Diskussion um Nahverkehrskosten
„Ich bin nicht klüger als vorher“, meinte der SPD-Fraktionsvorsitzende Dieter Wiechering am Donnerstagabend nach dem Ratshearing zum öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV).
Vier Verkehrsexperten hatte der Rat geladen, um mögliche Wege aus der Mülheimer Nahverkehrs-Kostenfalle zu erfahren. Als „Pro-Schiene“-Vertreter waren die Professoren Heiner Monheim, einst Referatsleiter im NRW-Landesverkehrsministerium, und Rainer Monheim, ehemaliger Chefplaner des Kasseler Verkehrsunternehmens geladen. Als „Pro-Bus“-Vertreter standen Dipl.-Ing. Maximilian Slawinski, Mitglied der Bürgerinitiative gegen die Wiedereinführung der Straßenbahn in Aachen, und Dipl.-Kaufmann Christoph Köther, Vorstand der Hagener Verkehrs GmbH, zur Verfügung. Ziel des Hearings sei, „eine Versachlichung in der ÖPNV-Diskussion zu erreichen“, sagte Oberbürgermeisterin Dagmar Mühlenfeld. Der Rat solle Informationen erhalten, um sich so eine fundierte Meinung zu bilden.
Schiene+ Bus= optimale Auslastung
Die beiden „Pro-Schiene“-Vertreter verwiesen darauf, dass eine größtmögliche ÖPNV-Auslastung nur in Kombination Schiene und Bus erreicht werden könne. Sie warnten eindringlich davor, sich nur einen Teil des ÖPNV anzusehen und dann finanzielle Horrorszenarien zu entwickeln.
In der kommenden Legislaturperiode werde der Bund mehr Gelder für den Öffentlichen Personennahverkehr zur Verfügung stellen, meinte Prof. Monheim. Er bedauerte, dass der ÖPNV lediglich unter dem Gesichtspunkt Daseinsvorsorge diskutiert werde. Vielmehr spiele der ÖPNV zur Erreichung der bundesweiten Klimaschutzziele eine gewichtige Rolle. Ein moderner Nahverkehr müsse im Verbund betrachtet werden. Es bedürfe einer großen Haltestellendichte, um auch die kleinsten Stadträume erreichen. „Die Ausgangsfrage: ‚Wo können wir sparen?‘, ist falsch. Die Frage muss heißen: ‚Wie kann Mülheim eine bessere Auslastung erhalten?‘“, sagte Monheim.
„Ein reiner Busbetrieb ist auch in einer Großstadt möglich“, meinte Christoph Köther, Vorstand der Hagener Straßenbahn AG. Hagen schaffte die Straßenbahn vor rund 30 Jahren ab, weil sie die Hanglagen nicht erreichen konnte. Die im Tal verlaufenden Straßenbahnen wurden durch Busse ersetzt, um ein Umsteigen zu vermeiden.
„Wir haben einen ÖPNV, den keiner nutzt und die Bürger wohnen nicht dort, wo die Straßenbahn fährt“, sagte Peter Beitz, Fraktionsvorsitzender der FDP. Da auch in Mülheim die Straßenbahn nur in Tallagen fahre, könnte sie durch Busse ersetzt werden (Anm. der Red. Oberdümpten Endhaltestelle 102: 84,97 Meter Normalhöhennull (NHN), Uhlenhorst: 79,74 Meter; Flughafen Mülheim:129 Meter. Mülheims niedrigster Punkt: 26 Meter. Höchster Punkt: 152,70 Meter. Innenstadt: 41,80 Meter an der Kreuzung Schloßstraße und Viktoriastraße).
Maximilian Slawinski, „Pro-Bus“-Experte, warnte vor den hohen Kosten von zwei Systemen. „Die Menschen wollen in modernen Fahrzeugen fahren.“
Prof. Rainer Meyfahrt (Pro-Schiene-Experte) nannte moderne Straßenbahnen immer einen Qualitätsgewinn. „Bahnen führen immer zu einer drastischen Zunahme von Nutzern.“ Man dürfe auch nicht verkennen, dass eine moderne Businfrastruktur auch Geld koste. Die Verabschiedung von der Schiene nannte er „eine Kapitalvernichtung in großem Stil.“
Die Verkehrsministerkonferenz hat inzwischen einen Stufenplan zur Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur entwickelt. Danach sollen ab 2014 jährlich 2,7 Milliarden Euro in die Sanierung der Infrastruktur fließen.
Keine Straßenbahnausstellung in Mülheim
Eine Ausstellung über moderne Straßenbahnen wird es in Mülheim nicht geben. Das teilte Nils Hoffmann, Pressesprecher der MVG, kurz vor dem Ratshearing am Donnerstag mit. Es gäbe keinen Platz dafür, habe die Stadt mitgeteilt. Ironie am Rande: Die „Pro Schiene“-Experten empfahlen dem Rat während des Hearings, sich genau diese Ausstellung der Münchener Verkehrsbetriebe anzusehen. Sie zeige die Leistungsfähigkeit eines modernen Straßenbahnbetriebes.
Autor:Dirk-R. Heuer aus Hilden |
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