Frank Mendack legte dem Mülheimer Stadtrat einen Doppelhaushalt vor
Die Stunde des Kämmerers
Der zurzeit nur dreiköpfige Verwaltungsvorstand der Stadt Mülheim hatte Grund zur Freude. Bald werden die zwei neuen Beigeordneten Dr. Daniela Grobe und David A. Lüngen das Team verstärken. Weiterer Grund zur Freude, wie Oberbürgermeister Marc Buchholz frohlockte: „Der Kämmerer kann einen Haushalt einbringen ohne neue Sparvorschläge und Steuererhöhungen.“
Es war die Stunde des Kämmerers. In seiner Haushaltsrede vor dem Stadtrat konnte Frank Mendack verkünden, nunmehr könne von einer verlässlichen Planungsgrundlage für die kommenden Haushaltsjahre ausgegangen werden. Man habe seine Hausaufgaben gemacht, sei teils weiter gekommen als in der konservativen Finanzplanung vorgesehen.
Seit 2019 gebe es positive Jahresergebnisse, wo zuvor deutliche Finanzierungslücken klafften. Das negative Eigenkapital reduziere sich nach und nach. Daher könne man es nun wagen, einen Doppelhaushalt für 2022 und 2023 aufzulegen. Der Stärkungspakt lasse ohnehin keine Spielräume. Bis Ende 2022 werden durch die Teilnahme am Stärkungspakt insgesamt 171,58 Millionen Euro geflossen sein.
Ein Haushaltsplus
Ab 2024 fällt Mülheim aus dem Pakt heraus, wird aber weiterhin hoch verschuldet sein. Ein Ende des strikten Sparkurses ist also nicht abzusehen. Erstmals sind keine neuen Haushaltssanierungsplan-Maßnahmen eingebaut, die die Bürger belasten. Dennoch rechnet Mendack für 2022 mit einem Haushaltsplus von 11,81 Millionen Euro und 2023 immerhin noch mit 7,25 Millionen Euro. Bevor jedoch die Begierde groß werde, hier Geschenke zu verteilen, beeilte sich der Kämmerer mit der Klarstellung: „Die Überschüsse gehen allesamt in den Abbau der Kassenkredite.“
Was aber überhaupt noch nicht seriös abzuschätzen sei: Die finanziellen Folgen der Pandemie. Werden es 30 Millionen, 40 Millionen oder gar mehr pro Jahr? Wenn die Kurzarbeit-Regelung ausläuft, wird der bange Blick den großen und den kleinen Unternehmen gelten: Können alle angestellten weiterhin beschäftigt werden? Was hat das für Effekte auf die Höhe des Gemeindeanteils an Einkommenssteuer und an der Gewerbesteuer? Mendack kalkuliert ein Minus ein für 2022 von 29,77 Millionen und für 2023 von 28,34 Millionen Euro.
Immerhin: Die Schlüsselzuweisungen hatten Mülheim in den letzten Jahren nicht verwöhnt, nun aber hat die Stadt gegenüber anderen Kommunen derart an Steuerkraft verloren, dass zusätzliche 25 Millionen Euro fließen werden, aber eben auch komplett in die Tilgung der Kassenkredite. Die Änderung der Berechnung der Grundsteuer ab 2025 hinterlasse ein großes Fragezeichen.
Sorgen bleiben
Weitere Sorgen bleiben. Der neue Haushalt des Landschaftsverbandes sieht deutlich höhere Belastungen vor für die Kommunen. Für Mülheim wären das nach bisherigem Stand zusätzliche fünf Millionen Euro ab 2023. Aber die Kommunen suchen das Gespräch mit dem LVR und Mendack ist vorsichtig optimistisch, dass die Mehrbelastungen gemindert werden können. Die Strompreisentwicklung lässt zusätzliche Kosten von einer Millionen Euro jährlich befürchten.
Die dringend erforderliche Digitalisierung der Stadtverwaltung und der Schulen
werde bis zum Jahr 2026 mindestens 5,1 Millionen Euro kosten. Laut Mendack notwendige Investitionen in die Zukunft: Dokumenten-Managementsystem, Technische Infrastruktur wie Schulserver, Software für digitale Erfassung im Bereich Bürgeramt / Ausländeramt. Gerade bei den Schulen stünden große Herausforderungen an, die den Haushalt belasten. So muss der Ausbau des Offenen Ganztages vorangetrieben werden, der neue Bildungsentwicklungsplan und die von der Landesregierung beschlossene Umstellung von G 8 auf G 9. Dazu kommen enorme Preissteigerungen bei den umzusetzenden Baumaßnahmen. Eine weitere Herausforderung sei die Pflege im Alter.
Der demografische Wandel bedeute mehr Pflegeplätze bei weniger Personal. Steigende Altersarmut sei zu erwarten, auch der Rückzug privater Betreiber wegen der zunehmenden kaufmännischen Risiken. Folge wäre ein Versorgungsengpass im Bereich der pflegerischen Versorgung der Bevölkerung. Frank Mendack kann sich hier sehr gut vorstellen, dass Mülheim selbst eine Alteneinrichtung baut: „Als günstiges Angebot für die Bürger.“
Ein Sparziel fehlt
Bei den Maßnahmen zur Kompensation des Steuereinbruchs sei man weit gekommen. Fast schon genüsslich hielt der Kämmerer aber den anwesenden Stadtverordneten eine Unterlassungssünde vor: „Was fehlt noch? Der ÖPNV.“ Hier sei man immer wieder abgekommen vom ausgerufenen Sparziel in Höhe von zwei Millionen Euro für 2023, so Mendack: „Es fehlt noch ein Beschluss zur Einsparung beim ÖPNV. Hier geht es um Besitzstände, um Interessen. Doch diese zwei Millionen müssen Sie als Rat beschließen. Ansonsten müssen wir den Haushalt doch wieder aufschnüren.“
Daher sein Appell: „Lassen Sie uns die Herausforderungen gemeinsam angehen und lösen. Wir stehen für politische Beratungen zur Verfügung und freuen uns auf einen regen Austausch.“ Nun liegt der Ball bei der Politik. Was wird sie aus den Vorschlägen des Kämmerers machen?
Autor:Daniel Henschke aus Essen-Werden |
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