Die Fraktionsvorsitzenden Dieter Spliethoff (SPD) und Jochen Hartmann (BAMH) wurden abgestraft
Politisches Beben in Mülheim

Noch ist Dieter Spliethoff SPD-Fraktionsvorsitzender im Mülheimer Stadtrat.
PR-Foto Koehring/SM
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  • Noch ist Dieter Spliethoff SPD-Fraktionsvorsitzender im Mülheimer Stadtrat.
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Im September ist die Kommunalwahl. Die ersten Verlierer scheinen allerdings bereits jetzt festzustehen. Die meinungsfreudigen Fraktionsvorsitzenden Jochen Hartmann und Dieter Spliethoff werden wohl dem nächsten Stadtrat nicht mehr angehören.

In zufällig parallel stattfindenden Sitzungen wurde den altgedienten Politikern ziemlich überraschend die Gefolgschaft verweigert, beide verließen ihre Versammlung vorzeitig. Die Mülheimer Woche hakte nach. Wie geht es Jochen Hartmann (BAMH) und Dieter Spliethoff (SPD) jetzt? Haben Sie schon realisiert, was da passiert ist? Mit etwas Abstand analysieren beide Kommunalpolitiker für sich die Vorgänge. Beide hatten dumpfe Vorahnungen, hätten aber die Art und Weise nie erwartet. Zumindest einer der beiden „alten Politikhasen“ spricht ausdrücklich von einer Intrige.

Die Causa Spliethoff

Bei der SPD ging es im Ortsverein Dümpten um die Wahl von Direktkandidaten für fünf Kommunalwahlbezirke. Erst habe der stellvertretende Vorsitzende Filip Fischer ihm im Vorstand das Misstrauen ausgesprochen: „Den habe ich übrigens in den Ortsverein geholt.“ Die Forderung nach geheimer Wahl ausgerechnet für seinen Wahlkreis sei schon verdächtig gewesen, sagt Dieter Spliethoff: „An dem Abend saßen da im Wesentlichen unsere älteren Mitglieder. Da war klar, wo das Schiff hinfährt. Filip Fischer darf natürlich für Mehrheiten werben, das ist sein gutes demokratisches Recht.“ Aber nun sei er überzeugt, dass Fischer „auf das Übelste“ gegen ihn intrigiert habe. Vor den Wahlen gab es eine große Aussprache. Dort wurde Spliethoff Fehlverhalten vorgeworfen, etwa beim „Putschversuch“ gegen den Oberbürgermeister: „Die Causa Scholten wurde dargestellt als Causa Spliethoff. Auf die Idee muss man erst einmal kommen. Das ist eine Frechheit und eine glatte Lüge.“ Auch seine Haltung zur Zukunft einer Seniorenbegegnungsstätte in Dümpten wurde ihm vorgehalten: „Dabei hatte ich da überhaupt nichts mit zu tun. Doch da wurde mir ein Strick draus gedreht.“ Das hätte er unter der Hand klären müssen, sei ihm sinngemäß angedeutet worden: „Für Geschäftlhuberei bin ich aber nicht zu haben. Erst kommt die Stadt, dann lange nix, und dann erst die Partei.“

„Die sehen mich nie wieder“

Selbst ohne Gegenkandidat wurde Spliethoff mit 16:19 Stimmen abgelehnt. Für ihn das Signal, sofort nach Hause zu gehen: „Ich muss mich dem nicht aussetzen.“ Mit ihm verließ übrigens auch Altministerpräsidentin Hannelore Kraft den Saal. Und zwar wutentbrannt, berichtet Spliethoff: „Ich habe massive Unterstützung von Hannelore bekommen, auf die aber keiner gehört hat. Zurückzuschauen hätte an dieser Stelle keinen Sinn. Vielmehr sei nun Geschlossenheit gefragt. Doch nun ist die alte Situation wieder hochgekocht. Diese Unruhe wird der Partei nicht guttun.“ Jetzt stellt Spliethoff seiner Ratsfraktion die Vertrauensfrage: „Ich gehe aber davon aus, dass ich die Fraktion hinter mir habe.“ Erste Konsequenzen sind gezogen: „Ich bin aus meinem Ortsverein ausgetreten. Die sehen mich nie wieder. Ich wechsle in den Ortsverein Heißen-Heimaterde.“ Ende Oktober ist dann auch Schluss mit der Ratsarbeit: „Das Thema ist durch.“ Dieter Spliethoff war zum Beispiel über 20 Jahre lang Vorsitzender des Jugendhilfeausschusses: „Das hat mein Leben sehr bestimmt. Ich habe Bock auf Kommunalpolitik, aber nur auf Sachthemen.“ Zu Machtspielchen habe er keine Lust. Den Rest gab ihm wohl die Mitteilung des Ortsvereins, dass der eigentlich für Mellinghofen gewählte Filip Fischer nun seinen Wahlbezirk Dümpten-Süd „eingetauscht“ habe: „Man hat es nicht einmal nötig gehabt, mich in diesem Zusammenhang zu erwähnen. Das finde ich menschlich unanständig.“

Geheime Absprachen?

Im Jugendzentrum Nordstraße wurde also der erste Fraktionsvorsitzende abserviert.
Im Gesellenhaus in der Altstadt ging es derweil beim Bürgerlichen Aufbruch Mülheim seinem Kollegen an den Kragen. Jochen Hartmann wurde nicht wie geplant an Nummer Eins der Reserveliste gewählt: „Ich war sehr überrascht, um es vorsichtig zu formulieren.“ Es fing alles ganz harmlos an. Mit fast hundert Prozent wurde Hartmann als Direktkandidat für den Wahlbezirk Dümpten-Nordost gewählt: „Derzeitiger Stand werde ich da auch antreten.“ Doch dann ging es an die Reserveliste. BAMH-Spitzenkandidat sollte Hartmann werden, fiel aber bei geheimer Wahl mit 13:17 Stimmen durch: „Es gab zumindest für mich keine erkennbare Vorgeschichte. Daher war ich ja auch so baff.“ Hartmann wittert geheime Absprachen. So habe der im Herbst als Ratsherr ausscheidende Versammlungsleiter Frank Blum nach einer kurzen Sitzungsunterbrechung plötzlich verkündet, dass nun alle Kandidaten eine Position nach vorne rutschen würden. So war nun Ramona Baßfeld neue Spitzenkandidatin: „Da bin ich gegangen. Sowas brauche ich mir nicht anzutun.“

Komisches Gefühl

Über die Gründe für seine Wahlschlappe muss Hartmann nicht lange grübeln: „Ich ecke nun mal an bei dem einen oder anderen. Jeder Mensch hat seine Fehler.“ Er halte es da mit Franz Josef Strauß: Aus jedermanns Liebling werde letztlich doch nur jedermanns Depp. „Daher hatte ich auch nicht mit einem großartigen Ergebnis gerechnet. Aber an diesem Abend haben da plötzlich Leute gesessen, die ich noch nie beim BAMH gesehen habe. Da hatte ich schon ein komisches Gefühl, was sich hinterher auch bestätigt hat.“
Was nun? Jochen Hartman drückt sich vorsichtig aus: „Ich habe das Wahlergebnis zur Kenntnis genommen.“ Aber auch akzeptiert? Er ist als Kämpfer bekannt. Viele Menschen hätten ihn in den letzten Tagen angerufen, selbst Vertreter anderer Parteien. Da habe übrigens kein Einziger gesagt: „Gut, dass Du weg bist.“ Ansonsten stehe er bis Ende Oktober der Ratsfraktion vor: „Es sei denn, es käme in der Fraktion zu einer anderen Entscheidung.“

Noch ist Dieter Spliethoff SPD-Fraktionsvorsitzender im Mülheimer Stadtrat.
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Jochen Hartmann wurde überraschend nicht Spitzenkandidat des BAMH.
Foto: BAMH
Autor:

Daniel Henschke aus Essen-Werden

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