Bundestagswahl 2025
Die Qual der Wahl - Wohin mit dem Kreuz?

- MdB Sebastian Fiedler (l.) ist als erfahrener Polizeibeamter Experte für innere Sicherheit, Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (r.) kümmert sich um die äußere Sicherheit. Foto: Andrea Rosenthal
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Samstag, 1. Februar, noch drei Wochen bis zur Bundestagswahl. Wie fast 25 Prozent der Wahlberechtigten (Quelle: Chef des Meinungsforschungsinstituts Forsa, Manfred Güllner) weiß auch ich noch nicht welche Partei ich wählen werde. Impulse erhoffe ich mir vom heutigen Wahlkampfauftritt des Bundesverteidigungsministers Boris Pistorius und MdB Sebastian Fiedler (Wahlkreis Mülheim/ Essen-Borbeck)in der WDL-Luftschiffhalle des Flughafens Essen/Mülheim.
Von Andrea Rosenthal
Das Interesse ist groß. Um 15.30 Uhr soll Boris Pistorius erscheinen. Schon eine Stunde vorher bildet sich eine lange Schlange am Einlass. Tickets gab es nur mit Voranmeldung, bei der Personendaten zur Sicherheitsüberprüfung angegeben werden mussten. Wer polizeilich auffällig geworden ist, wird hier nicht hineinkommen. Doch auch so gibt es Schwierigkeiten.
Auf den Tickets stand deutlich, keine Tasche größer als DIN A4. Manche Besucherin hat dennoch mehr dabei. Während die Kollegin von der Aktuellen Stunde mit zwei Riesentaschen mit Kamera, Mikrofonen und Stativ nach gründlichem Check eintreten darf, muss die normale Besucherin ihre Handtasche im Auto lassen. So ist sichergestellt, dass Boris Pistorius Torten, Rasierschaum oder schlimmeres erspart bleibt.
Trotz des Aufwands nehmen schließlich fast 400 Leute in der Luftschiffhalle Platz. Ich möchte wissen, was sie vom Wahlkampfauftritt erwarten.
Angst vor den Rechtsruck
Beate (64) und Sandro (64) aus Mülheim sind ebenfalls noch unentschlossene Wähler. Wobei Sandro als Italiener bei der Bundestagswahl nicht mitentscheiden darf. "Dennoch interessiere ich mich sehr dafür, denn ich habe Angst, dass ganz Europa wie wir in Italien einen Rechtsruck erlebt", erklärt der Mülheimer. Und Beate ergänzt: "Politik ist bei uns immer ein Thema. Ich erhoffe mir hier Transparenz zu meinen wichtigsten Punkten. Nach dieser Woche möchte ich die Haltung gegen Rechts in klaren Worten hören."
Das wünscht sich auch der Mülheimer Walter (73). Er weiß zwar schon genau, wo er sein Kreuz machen will, sagt aber: "Ich erwarte mehr Infos, besonders wegen der aktuellen Entwicklung in Berlin." Und zu Boris Pistorius ergänzt er: "Ich würde mir wünschen, dass er sich beim nächsten Mal als Kanzlerkandidat aufstellen lässt."
Die Leute vor Ort einbeziehen
Der 34-jährige Simon aus Mülheim hat schon mehrere Wahlkampfveranstaltungen verschiedener Parteien in den letzten Tagen besucht. "Ich bin mir noch sehr unsicher, wen ich wähle." Er informiert sich in den Zeitungen und über Talkshows im TV. "Wahlkampfveranstaltungen finde ich aber besser. Da erhoffe ich mir klare Aussagen, und dass die Leute vor Ort mit ihren Sorgen einbezogen werden."
Dagegen weiß der 69-jährige Peter aus Mülheim schon genau, wen er bei der Wahl unterstützt. "Nach dem Verhalten von Friedrich Merz ist mir die Entscheidung leicht gefallen", erklärt er. Vom Auftritt von Boris Pistorius verspricht er sich nicht viel. "Ich glaube nicht an klare Worte. Ich habe in dieser Woche die Plenarsitzungen verfolgt. Da hatte ich wegen des Benehmens der Abgeordneten Gänsehaut", meint Peter. Und weiter meint der Rentner: "Schauen Sie mal auf den Altersdurchschnitt hier. Ich bin für eine Veränderung des Wahlsystems. Es kann nicht sein, dass wir Alten Entscheidungen über die Zukunft der Jungen treffen." Peter möchte die Stimmgewichte zugunsten der Jungen umverteilen.
Information über Social Media unmöglich
Einer der wenigen anwesenden "Jungen" ist der 23-jährige Jannis aus Essen. Auch der Lehramtsstudent weiß noch nicht genau wen er wählen wird. "Ich habe aber immerhin eine Tendenz," erklärt er. Zum Flughafen ist er gekommen, weil er Boris Pistorius und seine klaren Worte mag. "Zur Zeit spüre ich eine starke Stimmung gegen Rechts und die CDU, aber das kann auch wieder umschlagen", meint Jannis. Er ist politisch sehr interessiert. Seine Infos holt er sich aus der Zeitung und der Tagesschau. "Ich verfolge aber auch die politischen Statements auf TikTok, weil ich sehen will, womit sich meine Schüler so beschäftigen. Es ist erschreckend wie schnell sich da Filterblasen entwickeln. Vielseitige Information ist da nicht möglich", hat Jannis beobachtet.
Viel Kampf, wenig Infos
15.30 Uhr. Die Kolonne von Boris Pistorius fährt vor. Die Show beginnt. Durch die Veranstaltung führen Nadia Khalaf, SPD-Bürgermeisterkandidatin für Mülheim, und Julia Klewin, SPD-Bürgermeisterkandidatin für Essen, denn in diesem Jahr kann der Bundestagswahlkampf fließend in den Kommunalwahlkampf übergehen. MdB Sebastian Fiedler und Boris Pistorius haben innere und äußere Sicherheit als Hauptthema gewählt.
Gleich zu Beginn gibt sich Boris Pistorius verständnisvoll: "Wenn ich hier eine Umfrage machen würden welche drei Themen Ihnen die wichtigsten sind, kämen wir auf Gesundheit für Sie und Ihre Familie, wirtschaftliche Sicherheit und äußere Sicherheit", glaubt der Verteidigungsminister.
Zumindest zu innerer und äußerer Sicherheit gibt es heute Nachmittag Zahlen und Informationen. Nicht alles lässt sich aus dem Stehgreif nachprüfen. Sind fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung wirklich 41 Prozent des gesamtes Staatshaushalts? Dass die Wiedereinführung der Wehrpflicht nicht nur an geschlossenen Kasernen und der abgebauten Musterungseinheiten scheitert, sondern auch an den Zwei-Plus-Vier-Verträgen zur Wiedervereinigung, die eine Höchstgrenze an aktiven Soldaten festschreibt, ist dagegen leichter zu verstehen.
Der Nachmittag ist eine Mischung aus klaren Worten und Wahlkampfgeplänkel. Ich bin immer noch nicht sicher, wo ich mein Kreuz setzen werde. Sicher ist jedoch, wir alle sollten zur Wahl gehen, damit unsere Zukunft nicht ohne unsere Mitwirkung beschlossen wird.
Autor:Andrea Rosenthal (Redakteurin) aus Mülheim an der Ruhr |
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