Diskussion um neu aufgetellte Wirtschaftsförderung
Herausforderungen und Chancen
Die mit Spannung erwartete Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft, Innovation und Digitalisierung bot Gelegenheit zu angeregter Diskussion. Mehr als nur ein Zaungast war Hanns-Peter Windfeder, seines Zeichens Vorsitzender des Mülheimer Unternehmerverbandes. Er wurde vom Ausschussvorsitzenden Henner Tilgner als sachkundiger Bürger vereidigt.
Beileibe nicht nur die Mülheimer Unternehmerschaft möchte zu gerne wissen, wie Oberbürgermeister Marc Buchholz und Felix Blasch als Leiter des neuen Amtes für Stadtplanung & Wirtschaftsförderung die versprochene Neuorganisation denken und praktizieren wollen.
Am 1. Februar ist die Wirtschaftsförderung zurück in die städtische Verwaltung geholt und in das neue Amt 61 eingegliedert worden, dass nun gemeinsam mit der Stadtplanung beim OB angesiedelt ist. Bis zum Sommer soll auch der Umzug ins Technische Rathaus erfolgen, so dass beide Bereiche dann auch räumlich gebündelt sind.
M&B aufgelöst
Der Oberbürgermeister skizzierte die Abläufe: „Die Auflösung von ‚Mülheim & Business‘ hat hohe Wellen geschlagen. Wir haben vor rund 100 Tagen angefangen gemeinsam mit den neuen Kollegen, die von M&B zu uns gekommen sind. Es wurde bereits zahlreiche Gespräche geführt und Unternehmen besucht. Heute ist der erste Aufschlag zur strategischen Ausrichtung. Ich bin sehr zufrieden mit der Zusammenarbeit von alten und neuen Kollegen.“
Er habe Bemerkenswertes erfahren im Austausch mit der Wirtschaftsförderung anderer Kommunen: „Dortmund beschäftigt alleine acht Mitarbeiter für den internationalen Auftritt. Unsere Mülheimer Wirtschaftsförderung in Gänze hat nur fünf Mitarbeiter.“ Da werde er demnächst den Vorschlag einer personellen Aufstockung unterbreiten.
Vortrag mit Anspruch
Felix Blasch hielt einen engagierten Vortrag, einen Vortrag mit Anspruch. Die bisher verfolgten Zielstellungen und relevanten Themen seien noch gültig, künftig sollten jedoch die aktuellen Themen Klimaschutz, Digitalisierung und demografischer Wandel stärkere Beachtung finden. Neben der Pflege und Entwicklung des Unternehmensbestandes sei es Ziel, in Mülheim ein funktionierendes Gründungs-Ökosystem zu festigen Dies gelte insbesondere in Zusammenarbeit mit der Hochschule Ruhr-West. Gründungen sollten künftig auch nach der ersten Gründungsphase betreut werden können.
Durch intensiveren Unternehmensservice sollen Zeitverluste bei Genehmigungsverfahren so gut wie möglich vermieden werden. Ergänzend soll zur Möglichkeit der Energieberatung und der Förderberatung für Energieeinsparmaßnahmen beraten werden. Zudem möchte die Wirtschaftsförderung die Fördermittelberatung wieder aufnehmen. Das Standortmarketing solle deutlich intensiviert werden.
Wissensbasierte Industrie
Mülheim sei aber nun mal eine im Durchschnitt „alte“ Stadt: „Daraus ergeben sich Herausforderungen und Chancen.“ Man wolle den Wandel zum wissensbasierten Industriestandort und dort anpacken, wo es Sinn ergebe: „Der Mittelstand. Das ist die Liga, in der wir uns bewegen sollten“ Wir wollen uns breit aufstellen, wobei wir schon unsere Prioritäten setzen müssen. Wir sollten nicht auf Großunternehmen hoffen, wir haben auch gar nicht die Flächen dafür. Wir sollten den Fokus eher auf den Mittelstand legen.“
Was Blasch meinte, verdeutlichte Buchholz noch: „Der Bereich Lager und Logistik wird nicht zu unseren Schwerpunkten gehören.“ Das bedeute nämlich kaum neue Arbeitsplätze, bei gleichzeitigem hohem Flächenverbrauch. Felix Blasch gab zu, Digitalisierung könne etablierte Arbeitsplätze gefährden. Das solle aber nicht davon abhalten, den digitalen Ausbau voranzutreiben.
Saurer Wein
In der Debatte traten grundlegend unterschiedliche Sichtweisen zu Tage. Während besonders die CDU lobende Worte fand, goss die SPD reichlich sauren Wein ins Glas. Wo der Stellvertretende Oberbürgermeister und Christdemokrat Markus Püll einen positiven Schritt sah, da wollte der Sozialdemokrat Sven Deege keine klare Ausrichtung erkennen.
Das habe man alles schon irgendwo gelesen: „Es ist alter Wein in neuen Schläuchen.“ Was Marc Buchholz ätzen ließ, der Wahlkampf sei für die SPD wohl immer noch nicht beendet. Eine Spitze konnte sich der aktuelle Oberbürgermeister nicht verkneifen: „Wein war in den letzten fünf Jahren genug.“
Erwartungshaltung gestiegen
Lange hatte er zugehört, dann ergriff Hanns-Peter Windfeder das Wort: „Wir sind mit den ersten 100 Tagen sehr zufrieden. Der Start hat hervorragend geklappt.“ Wie vom OB versprochen, gebe es nun regelmäßigen Austausch. Windfeder gab geradezu entwaffnet zu: „Ich kritisiere gerne. Aber wenn was funktioniert, soll man das auch sagen. Herr Blasch ist sehr strukturiert.“
Und doch nahm Windfeder Politik und Verwaltung in die Pflicht: „Durch diese ersten 100 Tage ist unsere Erwartungshaltung gestiegen.“ Unerwartete Komplimente, die der OB gerne hörte, aber auch zurückgab. Sie kämen „aus berufenem Munde, nämlich von der Stimme unserer Wirtschaft in diesem Gremium“.
Hanns-Peter Windfeder ergänzte, dass er sich Mut zum Fokus wünsche: „Sie haben so viele Themen und eine so dünne Personaldecke. Das ist viel Arbeit, da kann nicht alles an erster Stelle stehen. Wirtschaftspolitik muss Prioritäten setzen.“
So angesprochen, gab Felix Blasch dann auch zu Protokoll: „Bisher decken wir nicht alles ab. Auch zukünftig werden wir nicht alles auf einmal machen können. Wir werden versuchen, in unserem Netzwerk auf Experten zurück zu greifen. Wir setzen auf Teamwork innerhalb der Stadtverwaltung.“
Arbeitsmarktpolitik
Daniel Mühlenfeld hielt fest, Wirtschaftsförderung sei immer auch Arbeitsmarktpolitik. Einerseits ächze man wegen Fachkräftemangels, gleichzeitig gebe es immer mehr Menschen „am anderen Ende der Qualifikationsskala“. Menschen, denen man eine Chance geben müsse. Man müsse auch an diese Leute denken und nicht nur an High Tech und Startups.
Rodion Bakum war aufgefallen, dass das Innenstadtmanagement ausgeklammert sei. Dazu meinte OB Buchholz, es sei ihm ein Anliegen, dieses Management für die Innenstadt in seinem Büro anzusiedeln. Das sei auch der Wunsch gewesen der werbegemeinschaft Innenstadt, bald wolle man auch ein neues Ladenlokal beziehen, um direkt vor Ort präsent zu sein.
Der Ausschussvorsitzende Henner Tilgner schloss die engagierte Debatte und resümierte zufrieden: „Ein guter Aufschlag zum Thema Wirtschaftsförderung.“
Autor:Daniel Henschke aus Essen-Werden |
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