Die Unterstützer für das geplante Bürgerbegehren gegen die Schließung der Stadtteilbibliotheken formieren sich
Großes Loch in der Mülheimer Bildungslandschaft befürchtet

Nicht nur der Stadtteilbibliothek Heißen droht die Schließung. Betroffen sind auch die in Dümpten, Speldorf und Styrum. Dem soll ein Bürgerbegehren Einhalt gebieten.
Foto: PR-Foto Köhring
  • Nicht nur der Stadtteilbibliothek Heißen droht die Schließung. Betroffen sind auch die in Dümpten, Speldorf und Styrum. Dem soll ein Bürgerbegehren Einhalt gebieten.
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Im März hat sich in Mülheim die Stadtschulpflegschaft der Grundschulen gegründet und sofort öffentlich Position bezogen. Mit dem von ihr auf den Weg gebrachten Antrag auf Durchführung eines Bürgerbegehrens gegen die beabsichtigte Schließung der vier Stadtteilbibliotheken in Styrum, Speldorf, Dümpten und Heißen hat sie einen Stein ins Rollen gebracht, der zur politischen Lawine werden könnte.

Inzwischen haben die Vorstandsmitglieder Julia Othlinghaus-Wullhorst, Frank Elberzhagen und Daniel Steinbring viel Unterstützung aus dem politischen und gesellschaftlichen Raum erhalten. „Die Diskussion wird lebhaft“, sagt Frank Elberzhagen im Gespräch mit der Mülheimer Woche, „wir bleiben am Ball.“ Den Ball aufgegriffen hat auch Oberbürgermeister Marc Buchholz, der gegenüber unserer Redaktion betont, dass bei allen subjektiv verständlichen Emotionen die Sachlichkeit im Vordergrund stehen müsse.

De Antrag auf die Zulassung des Bürgerbegehrens liege jetzt zur juristischen Prüfung beim Rechtsamt. Unabhängig davon haben Buchholz und Kämmerer Frank Mendack die Initiatoren zu einem Gespräch am 15. April eingeladen. „Wir freuen uns über das Gesprächsangebot und hoffen, dass wir die Herren überzeugen können, wie wichtig der Erhalt der Stadtbibliotheken für die Menschen in unserer Stadt ist“, sagt Elberzhagen. Zudem habe man jede Menge anderer Einsparungsvorschläge, die, so fährt er fort, „weniger schmerzhaft für die Stadtgesellschaft sind.“

Angst um
Folgeschäden

Einsparungen im Bildungsbereich verursachen seiner Meinung nach ein großes Loch, das nicht absehbare Folgeschäden mit sich bringe. Und genau die wolle man vermeiden. „Die Idee zum Bürgerbegehren entstand, als uns klar wurde, dass anstelle von Kürzungen der Zuschüsse für den Offenen Ganztag die Stadtteilbibliotheken geschlossen werden sollen. Das hat viel negatives Feedback in der Elternschaft und auch bei den Schulleitungen hervorgerufen“, beschreibt er die Beweggründe des bürgerschaftlichen „Aufbegehrens“. Erklärtes Ziel war, ist und bleibe der Erhalt aller vier Stadtteilbibliotheken.

Inzwischen hat sich eine breite Unterstützer-Allianz der oppositionellen Ratsfraktionen und Parteien gebildet. SPD, Linke, MBI und WIR wollen dem „Bürgerbegehren-Zug“ zu schnellerer Fahrt verhelfen. SPD-Fraktionschefin Margarete Wietelmann wählt drastische Worte: „Wir haben in der Haushaltsdebatte bereits deutlich gemacht, dass der schwarz-grüne Kahlschlag bei Kultur und Bildung verheerende Konsequenzen insbesondere für die Kinder und Jugendlichen in unserer Stadt hat.“ Für Parteichef Rodion Bakum ist deshalb klar, dass man das Bürgerbegehren nach besten Kräften unterstützen werde.

Aufwertung
der Stadtteile

MBI-Sprecher Lothar Reinhardt rät zu erhöhter Wachsamkeit und befürchtet, dass die Verwaltung den Antrag auf Zulassung des Bürgerbegehrens so lange prüfe, bis vorgeschriebene Fristen kaum noch einzuhalten seien. Daher werde man unterstützend zur Seite stehen, „um die wenig durchdachte Fehlentscheidung zur Schließung der Stadtteilbüchereien rückgängig zu machen.“

Reinhold Leuschner, Bezirksvertreter der Linken aus Speldorf, bringt einen weiteren Aspekt ins Spiel „Stadtteilbibliotheken sind nicht einfach Buchausleihen, sondern Begegnungs- und Bildungsstätten für alle Bürger in den Stadtteilen Sie werten diese auf. Hier werden Kontakte geknüpft, Hilfe angeboten, ein Miteinander geschaffen.“ Andrea Mobini, Stadtverordnete der Linken, ist sich sicher, dass die Schließung der Stadtteilbibliotheken ein „fatales Zeichen für die Zukunftsperspektiven der vielen Kinder und Jugendlichen“ sei.

Auch der Freundeskreis der Stadtbibliothek begrüßt und unterstützt das von der Stadtschulpflegschaft initiierte Bürgerbegehren und teilt die offensichtliche Empörung vieler Mülheimer Bürger. Man spricht von einer „Überrumpelungstaktik der Verwaltung“. Umso wichtiger sei es zu wissen, welche Arbeit in den Bibliotheken geleistet werde, meint der Freundeskreis und erinnert an Kita-Führungen, Vorlesestunden am Samstag, Bilderbuchkino, Kinderliteraturtage mit Autorenlesungen, Medienrallyes, Stationenlernen mit unterschiedlichen Medien zu Unterrichtsthemen. Gerade für Kinder seien die Stadtteilbibliotheken ein Ort der Ruhe, des Rückzugs und oft auch ein der Sicherheit, an dem ihnen die Bibliothekarinnen zuhören.

Ein Netzwerk
der Generationen

Stadtteilkonferenzen brächten dort Bildungspartner, Vereine, Organisationen, Bürgerinitiativen und Bürgervereine zusammen. Diese kommen aus dem Stadtteil und engagieren sich für den Stadtteil. Das Netzwerk der Generationen und Seniorenclubs treffen sich dort, aus diesen Begegnungen erwachsen Ausstellungen und vielfältige Veranstaltungen. Mit ungeschultem ehrenamtlichen Personal sei diese Arbeit nicht zu leisten, so der Freundeskreis. Die Zahl der Ausleihen und Besuche steigt in allen Stadtteilen. Deshalb ist es für viele Mülheimer Bürger unverständlich, dass aus gut funktionierenden Einrichtung Personal abgezogen wird und die Stadtteilbibliotheken auslaufen.

All' diese Stellungsnahmen und Reaktionen unterstreichen Frank Elberzhagens Auffassung, dass die Diskussionen lebhaft werden. Gegen lebhafte Diskussionen sei nichts einzuwenden, meint OB Marc Buchholz. Er und Stadtkämmerer Mendack werden sich denen nicht verweigern. Nicht vergessen solle man dabei, dass die Stadt durch die Bezirksregierung zwingend verpflichtet sei, Einsparungen vorzunehmen. Und da könne nicht das St. Florians-Prinzip gelten: „Lieber St. Florian, verschon' mein Haus, zünd' andere an“.

Autor:

Reiner Terhorst aus Duisburg

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