Mülheims Pleite rückt näher

Foto: Walter Schernstein

„Wir schreien laut um Hilfe, aber niemand hört uns“, beklagt Kämmerer Uwe Bonan vor Einbringung des Etats für 2013 am Donnerstag die Situation. Denn nicht nur, dass Mülheim trotz einer der höchsten Pro-Kopf-Verschuldung in NRW nicht vom Stärkungspakt der Kommunen profitiert, die Ruhrstadt muss die Hilfe für die Kommunen in der Stufe 2 sogar mitfinanzieren.

Für die Jahre 2010/2011 wurden zwar schon 216 Einsparmaßnahmen beschlossen, aber viele davon greifen erst noch. Außerdem werden sie nicht reichen, bis 2020 einen ausgeglichenen Haushalt zu erreichen. Im Gegenteil: „Wir müssen jetzt strikt gegensteuern, denn unser Eigenkapital reicht bald nicht mehr. Ohne weitere Sparmaßnahmen könnte bereits 2019 die Überschuldung drohen. Dann sind die Ausgaben nicht mehr durch entsprechendes Eigenkapital abgedeckt“, so Bonan.

Nicht nur die fehlende Teilnahme am Stärkungspakt tut Mülheim weh - 250 Millionen Euro hätte die Ruhrstadt bekommen. Der letzte Tarifabschluss ist durch keine Gegenfinanzierung gedeckt, und auch die Einnahmen durch die Gewerbesteuer befinden sich weiter „im Sinkflug“. „Wir sind leider abhängig von wenigen großen Firmen, so dass sich Schwankungen extrem auf unsere Einnahmen auswirken“, erklärt Bonan. Sprengstoff sieht er auch im möglichen Zinsanstieg. Denn die Kassenkredite steigen in 2013 voraussichtlich auf 775 Millionen Euro an, alleine für die Zinsen - noch auf niedrigem Stand - muss Mülheim dann 17,8 Prozent des Defizits aufwenden.

Einzig positive Entwicklung: Durch die sinkende Steuerkraft erhält Mülheim mit 66,30 Millionen Euro Schlüsselzuweisungen vom Land rund 20 Millionen mehr als noch 2012. Aber auch weiterhin, so Bonan, müssten die Kommunen bei Land und Bund darauf pochen, dass gesamtgesellschaftliches Aufgaben nicht von den Städten geschultert werden müssen. So sei die vollständige Übernahme der Grundsicherung im Alter ein erster richtiger Schritt, der Mülheim ab 2014 12, 7 Millionen Euro Ersparnis bringt. Aber die nächste Falle droht nun die Inklusion zu werden: Die Regierung versucht, per Gesetzesentwurf die Kosten für die beschlossene Integration behinderter Schüler in den Schulalltag wieder auf die Städte abzuwälzen.

Um handlungsfähig zu bleiben, müsse Mülheim auch für 2013 ein Haushaltssicherungskonzept (HSK) auf die Beine stellen, das die Bezirksregierung genehmigt. Sonst drohen harte Maßnahmen: Beförderungsstop der Beamten, jede Investition muss einzeln genehmigt werden, freiwillige Leistungen, die einen guten Teil der Lebensqualität in dieser Stadt ausmachen, können nicht ausgeweitet oder neu eingeführt werden.

Deshalb schlägt der Kämmerer zusätzlich zu den 216 bereits beschlossenen Einsparmaßnahmen weitere 39 vor. Dazu gehört die Optimierung der Gebäudereinigung. Hier wäre eine verstärkte Fremdvergabe zu prüfen. Einsparpotential: 1,2 Mio Euro bis 2023. Eine verstärkte Kooperation von Bibliothek, Kunstmuseum, Musikschule, VHS, Ringlokschuppen, Theater und Stücke könnte ähnlich hohe Einsparungen bringen.

Weiterhin soll bis 2015 einschließlich der Betrieb des Naturbades durch die PIA geprüft werden. Bei Unwirtschaftlichkeit droht dann 2016 die Schließung. Sozialleistungen wie Zuschüsse für Vereine könnten gekürzt werden. Der Wegfall der Ge-schwisterermäßigung für Kitas und Ganztagsbetreuung könnte 730.000 Euro einsparen. Konsolidierungsmaßnahmen in den Eigen-und Beteiligungsgesellschaften sind mit 800.000 Euro veranschlagt. Den größten Beitrag dafür soll die Wirtschaftsförderung bringen, die sich auf die Kernaufgaben konzentrieren soll. Auch eine Fusion mit der Stadtmarketing wäre denkbar.

Ohne zusätzliche Einnahmen aber lasse sich der Haushalt nicht ausgleichen. Und dafür müssten Steuern erhöht werden, so Bonan. Die Verwaltung schlägt eine Anhebung der Gewerbesteuer von 480 auf 490 Pozent für 2013 vor, sukzessive bis 580 Prozent ab 2021. Auch die Grundsteuer sollte 2013 von 530 auf 590 Prozent angehoben werden, ab 2015 womöglich auf 640 Prozent. Damit läge man in ähnlichen Bereichen wie die Nachbarstädte. Vermeiden ließen sich solche Erhöhungen, wenn Bund und Land den Städten Kosten für gesamtgesellschaftliche Aufgaben abnehmen würden. Dauerhaft muss Mülheim 93 Millionen Euro jährlich einsparen.

Autor:

Regina Tempel aus Mülheim an der Ruhr

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