Kommunalwahl 2014 in Mülheim: Der Rat wird bunter

Foto: Stadt Mülheim

Das Interesse an den Kommunalwahlen ist leicht gesunken, das an der Europawahl gestiegen - Das ist das erste Fazit nach dem Urnengang am Sonntag. Die SPD bleibt stärkste Kraft im Rat (31,5 Prozent, -2,8), muss aber Verluste hinnehmen. Die CDU holt auf (27,2 Prozent, +2,0), die Grünen verbessern sich leicht (11,0 Prozent, +0,2) und werden drittgrößte Fraktion im neuen Rat, der mit zehn Parteien und Wählergruppen noch bunter ist als vorher.

AfD erstmals im Stadtrat

Auch die AfD hat Grund zum Feiern: Erstmals zieht sie in den Stadtrat ein (5,2 Prozent), und das gleich mit drei Sitzen und somit Fraktionsstärke. Die hat auch noch die FDP (5,3, -5,9), die aber auch auf kommunaler Ebene herbe Verluste hinnehmen und von ehemals sechs Sitzen drei abgeben muss. Die MBI verlieren etwas (10,1 Prozent, -1,5), fahren aber noch ein zweistelliges Ergebnis ein und werden die viertstärkste Kraft im Rat.

Die Linke holt 4,1 Prozent (-0,3) und muss von den bisher drei Sitzen einen abgeben. Damit verliert sie auch den Fraktionsstatus. Die Piraten erhalten 1,7 Prozent der Stimmen und sichern sich damit einen Ratssitz, ebenso wie Wir aus Mülheim (1,4 Prozent, -1,1) und das Bündnis für Bildung (1,0 Prozent).
Nicht in den Rat ziehen das Bündnis für Bürger (0,6 Prozent) und die Wählergruppe Mülheim steht AUF (0,8).

Keine Ausgleichsmandate

Von den 54 Ratsmandaten werden die Hälfte in den 27 Wahlbezirken mit einfacher Mehrheit gewählt. Die restlichen Wahlsitze werden aus der Reserveliste der gewählten Parteien und Wählergruppen besetzt. Bei dieser Wahl hat keine Partei mehr Direktmanadate gewonnen, als ihr nach dem Verhältnisausgleich zusteht, sodass es im Gegensatz zu 2009 keine Ausgleichsmandate gibt. Ein Grund, warum zum Beispiel die MBI, obwohl sie nur leicht verliert, mit fünf statt mit sieben Sitzen wie 2009 in den Rat einzieht. Die SPD gewinnen in 17 Bezirken das Direktmandat, was ihrem Stimmenanteil entspricht, drei Wahlbezirke verliert sie an die CDU und hat im neuen Rat genau diese drei Sitze weniger.

Die Wahlbeteiligung sinkt aber auch weiterhin. Mit nur noch 50,3 Prozent für die Kommunalwahl wurde ein neuer Negativrekord aufgestellt. Gestiegen ist nur die Zahl der Briefwähler.

Wechselnde Mehrheiten wahrscheinlich

Der Wahlausgang macht die Politik in Mülheim nicht einfacher. Da nur eine Koalition aus SPD und CDU eine stabile Mehrheit haben würde, aber von beiden Parteien nicht gewollt ist, werden die Parteien und Wählergruppen wieder gezwungen sein, sich zu jeden Themen neue Mehrheiten zu suchen.

SPD enttäuscht

Dieter Wiechering, Fraktionschef der SPD, ist enttäuscht vom Wahlergebnis seiner Partei. „Wir haben zwar die meisten Stimmen, aber nicht die Mehrheit“, macht er noch einmal deutlich. Einer der Gründe für das unbefriedigende Ergebnis sei, dass der SPD alles, was nicht gut gelaufen ist, angelastet worden sei, obwohl auch andere das mit beschlossen hätten: von der Verkehrsführung über Haushalt, Ruhrbania bis hin zu den Baumfällungen, die ihn in seinem Wahlkreis Broich-Nord wohl auch Wählerstimmen gekostet haben. Sogar zur Max-Kölges-Schule, deren Schließung eine andere Mehrheit beschlossen hatte, werde der SPD mangelndes Engagement vorgeworfen. Und gerade die schlechte Wahlbeteiligung im Mülheimer Norden (unter 40 Prozent in den drei Styrumer Wahlkreisen, Eppinghofen-Nordwest kommt sogar nur auf 34,5 Prozent), machen Wiechering Sorgen. „Wir haben in den Parteigremien bereits darüber gesprochen, dass wir uns verstärkt um den Mülheimer Norden kümmern müssen, um dort die Wahlbeteiligung wieder zu erhöhen.“ Wie knapp einige Wahlbezirke verloren gegangen seien, sehe man daran, dass zusammen nur 147 Stimmen fehlten, um vier Wahlbezirke, die an die CDU gingen, für sich zu entscheiden. Auch müsse man sich mehr darum bemühen, die Politik, die man vertritt, den eigenen Mitgliedern und den Bürgern besser zu vermitteln.

Für die nächste Ratsperiode strebt die SPD feste Verbindungen an. Damit sei aber keine Koalition mit der CDU gemeint, sondern dass Absprachen, die man treffe, von der ersten bis zur letzten Beratung eingehalten würden, so Wiechering. Ansonsten werde man sich weiterhin sachorientierte Mehrheiten suchen. „Aber wir laufen niemanden hinterher, sondern werden auf Augenhöhe miteinander sprechen.“

CDU zufrieden

Auch Wolfgang Michels, Fraktionssprecher der CDU, reagiert verhalten auf das Ergebnis seiner Partei. „Wir sind auf der einen Seite zufrieden, weil wir etwas zugelegt haben, aber es hätte auch noch besser sein können. Ich freue mich aber, dass ich meinen Wahlkreis in Saarn wieder gewonnen habe. Und wenn ich sehe, wie die größte Fraktion gelitten hat, bin ich mehr als zufrieden.“ Eine Koalition mit der SPD sieht er im Moment nicht. „Wir wollen nichts Schriftliches, wir suchen uns die Mehrheit zu einzelnen Themen. Bei der Haushaltsabstimmung kam der Vorwurf, wir würden uns zu sehr an der SPD anlehnen, aber was sollen wir machen, wenn die anderen nur Nein sagen?“ Dabei kann sich Michels vorstellen, beim Haushalt auch andere Mehrheiten zu suchen, wenn sich die kleineren Gruppierungen nicht verweigern. „Aber es hat mich auch ein bisschen gewundert, dass Sparen im Wahlkampf eigentlich kein Thema war, da wollte keiner was von hören.“

Grüne im Aufwind

Vielleicht findet er ein offenes Ohr bei den Grünen, die wieder drittstärkste Fraktion sind. „Wir sind sehr zufrieden. Gerade in Hinblick auf die vielen Bündnisse war nicht abzusehen, ob sich das auch auf unser Ergebnis auswirkt. Das hat es nicht getan. Das ist ein Zeichen für die Themen, die wir gesetzt haben. Ökologie ist den Mülheimern wichtig, daran werden wir in den nächsten Jahren weiterarbeiten“, erklärt Fraktionssprecher Tim Giesbert. Das Prinzip der letzten Jahre, sich wechselnde Mehrheiten zu suchen, findet Giesbert nicht das schlechteste Modell. Aber zunächst wollen die Grünen die Gespräche abwarten, die die großen Parteien angekündigt haben.

MBI bleibt stabil

Knapp hinter den Grünen liegt die MBI mit einem immerhin noch zweistelligen Ergebnis. Womit Fraktionssprecher Lothar Reinhard durchaus zufrieden ist, obwohl die Bürgerinitiative durch den Wegfall von zwei Ausgleichsmandaten nur noch fünf Ratssitze belegt. Reinhard sieht den leichten Verlust darin begründet, dass es mehr Bewerber um die Ratssitze gab. „Der ganze Wahlkampf ist dadurch unübersichtlicher geworden“, ärgert er sich. Ansonsten heißt es für ihn und die MBI: nach vorne schauen. „Wir haben einen Riesenproblemberg, sind bilanziell überschuldet. Die Innenstadt geht auf dem Zahnfleisch, das Bauprogramm ist Harakiri“, beschreibt er in gewohnt drastischen Worten. „Wir werden auch weiterhin versuchen, das in den Griff zu bekommen. Eigentlich müssen wir nur unsere alten Anträge wieder aus den Schubladen holen.“

Wahlverlierer FDP

Eindeutiger Wahlverlierer ist die FDP. „Wir sind ruhrgebietsweit immer noch die Besten und hatten in den vergangenen Jahren meist drei bis vier Sitze im Rat“, versucht Fraktionssprecher Peter Beitz das Ergebnis schönzureden - den Verlust der Hälfte der Sitze von sechs auf drei. Aber da auch er von wechselnden Mehrheiten ausgeht, gibt es auch für die FDP noch die Chance, Zünglein an der Waage zu sein.

Autor:

Regina Tempel aus Mülheim an der Ruhr

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