Ausgebombt und geflohen
Damaskus, Stadtteil Kfar Batna, im Mai 2012: Als die Kämpfe in der Straße aufflammen, schnappen Leila und Alahmad-Yasser Hamid ihre drei Kinder. Wie jeden Abend bringen sie sich im Badezimmer in Sicherheit. Das liegt im hinteren Teil ihrer Wohnung in Kfar Batna.
Doch an diesem Abend ist alles anders. Wenig später schlägt an der Vorderfront eine Granate krachend ein. Fensterglas zerspringt, Splitter schießen wie Geschosse durch die Räume. Die Kinder schreien, fangen an zu weinen. Nur mühsam beruhigen die Eltern sie. „Wir hatten Glück, dass keiner von uns verletzt wurde“, sagt der 42-jährige Familienvater.
Am nächsten Morgen, als es scheinbar ruhiger wird, fliehen sie aus der zertrümmerten Wohnung. Ihr Ziel: Beirut. Dort leben seit Beginn des Bürgerkrieges Leila Hamids Eltern.
Auf der Straße vor der zertrümmerten Wohnung liegen Tote. In einem Auto sieht Hamids Sohn, Subhi, den erschossenen Fahrer. Mit seinem Finger zeigt der Junge auf seine Stirn. Dort trafen Unbekannte den Mann.
Bereits Ende 2011 hatte die Familie wegen der Kämpfe Kfar Batna schon einmal verlassen. Wenige Wochen später kehrten sie aus Beirut zurück. Die Armee hatte die Kontrolle über den Stadtteil übernommen. Die Hoffnung, dass wieder Frieden einkehrt, schien realistisch. Doch an diesem Maitag zerplatzt dieser Traum endgültig.
„Aber jetzt war es nicht mehr so einfach, nach Beirut zu fahren“, erzählt der 42-jährige gelernte Buchdrucker. Immer in Deckung vor Heckenschützen, über die Toten auf den Straßen springend, nimmt ein Autofahrer die Familie schließlich nach Beirut mit. In der kleinen Wohnung der Schwiegereltern in der Nähe des Al Basta Parks finden sie Unterschlupf.
Noch hoffen sie auf Besserung der Lage in ihrer Heimat, harren aus. Doch irgenwann fällt die Entscheidung, sich als Flüchtlinge registrieren zu lassen.
Im Dezember 2012 hält Hamid die Papiere des UNHCR, des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen, in Händen. Doch bis zu ihrer Ausreise nach Deutschland vergeht noch eine lange Zeit.
Am 3. Juni landet die Familie in Hannover. „In Bramsche (Aufnahmelager in Niedersachsen) haben sie uns gut behandelt. Alle waren so freundlich“, erzählen die Hamids. Sie sind sehr dankbar für die Unterstützung Deutschlands.
Staaten wie Saudi Arabien und die Emirate am Golf nehmen kaum Flüchtlinge auf, kritisiert der Familienvater. Nur Jordanien, Irak, Libanon und die Türkei lassen die, die alles verloren haben, einreisen. Von Bramsche aus werden die Flüchtlinge auf die Bundesländer verteilt. Die Hamids erreichen am 17. Juni Mülheim. Und dann passiert etwas Ungewöhnliches: Bei der Erkundung der neuen Umgebung trifft der 42-Jährige auf seinen entfernten Verwandten, Samir El-Zein. Der hatte bereits 1990 Syrien verlassen.
Die Familie Hamid ist glücklich, den Kämpfen entkommen zu sein. Zu welcher der zahlreichen Gruppen die Heckenschützen gehörten, weiß er nicht. „Wir normale Bürger können die Kämpferei überhaupt nicht verstehen. Bis 2011 haben wir doch so sicher gelebt.“ Der Buchdrucker vermutet, dass die Drahtzieher aus anderen arabischen Staaten kamen, um Syrien zu destabilsieren. Die Folgen trügen jetzt Millionen von Unschuldigen.
Die Familie Hamid sucht eine Wohnung. Wer helfen möchte, kann sich per Mail an redaktion@muelheimerwoche.de wenden.
Das UN-Flüchtlingswerk geht derzeit davon aus, das rund 6,5 Millionen
Menschen im eigenen Land als Flüchtlinge umherirren.
1,1 Millionen Menschen flüchteten in den Libanon.
700.000 Menschen hat die Türkei aufgenommen.
600.000 Flüchtlinge suchten Schutz in Jordanien.
225.000 flohen in den Irak.
140.000 schlugen sich nach Ägypten durch.
In Deutschland leben derzeit 43.000 Syrer, die Sicherheit vor dem Bürgerkrieg suchen.
Autor:Dirk-R. Heuer aus Hilden |
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