Das „Bündnis für Wohnen in Mülheim an der Ruhr“ hat sich gegründet
Bezahlbarer Wohnraum ist das Ziel

Der Verbandsdirektor der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft Rheinland-Westfalen frohlockte: „Ich finde das außerordentlich gut, dass Mülheim solch ein Bündnis schafft. Ein starkes Signal für diese Stadt.“  Alexander Rychter moderierte eine Veranstaltung, die das „Bündnis für Wohnen in Mülheim an der Ruhr“ aus der Taufe hob. Beteiligt sind Wohnungswirtschaft, Politik und Verwaltung.

Michael Neitzel vom Forschungsinstitut InWIS stellte kurz die Ergebnisse der Analyse „Bezahlbarer Wohnraum in Mülheim an der Ruhr“ vor. Es gehe vor allem um eine solide Datengrundlage. So lägen 2.400 Haushalte über einer Wohnkostengrenze von 40 Prozent. Diese von der Europäischen Kommission gezogene Grenze überschreite die Daumenregel, dass ein Drittel des Einkommens für Wohnen akzeptabel sei: „Es gab lange die Auffassung, in Deutschland würde man vergleichsweise günstig wohnen.“

Das habe sich geändert. In Mülheim fehlen große, aber auch rund 2.000 kleinere, günstigere Wohnungen, speziell für Senioren. Doch solange es noch Leerstände gebe, solle man beim Thema Neubau vorsichtig sein. In Mülheim müsse es weiterhin hochwertige Standorte geben. Daher halte er eine Quotierung für geförderten Wohnraum in bestimmten Bereichen für angemessen, aber nicht pauschal für die ganze Stadt. In anderen Kommunen werde ebenfalls diskutiert. InWIS empfehle da Quoten ab 50 Wohneinheiten.

„Historischer Termin für Mülheim“

Als Arbeitsgrundlage dienen sieben Zielstellungen, die von den zuständigen städtischen Beigeordneten Buchholz und Vermeulen vorgestellt und kurz erläutert wurden. Marc Buchholz sprach von nicht weniger als einem „historischen Termin für Mülheim“ und Peter Vermeulen betonte seine Freude darüber, dass das Bündnis so viel Resonanz gefunden habe.

Er sei unverdächtig, dass Thema vorangetrieben zu haben, da ihm die aktuellen Mieten keinen Anlass gäben: „Aber letztlich hat mich das Argument von Claus Schindler überzeugt, dass es auch um die geht, die eine neue Wohnung finden müssen. Und bei heutigen Baupreisen werden wir über der Durchschnittsmiete liegen.“ SPD-Fraktionsgeschäftsführer Schindler ist eine treibende Kraft hinter Forderungen, bezahlbaren Wohnraum zur Not auch mit festgelegten Quoten für Neubauten zu erreichen. Frank Esser vom Mülheimer Wohnungsbau zollte Vermeulen jedenfalls „großen Respekt dafür, dass er ein Stück weit einen Meinungswechsel öffentlich zugegeben hat.“ Viele Menschen in Mülheim könnten nur geringe Mieten zahlen.

Wohnformen

Peter Vermeulen betonte: „Wir müssen Wohnungspolitik für alle Bevölkerungsgruppen machen.“ Er skizzierte kurz die Fragestellungen: „Wie schaffen wir bezahlbares, wie qualitativ hohes, wie barrierefreies Wohnen?“ Da müsse man eine sozialverträgliche Entwicklung in den Stadtquartieren beachten: „Wir haben unterschiedliche Quartiere, die können wir nicht alle gleich behandeln.“ Es fehlten große Wohnungen und Wohnungen für Alleinstehende.

Das rief Sozialdezernenten Buchholz auf den Plan: „Wie gehen wir mit der älter werdenden Gesellschaft um? Wie kriegen wir den Spagat hin, kleinere, barrierefreie Wohnungen anzubieten und das Ganze auch bezahlbar? Wir verändert sich unsere Stadt? Die Menschen möchten doch ihr liebgewordenes Quartier nicht verlassen.“ Da müsse man über innovative Wohnformen nachdenken, zum Beispiel über Senioren-WGs.

Wohnungsbauoffensive des Landes

Alexander Rychter berichtete, das Land NRW habe eine Wohnungsbauoffensive aufgelegt. Das Thema Förderung spiele eine große Rolle. Peter Vermeulen gab zu, in Mülheim müssten bestehende Fördermöglichkeiten noch effizienter ausgeschöpft werden. Rychter findet es verheerend, dass dem sozialen Wohnungsbau oft ein negatives Image anhafte: „Wir müssen Lust auf geförderten Wohnungsbau machen.“ Zumindest von außen sei heute kein Unterschied mehr zwischen frei finanziertem und gefördertem Wohnraum auszumachen. Künftig würden Preisbindungen auch bei Modernisierungen entstehen können.

Das bestätigte Planungsdezernent Vermeulen: „Unsere Wohnungsbaugesellschaften gehen schon darauf ein, mit qualitativen Aufwertungen im Bestand und sogar im Neubau.“ Doch die Anzahl preisgebundener Mietwohnungen reduziere sich kontinuierlich: „Wir würden gut daran tun, private Akteure dazu zu gewinnen.“ Denn von den 4.800 preisgebundenen Mietwohnungen in Mülheim lägen zum Beispiel 2.800 Einheiten bei SWW und 1.000 bei MWB, aber lediglich ein gutes Siebtel in privater Hand.

Städtische Grundstücke

Der MWB-Vorstandsvorsitzende Esser legte einen Schwachpunkt offen. Zurzeit würden 80 Prozent der städtischen Grundstücke ausschließlich nach dem höchsten Preis vergeben: „Solange die Stadt nicht preiswerte Grundstücke anbietet, wird sich nichts ändern. Private Akteure werden dies nicht tun.“ Darauf antwortete Marc Buchholz: „Nach meinen ersten sieben Monaten hier in Mülheim habe ich verstanden, dass wir mindestens bis 2023 unter Kommunalaufsicht stehen. Wir sind nicht frei, Grundstücke unter Marktwert zu veräußern.“ Wobei Alexander Rychter zu bedenken gab: „Auf teurem Grund und Boden können sie nicht günstigen Wohnraum schaffen.“

SWB-Geschäftsführer Andreas Timmerkamp hieb in dieselbe Kerbe: „Wir bauen im Moment ausschließlich auf eigenen Grundstücken.“ Der Weg seiner Gesellschaft: „Wir werden über 1.200 Wohnungen anpassen, davon werden dann 400 öffentlich gefördert sein.“ Was SPD-Ratssprecher Dieter Spliethoff zu einem Appell veranlasste: „Die Zeit drängt. Das Thema der Flächen muss sofort angegangen werden.“ Peter Vermeulen bestätigte, dass hier zukünftig mehr Konzept- als Höchstpreisvergabe erfolgen müsse.

Kommunalwahlen 2020

Marc Buchholz berichtete von der sozialen Komponente. Das Wohngeld solle demnächst steigen, es müsse aber auch mehr über staatliche Unterstützung für Mietende informiert werden. In Mülheim gebe es aktuell 1.100 Wohngeldfälle und 10.000 Bedarfsgemeinschaften, die Grundsicherungsleistung nach SGB II bezögen. Viele nutzten da ihre Möglichkeiten nicht: „Wie kommen die Leute an ihr Geld?“ Dazu fiel Andreas Timmerkamp ein: „Eine breite Aufklärungsoffensive wäre vonnöten.“

Peter Vermeulen resümierte: „Wir müssen über städtische Flächenpolitik reden. Das gilt auch für Gewerbeflächen. Aber wir haben im nächsten Jahr Kommunalwahlen. Ob wir dann noch zielgerichtete Diskussionen hinbekommen?“ Daher werde es 2020 mit den Treffen des Bündnisses früh im Jahr weitergehen und der nächste Termin bereits im 1. Quartal liegen.

Autor:

Daniel Henschke aus Essen-Werden

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