Das Bürgerbegehren ist sehr wohl zulässig!

Laut Ratsvorlage hat die Rechtsabteilung der Stadt Mülheim das Bürgerbegehren „Erhalt unserer VHS in der MüGa“ geprüft und als unzulässig bewertet, denn es würde sich gegen den Ratsbeschluss vom 7. Dezember richten und sei deshalb verfristet, weil in dem Fall die notwendigen ca. 6600 gültigen Unterschriften bis zum 7. März hätten eingereicht sein müssen. „Das Bürgerbegehren richtet sich zwar nicht ausdrücklich gegen diesen Ratsbeschluss, aber in der Wirkung schon“, so der Stadtdirektor in der WAZ Ende April. Außerdem gab die Stadt als Kostenschätzung 16 bis 20 Mio. € an, was in der Begründung des Bürgerbegehrens auch aufgeführt ist. Diese Kostenschätzung „der Stadt“ ist völlig aus der Luft gegriffen und hochgradig unseriös. Der ursprüngliche Architekt Herr Teich schätzte nach Akteneinsicht die Kosten für die notwendigen Brandschutzmaßnahmen auf ca. 2 Mio. €. Er bot zudem an, die Kosten für ein unabhängiges Gutachten durch das renommierte Büro Pfeiffer selbst zu tragen, doch die Stadt schlug sein Angebot barsch aus und verweigerte kategorisch jeden Zutritt zum Gebäude für jeden unabhängigen Experten oder Gutachter.

Das Bürgerbegehren ist sehr wohl zulässig!

LogoBürgerbegehren Das Bürgerbegehren als Notbremse gegen die Zerstörung des VHS-Denkmals zum Zwecke der Vermarktung des hochattraktiven Geländes am MüGa-Rand will die Stadt aber nicht daran hindern, wie am 7. Dez. beschlossen, ein weiteres sauteures, überflüssiges Gutachten in Auftrag zu geben (wovon es in den letzten Jahren etliche gab, alleine 5 zum ÖPNV, alle für den Papierkorb).

Das Bürgerbegehren will die Stadt dagegen daran hindern, das VHS-Grundstück verscherbeln zu wollen. Das wurde im Dez. logischerweise nicht beschlossen, weil offiziell nicht erlaubt. Also kann dazu ein Bürgerbegehren sehr wohl vorbeugend eingreifen. Ferner will das Bürgerbegehren erreichen, dass „die Stadt“ ihrer gesetzlichen Verpflichtung zur Erhaltung des einzigartigen Denkmals, welches die VHS in der MüGa laut Expertise der LVR-Denkmalbehörde darstellt, nachkommt. In überzeugender Weise beschreibt diese Expertise, dass dieses architektonisch gelungene Bauwerk auch und nicht zuletzt eine fast optimal gelungene Lösung ist in ihrer Funktionalität als Volkshochschule und vorbildlicher Bereitstellung auch von Möglichkeiten für die Stärkung von Demokratie und Identifikation mit der Heimatstadt. Von daher ist es folgerichtig, dass das Bürgerbegehren vorbeugend auch die Erhaltung des Denkmals sowohl in der Bausubstanz als auch in seiner Funktionalität absichern will. Von beidem ist in dem Ratsbeschluss vom 7. Dez. ebenfalls nicht die Rede aus guten Gründen heraus. Aus all dem ergibt sich, dass das Bürgerbegehren sich nicht gegen den Ratsbeschluss richtet, sondern genau das verhindern will, was in dem Ratsbeschluss vielleicht im Hinterkopf mitschwang, aber nicht ausgesprochen oder gar beschlossen werden durfte. Deshalb ist das Bürgerbegehren auch zulässig, was auch der Verein „Mehr Demokratie“ vorab ausdrücklich bestätigt hatte. Das Bürgerbegehren gibt auch nichts weiter vor außer, dass das VHS-Grundstück städtisch bleiben soll und die Stadt auf Dauer ihrer gesetzlichen Verpflichtung nachkommen soll, das Denkmal in Schuss zu halten und auf Dauer auch wieder seinem Zweck und seiner Bestimmung entsprechend zu nutzen.

Die versuchte VHS-Zerstörung – ein Riesenskandal ohne Rücksicht auf Verluste?

Soweit der Stand der Dinge, was bzgl. des Demokratieverständnisses „der Stadt“ zwar schockiert, aber in der gesamten Abfolge der versuchten systematischen Zerstörung der VHS in dem denkmalgeschützten Gebäude auf dem Sahnegrundstück am MüGa-Rand nicht wirklich überrascht.

· Die überfallartige Schließung ganz kurz vor der Bundestagswahl mit der Begründung von angeblich neu bemerkten Brandschutzmängeln, die aber alle bereits spätestens seit 2012 auch gutachterlich verbrieft bekannt waren inkl. dezidiertem Maßnahmekatalog, war ein Husarenstreich sondergleichen. Und das nicht zuletzt, wenn man folgendes bedenkt: Seit 2008(!) waren jährlich über 2 Mio. € im Haushalt der Stadt Mülheim für Sanierung der VHS eingestellt, wurden aber Jahr für Jahr nicht abgerufen. Mit anderen Worten:
Genau die Brandschutzmängel, die 2017 als Rechtfertigung für die Totalschließung des VHS-Gebäudes angeführt wurden wie die unzureichende Schottung der Leitungsdurchbrüche, waren bereits seit 2007 bekannt, wurden aber trotz vorhandener Haushaltsmittel über Jahre nicht behoben – ob nun fahrlässig oder nicht oder absichtlich oder nicht – in jedem Fall aber unverantwortlich, wenn man die im Sept. 2017 so hoch gespielte angeblich akute Gefährdung ernst nimmt.

· Die auf die Schließung folgende monatelange Bewachung des leeren Gebäudes durch einen Wachdienst für 6000 €/Woche gegen jedwede evtl. Besichtigung oder Begutachtung durch stadtunabhängige Fachleute sprach Bände

· Auch die strikte Weigerung, die seit mindestens 2012 wissentlich notwendigen Brandschutzmaßnahmen durchzuführen, belegt, dass „die Stadt“ unter keinen Umständen bereit war, das Gebäude auf absehbare Zeit nutzen zu wollen, schon überhaupt nicht als VHS. Dafür nahm man auch in Kauf, dass die Erfüllung der Pflichtaufgabe Volkshochschule in Mülheim nur noch rudimentär möglich war und in der Folge die vorher vorbildlichen Mülheimer VHS-Aktivitäten auf einen Bruchteil schrumpfen mussten, was sogar die Zuschussfähigkeit z.T. gefährdete.

· Zur scheinbaren Legitimierung und Vertuschung dieses VHS-Zerstörungskurses ließ dann die Verwaltung die Ratsmehrheit am 7. Dez. einen scheinheiligen Prüfauftrag abnicken, dessen Hauptergebnis ohnehin feststand, dass nämlich die VHS im Denkmal an der MüGa nie mehr wieder in Betrieb gehen können solle. Dazu verkündete die Verwaltung, dass eine Brandschutzsanierung mindestens 5 Jahre dauern würde, später wurde sogar von 10 oder gar 15 Jahren gefaselt.

· Um weiter Fakten gegen eine zukünftige Wiedernutzung der VHS zu schaffen, ließ man den Rat im Februar über die Anmietung von Ersatzgebäuden als Interimslösung im umgebauten ehemaligen AEG-Fabrikgebäude an der Aktienstraße abstimmen.

· Die Verwaltung reduzierte in der Ratsvorlage vom 7.12.17 willkürlich die 6000 qm Nutzfläche in der VHS in der MüGa auf zukünftig angeblich nur noch benötigte 3200 qm als VHS-Fläche. Weil im Gebäude Aktienstr. zumindest vorerst aber nur 2000 qm zur Verfügung stehen, wurde im Feb. beschlossen, zusätzlich auf der Schloßstr. ca. 1200 qm im ehemaligen C&A-Gebäude anzumieten, wo heute im EG Cafe Alex ist. Wie sich dann Mitte April herausstellte, kam das nicht zustande, weil der Vermieter keine Sprachkurse für Zuwanderer in dem Gebäude haben wollte. Das wusste anscheinend im Feb. niemand. Die Integrations- und Deutschkurse werden nun in dem wenig geeigneten Gebäude der ehemaligen Hauptschule Bruchstr. stattfinden, wo bis Schuljahresende 2017/18 mind. 6 reine Flüchtlingsklassen untergebracht waren, die nun zumindest teilweise woanders im Stadtgebiet untergebracht oder aufgeteilt werden mussten.

· Zu allem Überfluss verkündete der Kämmerer der hochgradig überschuldeten Stadt am 20. April, dass nun für 900.000 € ein Gutachten im Sinne des Ratsbeschlusses vom 7. Dez. ausgeschrieben werde trotz Haushaltssperre und bereits erkennbar nicht genehmigungsfähigem Haushalt 2018. Ob das trotz allem inzwischen geschehen ist, ist unbekannt. Diese 900.000 € sollen aus der Haushaltsstelle „Sanierung der VHS“ aus dem bis heute nicht genehmigten Etat für 2018 genommen werden. Das Ganze ist vordergründig absurd, wenn die seit 1 Jahrzehnt Jahr für Jahr nicht in Anspruch genommenen Gelder für die VHS-Sanierung erst dann in größerem Maße abgerufen werden, wenn es darum geht, per Gutachten nachzuweisen, dass eine Sanierung sich nicht (mehr) lohnt. In Wirklichkeit ist diese Vorgehensweise, die an rücksichtslose Immobilienspekulanten erinnert, eher bösartig und einer dem Allgemeinwohl verpflichteten Kommune unwürdig sowie unverantwortlich.

· Die VHS in der MüGa kann auch nicht isoliert nur als Lernort für Weiterbildung und Sprachkurse gesehen werden, weil sie integraler, wichtiger Bestandteil des Kulturensembles rund um den MüGa-Park ist mit Schloß, Ringlokschuppen, Camera Obscura und Alten Dreherei. Auch für den sehr beliebten Matschspielplatz neben der VHS muss diese auf Dauer wieder zugänglich gemacht werden. Auch das vielfältige kulturelle sowie gesellschaftliche Angebot der VHS vor der Schließung fehlt bereits spürbar und verstärkt die Desintegration und weitere Schwächung der städtischen Demokratie.

· Unabhängig davon werden in der Zukunft die kommunalen Aufgaben von Integration der vielen Zugezogenen aus vielerlei unterschiedlichen Kulturen und Weiterbildung in Zeiten zunehmender Digitalisierung die zentralen Bereiche sein, in denen eine Kommune aktiv Prozesse steuern und entwickeln kann und muss. Dazu gehört nicht nur eine zentrale und leistungsfähige VHS, sondern auch z.B. eine kommunikative Atmosphäre und ein Ambiente, die viel mehr bieten als nur das Abhalten von Kursen zur Erlangung von Bescheinigungen, will man der Entstehung und der Verfestigung von Parallelgesellschaften entgegen wirken. Insbesondere für die inzwischen fundamental wichtigen Integrationsanstrengungen spielen die Kommunikationsmöglichkeiten eine entscheidende Rolle. Genau das war eine der ganz großen Stärken der VHS in der MüGa.

Aus alledem wird eines überdeutlich:
„Die Stadt“ will mit allen Mitteln und ohne Rücksicht auf Verluste das abrupt leer gezogene VHS-Gebäude solange vor sich hin gammeln lassen, (wenn nicht sogar das Gammeln selbst zu beschleunigen), bis eine Abrissgenehmigung für dieses Denkmal möglich sein wird. Wenn sehr wichtige städtische Aufgaben wie Weiterbildung und Integration der vielen Zuwanderer dabei schweren Schaden erlitten haben und weiter erleiden, so wird das anscheinend als „Kollateralschaden“ angesehen bei dem unausgesprochen „wichtigeren“ Ziel, das hoch attraktive Grundstück in der MüGa in Zukunft vermarkten zu können.

Für das unfassbar kaltschnäuzige Umspringen „der Stadt“ mit den über 5000 Kursteilnehmern und die richtig schäbige Behandlung der meisten der über 200 ehemaligen VHS-Dozent/innen muss man sich als Mülheimer/in regelrecht schämen.

Darüber aber, dass die mit Abstand beste, billigste und sinnvollste Alternative darin bestanden hätte, die real existierende VHS endlich zu sanieren und spätestens zum Sommer wieder ganz und vollständig in Betrieb zu nehmen, darüber spricht im offiziellen Mülheim kaum noch jemand. Unsere davor gut funktionierende, einzigartige VHS in der MüGa ist einfach von „der Stadt“ für tot erklärt worden, und zwar ziemlich skrupellos. Viele Bürger/innen sehen das anders, wie die außergewöhnlich große Resonanz auf das Bürgerbegehren mit über 10.500 Unterstützerunterschriften in nur 2 Monaten mehr als deutlich gemacht hat.

Beim bereits 3. Versuch in weniger als 4 Jahren, diese VHS vom MüGa-Standort weg zu bekommen, haben Verwaltung und evtl. auch eine Mehrheit der Politik dieses Mal anscheinend alles von längerer Hand geplant und vermeintlich taktisch klug eingestielt. Dazu gehört eben auch die Erklärung, das Bürgerbegehren sei unzulässig.

Zur Erinnerung: Mitte 2014 sollte die VHS für eine Sparkassenakademie weichen, der Abrissantrag war gestellt und die B-Planänderung eingeleitet. Ende 2015/Anfang 2016 sollte die VHS in den Gebäudekomplex verlagert werden, der auf dem ehemaligen Kaufhofareal entstehen sollte) zusammen mit Altenwohnungen, Muckibuden u.ä.). Beides scheiterte, doch der Abrissantrag für die VHS in der MüGa wurde bis heute nicht eingestampft, anders als die B-Plan-Änderung. Im Feb. 2017 wurde die VHS auf Grundlage des LVR-Gutachtens vom 12.9.16 endgültig in die Denkmalliste eingetragen, nachdem die Stadt Mülheim über 2 Jahre lang alles versucht hatte, die Unterschutzstellung zu verzögern und zu verhindern. Das LVR-Gutachten ist nachlesbar auch unter
http://www.mbi-mh.de/wp-content/uploads/2017/11/LVR-Gutachten-zu-Denkmal-VHS.pdf

Die Stadt Mülheim, die seit vielen Jahren von einem Finanzabenteuer ins nächste taumelt, hat es trotz günstigerer Voraussetzungen als in den meisten anderen Ruhrgebietsstädten „geschafft“, Spitzenreiter in der NRW-Pro-Kopf-Verschuldung zu werden und als einzige Stadt weit und breit sogar eine sogar bilanzielle Überschuldung, d.h. negatives(!) Eigenkapital von bereits weit über 500 Mio.€, aufzutürmen. Das VHS-Abenteuer ist nicht nur der nächste Sargnagel, sondern um im Bild zu bleiben bereits eher eine Grabplatte.

Das ganze ist ein Riesenskandal und vor allem SPD und Grüne sollen nicht glauben, dass alles in wenigen Jahren vergessen sein wird. Eine Stadt sollte sich nicht die Methoden und taktischen Manöver von Immobilienspekulanten zu eigen machen!

Autor:

Kirsten Grunau aus Mülheim an der Ruhr

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