Mülheim kauft nun doch 650 Luftfiltergeräte für Schulen
Als Ergänzung zum Lüften

Die Hälfte der Mülheimer Schulzimmer wird mit mobilen Luftfilteranlagen ausgerüstet. 
Foto: Archiv lokalkompass
  • Die Hälfte der Mülheimer Schulzimmer wird mit mobilen Luftfilteranlagen ausgerüstet.
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Die Stadt Mülheim möchte für ihre Schulen 650 mobile Luftfilteranlagen anschaffen. Bis zum Ende der Herbstferien sollen die Räume der Klassen 1 bis 6 und Betreuungsräume sowie die Förderschule an der Rembergstraße komplett ausgestattet werden. Im Raum stehen Kosten von rund drei Millionen Euro.

Die Verwaltung hatte den Nutzen von Luftreinigern in Schulen bislang angezweifelt. Aus der Elternschaft hatte es aber Druck gegeben. Experten seien der Meinung, dass sich nur durch Stoßlüften kein virenfreies Klima erreichen lasse. Auch finanzielle Gründe wollten die Eltern nicht gelten lassen, da hierfür gewiss Fördermittel des Landes zur Verfügung stünden.

Online-Petition

Der Vorsitzende der Elternpflegschaft des Otto-Pankok-Gymnasiums Matthias Hahn hatte vor zwei Monaten eine an den Oberbürgermeister gerichtete Online-Petition gestartet. Die Anschaffung von Luftreinigern solle für jede Schule und jede Klasse erfolgen: „Wir fordern die Entscheider in der Stadt Mülheim an der Ruhr auf, nach Lösungen zu suchen, auch weiterführende Schulen auszustatten, um allen Schülern die Chance zu eröffnen, im kommenden Schuljahr im Präsenzunterricht zu lernen.“

Bislang wurde diese Petition von 1.144 Personen unterzeichnet. Christoph Kamburg von der örtlichen Elterninitiative für mobile Luftfilter hatte gemahnt, dass die entsprechenden Anlagen auf dem Markt bald knapp seien könnten. Auch solle die Stadt sich nicht auf staatliche Fördermittel verlassen, sondern selbst Geld in die Hand nehmen zur Ausstattung aller Klassenräume.

Überraschung im Rat

Kurzfristig hatte die Verwaltung den Stadtrat mit einer Tischvorlage überrascht. Nun sollen ganz schnell 650 mobile Luftfilteranlagen erworben werden. Schrankgroße Geräte, die zwar mobil heißen, der Sicherheit der Schüler zuliebe aber an Wänden befestigt würden. Klassische Systeme mit ultrafeinen Hepa-Filtern werden bevorzugt, die ohne strittige Techniken mit UV-Licht oder Ozon auskommen. Der Geräuschpegel gedämmter Geräte neuester Generation ist unter 35 Dezibel zu halten. Kämmerer Frank Mendack ist zugleich zuständig für den Immobilienservice: „Wir sprechen von Kosten für Anschaffung und Aufstellung, da ist ein regelmäßiger Wechselintervall der Filter noch nicht enthalten.“

Warum das Umdenken? Bisher hatte die Stadt stets eine Wirksamkeit angezweifelt? Die Sachlage habe sich geändert, betonte Oberbürgermeister Marc Buchholz, nämlich die Corona-Betreuungsverordnung. Das Umweltministerium erwähne nun erstmals auch Luftfilter als geeignete Maßnahme, allerdings nur ergänzend zum Lüften. Bedenken blieben dennoch, so ein nachdenklicher Oberbürgermeister: „Es darf nicht dazu kommen, dass die Luftfilteranlagen in falsche Sicherheit wiegen und das Stoßlüften alle 20 Minuten und das Querlüften in den Pausen vernachlässigt wird.“

Nur Impfen hilft

Er sei ja auch Vater: „Nur Impfen hilft. Also wollen wir die über Elfjährigen flächendeckend impfen lassen. Die Luftfilter sollen als zusätzliche Sicherheit dienen für diejenigen, denen noch kein Impfangebot gemacht wird, den unter Zwölfjährigen.“
Gesundheitsamtsleiter Dr. Frank Pisani stellte klar: „In den Klassenräumen der jüngeren Altersstufen haben wir ein statisches System mit festen Sitznachbarn. Da können Filter die Viruslast reduzieren, aber die Frischluft muss immer noch von außen kommen.“ In den Kitas sei aufgrund der erforderlichen körperlichen Nähe die Wirksamkeit von Filtern in Frage gestellt: „Da ist nicht nachzuvollziehen, wer mit wem gespielt hat. Deswegen sind alle Kita-Kräfte sofort geimpft worden.“

Die Förderkulisse verleite zu Missverständnissen, warnte der Kämmerer: „Die 90 Millionen Euro von Bund und Land würden rein rechnerisch 900.000 Euro ausmachen für Mülheim. Davon könnten wir nicht genügend Geräte anschaffen.“ Die schwarz-grüne Koalition war mit einem Antrag in die Ratssitzung gegangen, es solle schnellstens geklärt werden, ob, wann und wie der Bund die Stadt bei der Finanzierung und der Umsetzung unterstütze. Diesem Antrag konnte der Stadtrat einstimmig folgen, bei Enthaltung der AfD.

Gedämpfte Erwartungen

Der Oberbürgermeister dämpfte die Erwartungen: „Wir werden vermutlich keine Fördergelder abrufen können. Das Land will weiterhin ausschließlich Räume der Kategorie 2 fördern. Und die gibt es nicht in Mülheim.“ Bei einer Bestandsaufnahme an Mülheimer Schulen im Frühjahr waren 23 der insgesamt 1.200 Räume als nur eingeschränkt zu Lüften identifiziert worden. Diese Räume wurden aber bereits entsprechend saniert, betonte Schulverwaltungsamtsleiter Peter Hofmann: „Die Lüftungsprobleme wurden behoben.“

Ob man diese Geräte nicht schon vor Monaten habe kaufen sollen, blieb strittig. Besonders aus der SPD hagelte es Vorwürfe. So erklärte die Bildungsausschussvorsitzende Gabriele Hawig, bisher habe es eine Blockadehaltung gegeben, da überrasche diese „Kehrtwende der CDU“ doch. Es entwickelte sich ein Schlagabtausch, in dessen Folge Heiko Hendriks (CDU) Gabriele Hawig vorwarf, ihr Beitrag sei „ideologisch und sonst nichts“ gewesen. Das wiederum rief eine empörte SPD-Fraktionsvorsitzende Margarete Wietelmann auf den Plan: „Es bestürzt mich, wenn Herr Hendriks von Ideologie spricht.“

Stadtdirektor Dr. Frank Steinfort fand auf eine sachliche Ebene zurück: „Der Krisenstab hat die Luftfilter mehr als einmal erörtert. Bereits am 19. April hat die Bundeskanzlerin gesagt, sie werde Geld zur Verfügung stellen für mobile Lüfter. Also haben wir auf Festlegungen des Landes gewartet, damit wir die richtigen Geräte kaufen. Aber die Festlegungen kamen nicht. Nun haben wir endlich entsprechende VDI-Richtlinien über Prüfkriterien für mobile Luftreiniger“.

Autor:

Daniel Henschke aus Essen-Werden

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