Schulbildung auf dem Rücken der Bürger gegeneinander ausgespielt.“

Vorlage wurde abgelehnt

Nun ging es ans Eingemachte. Zur Umsetzung des Bürgerentscheides sollten die 53 anwesenden Stimmberechtigen die notwendigen Verschiebungen beschließen. Die Enthaltungen von BAMH, Bündnis für Bildung, CDU, FDP, Grüne und SPD waren angekündigt. Die drei Vertreter von MBI und Cevat Bicici waren nun das Zünglein an der Waage. Sie hatten aber im Vorfeld deutlich gemacht, dass sie in keinster Weise zustimmen wollten. Mit vier Nein-Stimmen und 49 Enthaltungen wurde die Vorlage also abgelehnt. Es sind also keine Gelder frei für eine Sanierung des VHS-Gebäudes an der Bergstraße. Frank Mendack fand als Erster seine Fassung wieder und stellte klar, dass er keine neue Vorlage schreiben möchte. Die Verwaltung habe doch gezeigt, wie es gehe. Nun müsse die Politik sich einigen.
Quo vadis, Mülheim?

Autor:

Daniel Henschke aus Essen-Werden

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