Jochen Hartmann möchte Mülheims Oberbürgermeister werden
Der Muff muss raus
Nach seinem spektakulären Abgang beim Bürgerlichen Aufbruch Mülheim ist Jochen Hartmann nicht etwa in der Versenkung verschwunden: „Ich tanke Kraft für den Wahlkampf.“ Der fraktionslose Stadtverordnete möchte Mülheims Oberbürgermeister werden. Die für seine Kandidatur benötigten Unterschriften hat er bereits zusammen.
Der 61-jährige ist Staatsanwalt in Duisburg und dort auch für Fälle von Kinderpornographie zuständig. Hartmann sieht sich berufen, endlich für Sicherheit, Ordnung und Sauberkeit zu sorgen: „Bedauerlich, dass Mülheim kein eigenes Polizeipräsidium hat und nur Wurmfortsatz von Essen ist.“ Er habe nichts gegen die heiß diskutieren Stadtteilwachen: „Aber in den Brennpunkten brauchen wir eine mobile Einsatztruppe mit robustem Mandat. Wenn es zu Zusammenrottungen kommt, kann ein einzelner Bezirksbeamter nichts ausrichten.“ Auch die mangelnde Sauberkeit sei ein ärgerliches Problem: „Das brennt den Bürgern unter den Nägeln.
Es gibt derart schlimme Drecksecken in Mülheim.“ Aber wenn man nur mit Verwarnungsgeldern arbeite, sei nichts zu gewinnen: „Die Stadt muss Bußgeldverfahren einleiten. Da sind ganz andere Strafen möglich. Bürgerinnen und Bürger als Zeugen können im Bußgeldverfahren geeignete Beweismittel sein. Warum gibt es keine Müll-App? Eine Taskforce Müll könnte ganz schnell handeln. Sie müsste halt die Meldungen der Bürger wirklich ernst nehmen und entsprechend verfolgen. Dafür benötigt man natürlich mehr Personal.“
Ein Ur-Dümptener
Jochen Hartmann ist Ur-Dümptener: „Da kenne ich jede Ecke. Das Hexbachtal ist sehr schön. Dort gehe ich mit meinem blonden Labrador Fritzchen spazieren.“ Fritzchen? „Ich habe ein Faible für Preußen und in Anlehnung an Friedrich den Großen meinen Hund benannt.“ So gar nicht Preuße war Franz-Josef Strauß. Trotzdem ein politisches Vorbild für Hartmann, wie auch Helmut Schmidt: „Die beiden Politiker, die ich am meisten bewundere. Sie haben gestaltet und Maßstäbe gesetzt. Da ist leider nichts nachgekommen.“ Will sagen, schon gar nicht an Mülheims Stadtspitze. Jochen Hartmann ist Ulrich Scholtens schärfster Kritiker: „Die neuesten Vorfälle rund um den Dienstwagen machen mich fassungslos. Ich bin der Auffassung, dass man den Mülheimer Bürgern ein besseres Angebot machen muss. Jeder der mich kennt, weiß, dass ich mich zu hundert Prozent engagiere. Natürlich würde ich anfangs Fehler machen. Doch nach 30 Jahren kenne ich Verwaltung rauf und runter.“ Ein frischer Wind müsse ins Rathaus einziehen, die Verwaltung modernisiert und digitalisiert werden: „Der Muff muss raus.“ Ein „System Hartmann“ wolle er bestimmt nicht errichten. Und Duckmäuser mag er gar nicht: „Die Verwaltung muss loyal dem OB und den Bürgern gegenüber sein. Und ihren Job gut machen. Parteibücher sind mir da egal.“
Gewerbeflächen
Wichtig ist ihm eine Versöhnung von Ökonomie und Ökologie: „Mülheim ist pleite und braucht Gewerbeflächen, um Einnahmen zu generieren. Da müssen Bestandsbrachflächen vor neuen Flächen genutzt werden. Grünflächen wie Fulerumer Feld und Winkhauser Tal kommen für mich überhaupt nicht in Betracht.“ Der Flughafen müsse als bedeutsame Frischluftschneise erhalten bleiben. „Als ein wunderbares Alleinstellungsmerkmal unserer Stadt könnte er sich weiterentwickeln. Warum nicht Lufttaxis und Drohnen für die Logistik? Mit seiner erstklassigen Anbindung wäre er auch idealer Standort für ein Olympia-Medienzentrum. Natürlich alles mit den neuesten technischen Möglichkeiten.“ Hartmann möchte eine lebendige Stadt mit lebendigen Stadtteilen. Das „furchbare“ Stadtquartier sei ein großer Fehler: „Ruhrbania ist tote Hose. Statt einer grünen Zunge zum Fluss haben wir eine Stalinallee.“ Hartmann wünscht sich auf das Ruhrbania-Baufeld 3 / 4 einen Tersteegen-Naturpark. Einen liebenswürdigen Platz mit Aufenthaltsqualität, mit Wildkräuterwiesen, als Ausgleichsfläche fürs Stadtklima. Das ist in Zeiten des Klimawandels unabdingbar. Ähnliches wäre bei einem durchdachten Friedhofskonzept möglich: „Auf die Randflächen gehört eine Parklandschaft unter Beibehaltung einiger wichtiger Grabstellen.“
Scharf, aber pragmatisch
Den Wahlkampf möchte Hartmann gewohnt engagiert führen, mit Hausbesuchen, in den sozialen Medien, in Zeitungen. Im Gespräch mit dem kleinen Mann auf der Straße: „Tausende von Euro habe ich nicht, kann auch keine Spenden sammeln. Also muss ich alles aus der eigenen Tasche zahlen. Ich kann nur versprechen, mich für meine Heimatstadt einzusetzen. Mein großer Vorteil als wirklich unabhängiger Kandidat ist nämlich, dass ich mit jedem Vertreter einer demokratischen Partei zusammenarbeiten kann. Ich habe da zu sehr vielen Stadtverordneten ein vertrauensvolles Verhältnis aufgebaut. In jeder Partei gibt es gute und schlechte Köpfe. Die Guten kann man als parteiloser OB besser zusammenführen. Mein Politikstil ist durchaus schon mal scharf, vor allem aber pragmatisch.“
Autor:Daniel Henschke aus Essen-Werden |
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