Offener Schlagabtausch
Monatelang schwieg Oberbürgermeisterin Dagmar Mühlenfeld bei der Diskussion zum Bildungsentwicklungsplan, „um den Prozess nicht zu stören“. Wohl eine Anspielung auf das Aus der Zukunftsschule, beschlossen von einem Bündnis aus CDU, Grüne, FDP und MBI, das auch als Schlag gegen die OB interpretiert wurde.
Jetzt steht der Bildungsentwicklungsplan kurz vor seiner Verabschiedung. Und die Oberbürgermeisterin will nicht mehr schweigen. Denn was die vier Parteien als gemeinsames Papier vorgestellt haben, „wirft Mülheim um mindestens 15 Jahre zurück“, warnt Dagmar Mühlenfeld.
Jahrelang war Mülheim Motor im Land beim Thema Bildungspolitik. Davon sei inhaltlich nichts mehr übrig geblieben, beklagt die ehemalige Schulleiterin, die sich die Bildung als zentrales Thema auf die Fahne geschrieben hat. Kaltgestellt worden sei die Oberbürgermeisterin, so Stadtkanzleileiter Frank Mendack.
Die Parteienmehrheit reduziere den Bildungsentwicklungsplan auf eine reine Standort- und Ausstattungsfestlegung. Dabei gebe es in kaum einer anderen Stadt eine so differenzierte Datenerhebung zu der Entwicklung der Kinder in den Stadtteilen - nur seien diese entweder nicht mit einbezogen oder ignoriert worden.
In Styrum und Eppinghofen gibt es einen besonderen Förderbedarf für Kinder - das ist nach dem Familienbericht allgemeiner Konsens. Diese Tatsache schlage sich aber nicht in dem Antrag von CDU, Grüne, FDP und MBI zum Bildungsentwicklungsplan nieder, beklagt Oberbürgermeisterin Dagmar Mühlenfeld.
Vor allem Eppinghofen sei der Verlierer. Die Hauptschule soll geschlossen und die Grundschule nur noch als Teilstandort geführt werden. Große Investitionen in das Gebäude werden abgelehnt, nur eine Teilsanierung ist vorgesehen. Die Einrichtung eines frühkindlichen Förderzentrums ist an Fördermittel von Land und Stiftungen gekoppelt. Damit, so die OB, werde Eppinghofen abgehängt.
Der Verwaltungsvorschlag hingegen, im Verwaltungsvorstand kontrovers diskutiert, sehe zwei frühkindliche Förderzentren an der Zunftmeisterschule und in Eppinghofen aus eigenen Mitteln vor und den Ausbau der Grundschule zur Dreizügigkeit. „Eppinghofen ist einer der Stadtteile, der sogar noch wachsen wird. Es wird mehr Kinder geben, und nicht weniger“, unterstreicht die Oberbürgermeisterin. „Ich war noch nie eine Verfechterin der Hauptschule, aber ich halte eine Schule mit Sekundarstufe in Eppinghofen für wichtig.“ Wie sehr Eppinghofen ins Hintertreffen geraten sei, drückten auch die Zahlen aus. Die Stadt hatte sechs Millionen Euro, die für die Sanierung der Schulgebäude an der Bruchstraße vorgesehen war, als Eigenanteil für die Zukunftsschule eingeplant. Diese sechs Millionen werden nun in andere Schulstandorte investiert, „davon sieht Eppinghofen nichts mehr“. Nicht einmal 5000 Euro für eine Zukunftswerkstatt wie in Styrum habe man davon verwenden wollen.
Die Zahlen und Fakten, mit dem das Viererbündnis argumentiere, seien zudem falsch. So war das Hauptkriterium der Parteien die Unterversorgung mit Lehrern durch zu kleine Klassen. Nach Aussage der Schulrätin Christa Stocks, die bei den Beratungen nicht eingebunden war, gebe es in Mülheim in den letzten Jahren sogar eine Überversorgung.
Auch die Aussagen, unter anderem von Inge Göricke, der bildungspolitischen Sprecherin der Grünen, eine Gemeinschaftsschule erfordere mindestes drei Züge und käme als Option für die Bruchstraße deshalb nicht in Frage, sei falsch. „Ministerin Löhrmann hat mir versichert, dass es dieses feststehende Kriterium nicht gebe. Das Land wolle passgenaue Lösung für die einzelnen Kommunen und zeige sich dabei flexibel“, betont Mühlenfeld.
Während in der Verwaltungsvorlage zwar eine eigentümliche Trennung herrsche zwischen dem inhaltlichen Teil und dem Standortteil, werde ersterer in dem Antrag des Viererbündnis komplett eliminiert. Das Fazit der Oberbürgermeisterin: Der Beschluss des Antrages wäre eine fatale Fehlentscheidung, die die Stadt langfristig teuer zu stehen käme.
Eine ähnliche Position wie die Oberbürgermeisterin vertritt auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Stadtverband Mülheim (GEW). Auch kleinere Grundschulen erfüllten in Mülheim ihre Stundentafel. Und auch wenn das Schulgesetz zweizügige Grundschulen vorsehe, dürften einzelne Jahrgänge auch einzügig sein, ohne dass die Schule sofort schließen müsste. Zudem beklagt die Gewerkschaft die fehlende politische Unterstützung für den Wunsch der beiden Hauptschulen, Gemeinschaftsschule zu werden. Ohne strukturelle Änderungen ließen sich keine bildungspolitischen Akzente setzen.
Das Viererbündnis hat sich nach der öffentliche Schelte der Oberbürgermeisterin schnell zu Wort gemeldet. Die Kritik der OB sei nicht nachzuvollziehen. Schließlich haben die im Antrag der vier Fraktionen genannten Maßnahmen lediglich die Maßnahmenplanung ersetzt, die die Verwaltung im Bildungsentwicklungsplan vorgegeben habe - durchaus zugunsten von Schulen wie in Saarn, wo die Saarnbergschule als Teilstandort zunächst erhalten werden soll. Die bildungspolitische Weichenstellung wie der Inklusionsplan würden durchaus zur Fortentwicklung des Bildungsstandards beitragen.
Insbesondere das von den vier Fraktionen beantragte Frühkindliche Förderzentrum stelle eine wichtige Investition in die Zukunft des Stadtteils Eppinghofen dar. Mit der Bildung von Teilstandorten stelle die Politik die Sicherheit her, dass Kinder ihre Grundschulzeit an der Schule zu Ende bringen können, an der sie auch gestartet haben. Man könne zum Schluss kommen, dass die SPD nur noch Politik für Eppinghofen mache und die zahlreichen Familien in anderen Stadtteilen längst aus dem Blick verloren habe. Zum Vorwurf, die OB kaltgestellt zu haben, kontert das Bündnis: Wechselnde Mehrheiten gehörten eben zu einer lebendigen Demokratie.
Autor:Regina Tempel aus Mülheim an der Ruhr |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.