Droht Stillstand in der Stadt?
Eigentlich sollte nach der Sommerpause in den Ratsfraktionen der Entscheidungsprozess über die Einsparvorschläge für den Doppelhaushalt 2010/2011 in vollem Gange sein - am 7. Oktober will der Rat über das Haushaltssicherungskonzept entscheiden. Doch noch immer präsentieren Fraktionen neue Vorschläge, die geprüft werden sollen. So legten CDU, FDP und MBI am Dienstag einen Ergänzungsantrag für die Ratssitzung vor, indem sie unter anderem Einsparungen bei den Pflichtaufgaben der Stadt in Höhe von 15 Prozent vorschlagen, den Wegfall einer Hierarchiebene in der Verwaltung, die Einsparung von zwei Dezernaten sowie eine deutliche Stellenreduzierung im Referat der Oberbürgermeisterin.
Gegen den Vorwurf, kein fundiertes Haushaltssicherungskonzept vorgelegt zu haben, wehren sich Kämmerer Uwe Bonan und Stadtdirektor Dr. Frank Steinfort. „Wir haben uns dabei an vielen anderen Städten orientiert, auch die hinzugezogene Bezirksregierung hat das Konzept gelobt“, betont Bonan. Auch Steinfort sieht eher ein Entscheidungs- denn ein Erkenntnisdefizit bei der Politik. „Die neuen Vorschläge sind unkonkret und teilweise auch gesetzlich nicht möglich. Hier wird auf Zeit gespielt.“ Bonan hält die Einsparmöglichkeiten für ausgereizt. „Wir haben alle Ämter durchsucht.“
Die Forderung von CDU, FDP und MBI, im Rahmen der Haushaltskonsolidierung 15 Prozent bei den Pflichtaufgaben der Stadt einzusparen, bezieht sich auf eine Empfehlung der Friedrich-Ebert-Stiftung bei einer Expertentagung. Die fand allerdings im Jahr 1996 statt und sei so nicht mehr anwendbar, meinen Bonan und Steinfort. „Seitdem ist vieles davon schon längst umgesetzt worden“, betont Steinfort. „Inzwischen ist die Stadtverwaltung ausgequetscht wie eine Zitrone. Seit 2005 wurden Stellen abgebaut, bis 2014 werden wir knapp 20 Prozent des Personals eingespart haben.“ Mehr sei einfach nicht drin, wenn man nicht die Standards deutlich senken wolle.
Was eine pauschale Kürzung von 15 Prozent der Ausgaben für Pflichtaufgaben, die allein 90,4 Prozent des Etats betragen, als Folge hätte, zeigt Uwe Bonan auf. „Die Wartezeit im Bürgeramt von jetzt 40 Minuten würde sich verlängern, Hartz IV-Empfänger könnten ihre Miete nicht mehr vollständig bezahlen, Baugenehmigungen würden deutlich länger brauchen, weniger Schüler bekämen Schokotickets, wir könnten den Rechtsanspruch auf Kita-Plätze nicht mehr erfüllen und müssten an die Elternbeiträge ran.“ Ob dies wirklich gewollt sei, so Bonan, das müsste die Politik entscheiden.
Hierachien seien nicht unantastbar, aber die Streichung einer ganzen Ebene problematisch. „Dann würden einem Vorgesetzten so viele Mitarbeiter zugeordnet sein, dass eine qualifizierte Führung nicht mehr möglich wäre“, erläutert Steinfort. Auch der Vorschlag, gleich zwei Dezernate einzusparen, sei bedenklich. „Dann müssten die verbliebenen drei Dezernenten 66 Prozent mehr Arbeit übernehmen. Wie könnte man da noch qualifizierte Arbeit leisten?“ An Gehälter könne man auch nicht gehen, schließlich sei man an einen Tarifvertrag gebunden, aus dem man nicht einfach aussteigen könne, betont der Stadtdirektor.
Die CDU hatte bereits im Vorfeld 50 Sparvorschläge eingebracht, die ein Volumen von 10 Millionen Euro ausmachen sollten. Davon blieben nach Berechnung des Kämmerers nicht viel übrig: Allenfalls eine Million Euro, allein 400.000 Euro davon durch die Einführung einer Pferdesteuer.
Was es bedeuten könnte, wenn der Mülheimer Rat im Oktober keinen Etat beschließt, erfüllt den Kämmerer mit Sorge: „Dann gäbe es Stillstand. Es wären keine neuen Investitionsmaßnahmen möglich wie der zweite Bauabschnitt am Gymnasium Broich, keine neuen Straßenbaumaßnahmen oder Verschönerungen der Grundschulen. Der Ausbau der Ganztagsbetreuung und der U3-Plätze würde auch stocken.“
396 Kommunen gibt es in NRW, 395 haben einen Haushalt beschlossen. „Das muss in Mülheim dann doch auch zu schaffen sein.“
Autor:Regina Tempel aus Mülheim an der Ruhr |
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