In so Tagen wie diesen – gibt es keinen Wirtschaftsminister?
Die Unternehmensgruppe Tengelmann hat allen Grund zum Feiern. Auch im 145. Jahr des Bestehens der Unternehmensgruppe Tengelmann hat der geschäftsführende Gesellschafter des Familienunternehmens, Karl-Erivan W. Haub, Grund zufriedene Miene zu machen. „Schlechte Zahlen oder Nachrichten habe ich heute nicht für Sie“, verkündete Haub anlässlich der Bilanzpresse-konferenz. Der zweite Grund zur Feier: von den 145 Jahren hat die Unternehmensgruppe seit 100 Jahren ihren Stammsitz auf der Wissollstraße in Mülheim-Speldorf. Da aller guten Dinge drei sind, gibt es natürlich noch einen wichtigen und für Haub sehr persönlichen Grund zu Feierlichkeiten. Sein Vater, Erivan Haub begeht im September seinen 80. Geburtstag. „Das alles werden wir zum Anlass nehmen und gemeinsam mit der Belegschaft im Oktober gebührend feiern!“
Die nackten Zahlen für das Geschäftsjahr 2011 sehen wie folgt aus. Der Umsatz der Unternehmensgruppe, zu der die Geschäfte Kaiser’s Tengelmann, KiK, Obi und Tengelmann E-Commerce mit vielen kleinen, aber feinen Gesellschaften (wie eine Beteiligung an Zalando) gehören, wuchs auf 10,78 Mrd. Euro. Das entspricht einer Steigerung von 2.4%. Der Umsatz wurde mit 83.437 Mitarbeitern in 4.256 Filialen erzielt. Wobei das Jahr „einer Achterbahnfahrt glich“, wie Haub ausführte. „War das 1. Halbjahr deutlich über den Erwartungen, so ging es im 2. Halbjahr deutlich nach unten.“ Dennoch sind die Ergebnisziele erreicht worden, die Eigenmittelquote beträgt 37%, „Wichtig für ein Familienunternehmen“, betonte Haub.
Besonders die Sparte E-Commerce liegt ihm am Herzen. „Unsere Pflänzchen (Beteiligungen) sind noch klein, doch sie wachsen stetig. Wir hier in Deutschland erleben in diesem Bereich eine regelrechte Gründerzeit, um die uns unsere europäischen Nachbarn beneiden und die uns dies nicht unbedingt zugetraut haben.“
Haub sieht aber auch für die Zukunft gute Chancen für den Lebensmittelhandel. „Es findet zurzeit die Wiederentdeckung der Supermärkte zu Lasten der Discounter statt“, glaubt er. Und es gibt eine Bereinigung der Verkaufsfläche, von der es nach seiner Meinung immer noch zu viel gibt, trotz der Pleiten von Schlecker und Praktiker.
Getrennt hat sich die Unternehmensgruppe von den Anteilen an Woolworth, allerdings „ohne große Gewinne dabei zu erzielen. Hier ging es um andere Dinge. Wir jedenfalls sind froh und dankbar darüber, dass wir bei der Erhaltung dieser traditionsreichen Firma mitwirken konnten“, sagte Haub.
Auch das 1. Halbjahr 2012 ist zufrieden stellend angelaufen, weil, wie Haub ausführte: „Wir machen eine realistische Planung. Die Ergebnisse werden nicht in den Himmel wachsen. Glücklich sind wir, dass wir nicht in einem Land wie Griechenland tätig sind oder anderen Ländern, die unter dem Euro-Rettungsschirm sind.“
Damit war Haub beim Thema Eurokrise angekommen und erteilte Nachhilfe-unterricht und gab Ratschläge zur Besserung. Er verglich den Euro mit einem Hausbau, bei dem man nach acht Jahren feststellt, dass die Statik nicht mehr stimmt und die Sanierung extrem teuer wird. „Was fehlt sind verbindliche Regelungen der Finanzpolitik. Wie in einem Unternehmen muss es eine Revision und ein Controlling geben“, forderte Haub. Um dann zu fragen: „Haben wir derzeit überhaupt einen Wirtschaftsminister? Seine Aufgabe wäre es, Erklärungen zu geben. Doch man sieht und hört nichts von ihm.“
Und zum aktuellen Thema von Zwangsanleihen der Reichen meinte Haub: „Es ist ein Irrglaube so zu tun, als ob die Vermögenden ihr Geld auf Barkonten hätten. Für uns würde das den Verkauf von Vermögensteilen bedeuten und dadurch könnte es zu Stellenabbau kommen. Und im übrigen: Sind wir denn im Krieg?“.
Autor:Heinz Haas aus Mülheim an der Ruhr |
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