Dicke Luft nach der Straßensanierung
Kostenexplosion an der Kolumbusstraße
In NRW müssen sich die Anlieger im Vergleich zu einigen anderen Bundesländern an den Kosten für den Straßenausbau vor der eigenen Haustür beteiligen. Den Anwohnern an der Kolumbusstraße zwischen den Häusern 55 bis 89 ist das durchaus bewusst. Doch nach der Sanierung ist die Empörung groß. Bis zu 8500 Euro sollte die Baumaßnahme ursprünglich kosten, mittlerweile werden von der Stadt Mülheim — als Auftraggeberin des Bauunternehmens — bis zu 13 500 pro Haus verlangt. Die Stadtverwaltung hat nun einen Vorschlag zur Güte gemacht.
„Wir haben dem Beitragsbescheid widersprochen. Zudem haben wir in einem Schreiben an den Oberbürgermeister darum gebeten, einem Musterverfahren eines Anliegers zuzustimmen und den Richterspruch für alle Beteiligten anzufechten“,
sagte Wolfgang Hausmann, einer der Sprecher der Anliegergruppe. Eine Musterfeststellungsklage bietet die Möglichkeit, Ansprüche von geschädigten Verbrauchern ohne großen (finanziellen) Aufwand durchsetzen zu können.
Peter Vermeulen, Beigeordneter für Umwelt, Klima und Bauen der Stadt Mülheim, meinte dazu:
„Im deutschen Recht ist die Musterklage grundsätzlich nicht vorgesehen. Dennoch habe ich den Vorschlag mit dem Oberbürgermeister besprochen. Im Hinblick auf die angesprochenen Rechnungsprüfungsfragen werden wir ein Musterverfahren ausnahmsweise ermöglichen.“
Vermeulen stellt aber auch klare Bedingungen auf: Der Widerspruch muss zurückgezogen werden. Die Beteiligten an der Musterklage geben eine Erklärung ab, dass sie sich an dem Verfahren beteiligen und die Ergebnisse des Verfahrens bedingungslos akzeptieren. Und sie erklären, bei einem späteren Wiederaufgreifen der Bescheide gegen die neuen Bescheide auf erneute Widersprüche zu verzichten. Die Stadt würde die Beitragsforderungen bis zum Abschluss des Musterverfahrens stunden.
Ein Blick zurück: Am 24. November 2016 fand eine Bürgerversammlung mit mehreren Vertretern aus dem Amt für Verkehrswesen und Tiefbau sowie Bezirksbürgermeister Arnold Fessen statt. Die Kosten für die Straßenbaumaßnahmen wurden auf 6000 bis 8500 Euro je Anlieger geschätzt. Der Beschluss wurde am 10. März 2017 in der Bezirksvertretung 1 gefasst. Zwei Monate später ging ein Gutachten mit dem Titel „Untersuchung des Gehweg- und Fahrbahnaufbaus Kolumbusstraße“ ein. Mitte August folgte eine neue Kostenschätzung: 9000 Euro pro Anwohner. Der Grund: Mehrere Bodenproben hatten ergeben, dass 200 Tonnen mit Schadstoffen belastetes Material im Boden lagerten. Zwischen November und Anfang Februar 2018 wurden die Straßenbauarbeiten durchgeführt. Die Kosten konnten nicht gehalten werden. Es hieß, dass auf der Strecke von knapp 300 Metern nicht 200 Tonnen, sondern 880 Tonnen schadstoffbelastetes Material abgetragen werden musste. Die Mehrkosten dafür betrugen allein schon etwa 40 000 Euro. Nun sollen die Anwohner zwischen 9000 und 13 500 Euro hinlegen. Dies ergibt sich aus der Regelung, dass die Anlieger 70 und die Stadt 30 Prozent der Rechnung bezahlen müssen.
Musterklage angestrebt
„In der Regel gelingt es, die Arbeiten so gut einzuschätzen, dass größere Überraschungen beim Ausbau der Straße ausbleiben. In seltenen Fällen stellt sich aber heraus, dass die vor Ort angetroffenen Verhältnisse doch in höherem Maß von den bei der Planung unterstellten Verhältnissen abweichen. Leider war das bei der Baumaßnahme an der Kolumbusstraße der Fall. Es stellte sich heraus, dass deutlich mehr schadstoffbelastetes Material anfiel, als nach dem Bodengutachten kalkuliert worden war. Zudem wurde während des Bauablaufes entschieden, anstelle des eigentlich vorgesehenen Recycling-Materials zum Teil hochwertigerer Kalksteinschotter eingebaut wird, um mögliche Verdichtungsprobleme zu vermeiden“, erklärt Peter Vermeulen. Er ergänzt:
„Vor dem Baubeginn erhalten die Grundstückseigentümer Informationsschreiben vom Amt für Verkehrswesen und Tiefbau. Darin steht, dass bei unerwarteten Schwierigkeiten im Bauablauf der endgültige Beitrag deutlich von dem ursprünglich genannten Betrag abweichen kann. Ich würde mir wünschen, dass so ein Fall niemals eintritt. Aber trotz aller Erfahrungen ist dies leider nicht auszuschließen.“
Die Anwohner wehrten sich dennoch, verwiesen dabei auch auf die Reduzierung der Beitragshöhen durch Landesförderungen. Diese - so Vermeulen - seien aber letztendlich erst im April 2020 durch einen Runderlass des zuständigen NRW-Ministeriums mit dem endgültigen Text der Förderrichtlinie in Kraft getreten. Das Land habe eine klare Stichtagsregelung festgelegt. Und diese besagt: Baumaßnahmen, die vor dem 1. August 2018 beschlossen worden sind (so wie diese an der Kolumbusstraße), werden von der Landesförderung noch ausgenommen.
Die Grundstückseigentümer an der Kolumbusstraße sind sich sicher, dass der Prozess, Anlieger von Kosten des Straßenbaus zu entlasten, bereits vor 2018 in Gang gekommen sei. Der Beschluss der Baumaßnahme hätte hinausgezögert werden können. Dem Baudezernat wird fehlende Zurückhaltung bis zur Beendigung des damals strittigen Kommunalabgabengesetz-Verfahrens vorgeworfen. Stattdessen sei die Bezirksvertretung 1 mit dem Baubeschluss im Jahr zuvor vom Amt für Verkehrswesen und Tiefbau „mit bereitstehenden Mitteln geködert worden“. Vermeulen: „Der Baubeschluss durch die Bezirksvertretung 1 ist bereits im März 2017 gefasst worden. Zu diesem Zeitpunkt war die Entwicklung der Beitragsreduzierungen durch Landesförderungen noch in keiner Weise absehbar.“ (RuhrText)
Autor:Marcus Lemke aus Mülheim an der Ruhr |
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