Mülheimer Landtagskandidaten vor Schülern
Auf den Zahn gefühlt
Endgültig begonnen hat der Landtagswahlkampf in Mülheim. Die Bezirksschülerschaft hatte geladen in die Westenergiehalle. Über 400 Schüler und Schülerinnen wollten Politikern auf den Zahn fühlen, sich eine Orientierung verschaffen im Dickicht der Meinungen.
Oberstufenschüler aus zehn Mülheimer Schulen waren gekommen, vor allem Sozialwissenschafts-Kurse. Oberbürgermeister Marc Buchholz begrüßte, freute sich über die große Resonanz der Veranstaltung und zeigte sich zuversichtlich, dass die Schüler „mit mehr Antworten als Fragen“ die Halle wieder verlassen könnten. Durch die Diskussion führten die beiden Schülersprecher Luisa Reichwein und Samuel Bielak. Das Publikum bekam Grüne und Rote Karten, um seine Meinung kund zu tun.
Fünf Landtagskandidaten stellten sich: Kathrin Rose (Grüne / Bündnis 90), Rodion Bakum (SPD), Heiko Hendriks (CDU), Christian Mangen (FDP) und Marc Scheffler (Die Linke). So manche Gretchenfrage stellte sich: „Wie hältst du es mit ÖPNV, Digitalisierung, mit Corona, mit der Umwelt?“ Alle Fünf waren durchaus geneigt, mit gängigen Klischees aufzuräumen. Erfrischend konkret die Antworten.
ÖPNV in der Kritik
Beim Thema ÖPNV startete Rodion Bakum knackig: „Die Situation ist scheiße in Mülheim. Wir von der SPD wollen daher einen umlagefinanzierten ÖPNV. Bis dahin solle es kostenfreie Tickets für Schüler geben.“ Für Christian Mangen soll es ein deutlich günstigerer ÖPNV sein, aber kein ganz kostenfreier: „Ein Deckungsbeitrag soll bleiben.“ Abgefedert durch sozial verträgliche Lösungen. Was Marc Scheffler konterte: „Wenn doch der ÖPNV ohnehin stark bezuschusst wird, warum nicht gänzlich kostenlos?“ Alleine könne das Mülheim ohnehin nicht schaffen, gaben Kathrin Rose und Heiko Hendriks zu bedenken. Da brauche es Hilfe vom Bund. Die Umfrage gab ein klares Bild: Absolut unzufrieden mit dem derzeitigen ÖPNV, wünscht sich die Schülerschaft ein kostenloses und in ganz NRW gültiges Schülerticket.
Für Kathrin Rose ist das Ziel einer klimaneutralen Industrie im Ruhrgebiet schon 2030 zu erreichen: „Der Krieg in der Ukraine hat gezeigt, wie abhängig wir sind von fossilen Brennstoffen.“ Mülheim brauche mehr als nur das eine Windrad. Und es gelte auch, gewisse Bequemlichkeiten aufzugeben. Christian Mangen möchte das Thema nicht mit Verboten, sondern „technologieoffen und -freundlich“ angegangen wissen. Zum Beispiel würden Hochöfen auf Wasserstoffbefeuerung umgestellt. Der freie Markt werde die Probleme nicht lösen, grätschte Marc Scheffler dazwischen. Technologie schön und gut: „Doch wir müssen den Markt regulieren.“
Klimaneutralität wann?
Gegen die Menschen könne man Klimaschutz nicht durchsetzen, mahnte Heiko Hendriks, aber: „Es muss Regeln geben.“ Jeder solle seinen eigenen Lebensstil überprüfen. Das eine Mülheimer Windrad versorge 10.000 Haushalte mit Strom. Haupt-Stromverbraucher sei aber die Industrie. Die CDU schreibe zwar 2045 als Ziel für Klimaneutralität ins Programm: „Ich wäre aber dafür, dass eher hinzubekommen.“ Für Rodium Bakum funktioniert es nur mit echter Kreislaufwirtschaft, dem Ausbau erneuerbarer Energien aus Windkraft und Solardächern, Elektromobilität und Firmen, die ihre Produktion auf Wasserstoffbasis umstellen.
Was ist mit den Lockerungen bei Corona? Rodion Bakum mahnte: „Ich arbeite im Krankenhaus und habe keinen Bock mehr auf Maske. Aber ich schütze mich und andere damit. Tragt Sie bitte weiter.“ Den Schülern sollten kostenlose FFP2-Masken gestellt werden. Heiko Hendriks beharrte darauf: „Impfen hilft und Maske tragen ist einfach nur klug.“ Marc Scheffler arbeitet im Einzelhandel und möchte die Maske lieber noch aufbehalten: „Es macht mir Angst, das es immer noch schwerwiegende Verläufe gibt.“ Kathrin Rose betonte, in Innenräumen solle weiterhin Maske getragen werden: „Mich selbst einschränken für andere.“ Christian Mangen verteidigte auch hier Freiheit und Selbstbestimmung. Doch die Mülheimer Schüler spielen offenkundig im „Team Vorsicht“. Sie lehnten den von der FDP forcierten baldigen Wegfall der Maskenpflicht an Schulen unisono ab.
Problem Lehrermangel
Auf den Lehrermangel solle mit flexiblerer Ausbildung und geeigneten Quereinsteigern geantwortet werden, so Kathrin Rose. Marc Scheffler forderte bessere Bezahlung für alle Schulformen, an Gymnasien gebe es kaum Lehrermangel. Christian Mangen betonte, CDU und FDP im Land hätten die Zahl der Studienplätze erhöht. Heiko Hendriks gab zu, bisher habe es keine Regierung geschafft, den Mangel richtig in den Griff zu bekommen. Immerhin seien nun 10.000 neue Lehrer eingestellt worden. Man brauche kleinere Klassen. Rodion Bakum wies darauf hin, dass die SPD gleiche Bezahlung für alle Lehrer fordere. Es brauche viel Geld, das sei auch da, aber ungerecht verteilt. Die Landesregierung habe nämlich ihre Lieblingsstädte.
Dass es in Mülheimer Schulen oft noch am W-Lan mangelt, bemängelten alle fünf Kandidaten. Auch müsse die Digitalisierung intensiviert werden. Für Heiko Hendriks gibt es nur eine Lösung: „Da müssen wir überparteilich an einem Strang ziehen.“
Autor:Daniel Henschke aus Essen-Werden |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.